| # taz.de -- Tech-Investor Peter Thiel: Der Auszug der Milliardäre aus der Vera… | |
| > Die Reichen verabschieden sich längst aus der gemeinsamen Welt der | |
| > Demokratie. Ein gutes Beispiel dafür ist der Tech-Milliardär Peter Thiel. | |
| Bild: Peter Thiel, Mitbegründer von PayPal und Palantir, während einer Bitcoi… | |
| In den USA treten finanzkräftige Parteispender gerne öffentlich in | |
| Erscheinung. So ist etwa Elon Musk zuletzt mehr als deutlich als | |
| Unterstützer [1][Donald Trumps] hervorgetreten. Oder soll man besser sagen | |
| gehopst – wie bei seinem skurrilen Auftritt in Pennsylvania am Ort des | |
| Attentats? | |
| Etwas hintergründiger – aber um nichts weniger intensiv – legt ein anderer | |
| Tech-Milliardär seine Unterstützung an: Peter Thiel. Der in Deutschland | |
| geborene und in den USA aufgewachsene Investor entwickelt seine Parteinahme | |
| auf seine eigene Art. Man bezeichnet ihn als Strippenzieher und seit der | |
| Ernennung seines Protegés [2][J. D. Vance zu Trumps | |
| Vizepräsidenten-Kandidaten] sogar als Königsmacher. | |
| Kürzlich ist ein Videoclip von Februar wieder aufgetaucht, wo der | |
| Silicon-Valley-Milliardär sein politisches Credo ablegt. Und dieses hat es | |
| durchaus in sich. | |
| Er beruft sich ausgerechnet auf [3][Carl Schmitt.] Vorlage ist ihm die | |
| Kritik des expliziten Nationalsozialisten am Liberalismus, an der liberalen | |
| Demokratie der Weimarer Republik in den 20er Jahren. Diese Kritik würde, so | |
| Thiel, auch auf das moderne Amerika zutreffen. | |
| „Ich glaube nicht, dass wir uns in einer zyklischen Welt befinden, aber es | |
| gibt sicherlich gewisse Parallelen zwischen den USA in den 2020er Jahren | |
| und Deutschland in den 1920er Jahren“, so Thiel. „Der Liberalismus ist | |
| erschöpft, man vermutet, dass die Demokratie, was auch immer das heißen | |
| mag, erschöpft ist und dass wir einige Fragen stellen müssen, die weit | |
| außerhalb des Overton-Fensters liegen.“ | |
| Er nimmt damit unter expliziten Vorzeichen ein Thema auf, das er immer | |
| wieder vorbringt: „Ich glaube nicht länger“, so Thiel, „dass Freiheit und | |
| Demokratie miteinander vereinbar sind.“ | |
| ## Regeln schränken Milliardäre ein | |
| Warum diese aus seiner Sicht nicht vereinbar seien, ist klar: Demokratie | |
| ist eine Gesellschaftsordnung, die Macht institutionell begrenzt – auch die | |
| Macht von Eliten. Zumindest dem Ideal nach. | |
| Demokratie bedeutet Regeln, die für alle gelten – das ist aber für die | |
| Thiels dieser Welt eine unzulässige, eine empörende Einschränkung. Denn | |
| Regeln fügen sie in etwas ein, dem sie sich nicht zugehörig fühlen: die | |
| Gesellschaft. Deshalb lehnen sie Demokratie ab. So wie Thiel auch Politik | |
| als „Einmischung in anderer Leute Leben ohne ihre Zustimmung“ ablehnt. Die | |
| Freiheit, die für ihn unvereinbar mit der Demokratie ist, ist genau das: | |
| Freiheit von der Gesellschaft, die ihn eingrenzt. | |
| „Sezession der Reichen“ nennt man das in der Theorie. Eine Abtrennung, eine | |
| Distanzierung, eine Ungebundenheit von der Gesellschaft. Der Soziologe | |
| Zygmunt Bauman sah darin eine „geistig-moralische Exterritorialität“ der | |
| Erfolgreichen, die sich für eine Abspaltung entscheiden und von ihren | |
| gesellschaftlichen Verpflichtungen und Verantwortungen und damit vom | |
| Gemeinwohl zurücktreten. Kurzum – die Thiels dieser Welt kündigen den | |
| Gesellschaftsvertrag einseitig auf. | |
| ## Das wahre Gesicht des Populismus | |
| Sie verabschieden sich aus der gemeinsamen Welt. Sie kündigen noch die | |
| allgemeinste Vorstellung von Gleichheit auf. Das steht nur scheinbar im | |
| Widerspruch zu Trumps vehementem Nationalismus und seinem Populismus. | |
| Tatsächlich ist es dessen wahres Gesicht. | |
| Dieser Auszug aus der Verantwortung, aus der Gesellschaft, ist ein Auszug | |
| aus der Begrenzung, die für die Demokratie konstitutiv ist. Denn er | |
| bedeutet in jeder Hinsicht eine Entgrenzung: finanziell, sozial, kulturell, | |
| räumlich. Es ist dies das Entstehen einer Oligarchie. | |
| Hier greift der Vergleich mit der Kritik an der Weimarer Republik. Das | |
| Überschreiten des Overton-Fensters – also der Bandbreite der Ansichten oder | |
| Meinungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als politisch akzeptabel | |
| gelten – wird damit klar ausbuchstabiert: Was Thiel vorschwebt, ist eine | |
| Herrschaft der Wenigen, eine Elitenherrschaft. In dieser Form scheint ihm | |
| Politik doch zulässig: als oligarchische Diktatur, die nur auf den | |
| Eigennutz der Herrschenden zielt und sich vom Gemeinwohl verabschiedet. | |
| In der Antike galt die Oligarchie als eine Verfallsform der Aristokratie. | |
| Heute ist sie zu einer Verfallsform der Demokratie geworden. | |
| 22 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Isolde Charim | |
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