| # taz.de -- Gaststättensterben auf dem Land: Die Kneipe im Dorf lassen | |
| > Immer mehr Gaststätten im ländlichen Raum schließen. Dann fehlt es an | |
| > Treffpunkten. Auch der Lindenhof im brandenburgischen Pätz steht vor dem | |
| > Aus. | |
| Bild: Die Wirtin bei der Arbeit: Claudia Ehrenhard im Lindenhof | |
| Es ist Samstagmittag, die Sonne scheint, am Himmel ist kein Wölkchen zu | |
| sehen und das Thermometer kratzt an der 30 Grad Marke: bestes | |
| Ausflugswetter also. Vor dem [1][Lindenhof in Pätz], einem Ortsteil der | |
| Gemeinde Bestensee in Brandenburg, stehen schon ein paar Fahrräder von | |
| Ausflüglern. „Eigentlich ist es für uns noch zu früh zum Essen, aber als | |
| wir die Speisekarte und die Preise gesehen haben, haben wir uns | |
| entschieden, hier einzukehren“, sagt einer der beiden Radreisenden, die vor | |
| der Dorfgaststätte stehen und eine rauchen. Kurze Zeit später steht ihr | |
| Essen auf dem Tisch: Alaska Seelachsfilet für 8,90 Euro, dazu ein Bier für | |
| knapp drei Euro. | |
| Angesichts der jüngsten Preissteigerungen in der Gastronomie ein | |
| unschlagbar günstiges Angebot. Entsprechend viel zu tun hat Claudia | |
| Ehrenhard. Sie sitzt am Tisch und schält Kartoffeln, werkelt in der Küche | |
| und bereitet die Speisen zu, zapft Bier und hat trotzdem immer ein paar | |
| Minuten für einen Schnack mit den Gästen übrig. Die Dorfkneipe ist zwar | |
| kein Touristenmagnet, aber sowohl bei Einheimischen als auch bei | |
| Besucher*innen beliebt. „Ich kann davon leben“, sagt Ehrenhard. Neben | |
| ihrem Gastraum gibt es noch einen Saal, der für Geburtstagsfeiern, | |
| Beerdigungen, Treffen der örtlichen Feuerwehr, des Heimatvereins oder von | |
| Parteien gemietet wird. „Gäste hab ich genug“, sagt die 63-jährige Wirtin. | |
| Trotzdem muss sie ihren Laden nun nach fast 40 Jahren schließen. | |
| Noch zu DDR-Zeiten, im Jahr 1987, hat Claudia Ehrenhard die Gaststätte in | |
| dem ehemaligen Bauernhof von ihrem Vater übernommen. Bereits seit mehr als | |
| 120 Jahren gebe hier ein gastronomisches Angebot, sagt sie. Ein bisschen | |
| wirkt es, als wäre hier die Zeit stehen geblieben: An den Wänden hängt | |
| allerlei DDR-Schnickschnack, die Regale sind vollgepackt mit Pokalen und | |
| anderem Krimskrams, die Spitzengardinen, Plüschtiere und Plastikfiguren | |
| erinnern an ein altbackenes Wohnzimmer. Lediglich eine alte Dart-Maschine, | |
| die Holztische und der Tresen, auf dem sich Kümmerling, Feigling, und | |
| andere Liköre stapeln, sowie der Zapfhahn weisen auf eine Kneipe hin. | |
| „Staatsgebiet Claudia. Ohne mich läuft hier nichts“, steht auf einem | |
| kleinen gelben Schild hinter dem Tresen. | |
| Schon bald läuft hier jedoch gar nichts mehr: Im Oktober vergangenen Jahres | |
| bekam Claudia Ehrenhard plötzlich die Kündigung ins Haus: Der Eigentümer | |
| will das Grundstück verkaufen, Ende September muss die Wirtin raus. Damit | |
| verliert die 63-Jährige nicht nur ihren Job und muss sich wenige Jahre vor | |
| ihrer Rente eine neue Arbeitsstelle suchen. Nach 57 Jahren verliert die | |
| gebürtige Brandenburgerin zudem ihre Wohnung, die sich über der Gaststätte | |
| befindet und in der sie ihre Kinder und Enkel großgezogen hat. | |
| „Sonst haben wir hier doch nüscht mehr. Die Kneipe ist das Letzte, wo noch | |
| Leben ist“, sagt Claudia Ehrenhard verständnislos. Am nahegelegenen See | |
| gibt es zwar eine kleine Imbissbude mit Pommes und Getränken, aber die hat | |
| nur tagsüber und im Sommer auf. „Meine Gäste wissen nicht, wo sie sonst | |
| hingehen sollen“, sagt Ehrenhard. „Pätz wird ein Schlafdorf“, befürchtet | |
| sie. „Die Leute kommen von der Arbeit, können sich nirgends mehr treffen, | |
| gehen schlafen und morgens wieder früh raus zur Arbeit.“ | |
| Ein Schicksal, das viele andere Dörfer teilen. Gaststättensterben auf dem | |
| Land ist ein zunehmendes Problem – nicht nur in Brandenburg. Dabei lebt | |
| jede*r Zweite auf dem Land. Zahlen dazu, wie viele Dorfkneipen in den | |
| vergangenen Jahren insgesamt dichtgemacht haben, werden zwar nicht | |
| gesondert erhoben. Doch dass man in vielen Orten nirgendwo mehr einkehren | |
| kann, ist nicht zu übersehen. Laut einer aktuellen Studie der | |
| Wirtschaftsauskunftei Creditreform musste im vergangenen Jahr [2][jedes | |
| zehnte Unternehmen] in der Gastronomie schließen. Bundesweit waren es seit | |
| 2020 rund 48.000 Betriebe. | |
| ## Die Versorgungslage wird schlechter | |
| Während es in Städten trotzdem noch ein flächendeckendes Angebot gibt, | |
| stehen immer mehr Dörfer ganz ohne Wirtshaus da. Pätz ist da keine | |
| Ausnahme: Laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg steigen zwar die | |
| Übernachtungszahlen, die Versorgungslage wird aber immer schlechter: So ist | |
| die Anzahl der Restaurants in Brandenburg zwischen 2018 und 2022 von 2.166 | |
| auf 1.961 gesunken – ein Verlust von 10 Prozent beziehungsweise 50 | |
| Restaurants pro Jahr. Ähnlich sieht es bei Kneipen aus: Deren Anzahl sank | |
| im gleichen Zeitraum sogar um 20 Prozent von 380 auf 307. | |
| Die Gründe für das Gaststättensterben sind vielfältig, sagt Olaf Schöpe, | |
| Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Brandenburg zur taz. | |
| Zuerst kam die Pandemie, dann Inflation und Energiekrise. Wegen der massiv | |
| gestiegenen Preise gebe es [3][derzeit eine Konsumzurückhaltung] in der | |
| Bevölkerung, so der Experte. Die höheren Energie- und Lebensmittelkosten | |
| machten auch den Betreiber*innen zu schaffen. Hinzu komme noch die | |
| Erhöhung der Mehrwertsteuer für Speisen Anfang des Jahres. Die | |
| Bundesregierung hatte den Steuersatz während der Pandemie vorübergehend | |
| gesenkt, um die Restaurants zu entlasten. Seit 1. Januar müssen | |
| Gastronom*innen [4][wieder 19 statt 7 Prozent] Mehrwertsteuer abführen. | |
| Nicht zuletzt macht auch der Gastronomie der Personalmangel zu schaffen: | |
| Viele Wirt*innen würden einfach keine*n Nachfolger*in mehr finden, | |
| sagt Schöpe. „Junge Leute wollen keine [5][70-Stunden-Woche für ein kleines | |
| Gehalt].“ Andere würden wiederum die Lust verlieren. „Die Bürokratie wird | |
| immer mehr“, beklagt der Gastronom. | |
| Diese Probleme gibt es in Pätz nicht. Claudia Ehrenhard hat die Wende | |
| überstanden, die Preissteigerungen nach Einführung des Euro, auch die | |
| Pandemie hat sie mit Lieferungen außer Haus gut bewältigt, sagt sie. | |
| Während andere Dörfer händeringend nach Nachfolger*innen für ihre | |
| Gaststätten suchen, will die passionierte Wirtin weitermachen – kann aber | |
| nicht. „Das versteht keiner“, sagt die resolute Frau und zapft ein weiteres | |
| Bier. Die Unterstützung aus dem Dorf ist groß: [6][Zwei Petitionen] mit | |
| insgesamt 800 Unterschriften für den Erhalt der Gaststätte wurden der | |
| Gemeindevertretung übergeben. „Das hat keinen interessiert“, sagt Claudia | |
| Ehrenhard. Die Wählergruppe Wir! setzte sich im Bau- und Hauptausschuss der | |
| Gemeinde Bestensee für einen alternativen Bebauungsplan ein, der die | |
| Gaststätte ausklammert. Doch vergebens: Das rund 7.000 Quadratmeter große | |
| Grundstück steht zum Verkauf. „Die Kneipe würde 500.000 Euro kosten, so | |
| viel Geld habe ich nicht.“ | |
| Rund um den Lindenhof stehen die Zeichen schon auf Abriss: Die Scheunen auf | |
| der Rückseite wurden bereits im März dem Erdboden gleichgemacht. Auch | |
| zahlreiche Bäume wurden gefällt – ohne Genehmigung der Gemeinde. Seitdem | |
| ist nicht viel passiert und die Natur hat sich das Gelände zurückerobert, | |
| die Schutthaufen sind von Pflanzen überwuchert. An dem Zaun rund um die | |
| Baustelle hängt ein großes Werbebanner mit Grundrissen der Parzellen. „Zu | |
| verkaufen“ steht dort in großen Lettern, daneben ein idyllisches Bild einer | |
| Seenlandschaft bei Sonnenuntergang, die von Bäumen umsäumt ist. Der Preis | |
| für ein Grundstück mit rund 500 Quadratmetern liegt bei mindestens 189.900 | |
| Euro. [7][Auf Immobilienseiten] ist zu sehen, dass vier der acht Parzellen | |
| bereits verkauft wurden. | |
| ## Attraktiv für Hauptstädter*innen | |
| Pätz liegt südlich von Berlin und ist von dort mit dem Auto oder dem Zug in | |
| rund einer Stunde zu erreichen. Das 1.400-Seelen-Dorf liegt mitten im | |
| Landschaftsschutzgebiet Dahme-Heideseen, nicht weit entfernt befinden sich | |
| die Naturschutzgebiete Radeberge und Dubrow. Entsprechend attraktiv ist die | |
| Region für stressgeplagte Hauptstädter*innen. Dennoch verliert das Dorf | |
| nach und nach seine Infrastruktur: Erst verschwand der Konsum, eine Schule | |
| gibt es auch nicht mehr und nun soll auch noch die letzte von einst sieben | |
| Dorfkneipen verschwinden. | |
| Für Dehoga-Präsident Olaf Schöpe ist das „leise Kneipensterben“ eine | |
| „dramatische Entwicklung“. „Die Lage verschlimmert sich von Jahr zu Jahr�… | |
| sagt er. Insbesondere abseits von touristischen Hotspots gebe es kaum noch | |
| Angebote. Dabei seien Schenken als Orte des Zusammenkommens von großer | |
| Bedeutung. „Gaststätten sind das kulturelle Herzstück von Dörfern.“ | |
| Verschwinden diese, ginge auch ein Teil der Lebensqualität der Menschen | |
| verloren. | |
| „Die Politik hat kein Konzept, wie man Gasthöfe auf dem Land erhalten | |
| kann“, kritisiert Schöpe. Dabei müsse das Landleben attraktiver werden, | |
| wenn die Menschen wegen des Wohnungsmangels in Großstädten ermutigt werden | |
| sollen, raus aus den Städten zu ziehen, wie es SPD-Bauministerin [8][Klara | |
| Geywitz fordert]. Doch kann das funktionieren, wenn die notwendige | |
| Infrastruktur fehlt? | |
| Laut Patrick Küpper vom Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in | |
| ländlichen Räumen führt die Schließung von Schulen, Supermärkten oder | |
| Gaststätten zwar nicht zwangsläufig zu einer Abwärtsspirale. Allerdings | |
| habe eine Dorfkneipe durchaus einen positiven Effekt: „Die Menschen in | |
| Orten mit einer Kneipe sind zufriedener mit ihrem Wohnort als die ohne“, | |
| sagt er zur taz. Wichtig sei vor allem, dass es einen Ort des | |
| Zusammenkommens gebe, das könne auch ein Verein oder die örtliche Feuerwehr | |
| sein. „Soziales Miteinander ist ein sehr wichtiger Faktor für die | |
| Lebenszufriedenheit“, so der Forscher. | |
| Insgesamt sei die Entwicklung auf dem Land sehr unterschiedlich: Während | |
| der Osten nach wie vor strukturschwächer sei und sich das geringere | |
| Einkommen auch auf das kommerzielle Angebot auswirke, sehe es im Westen | |
| schon besser aus. Das Gaststättensterben sei jedoch eine flächendeckende | |
| Entwicklung, die seit Jahrzehnten stattfinde und durch Corona nochmal einen | |
| Schub bekommen habe, so Küpper. Und das, obwohl immer mehr Menschen aufs | |
| Land ziehen: „Wir haben seit 2014 eine Nettozuwanderung“, so der Experte. | |
| Wegen des Wohnungsmangels müssten Menschen vermehrt aus den Städten | |
| wegziehen. Und das nicht nur in die Speckgürtel, sondern auch weiter raus – | |
| Homeoffice sei Dank. Dort finden sie dann allerdings immer weniger | |
| gastronomische Angebote. | |
| ## Förderprogramme in manchen Ländern | |
| Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium hält Gaststätten im ländlichen | |
| Raum für „Orte mit wichtiger sozialer Funktion“, so eine Sprecherin zur | |
| taz. Dass diese immer häufiger schließen müssen, sei auch auf ein | |
| verändertes Ausgehverhalten zurückzuführen: „Stichwort Frühschoppen nach | |
| der Kirche, veränderte Formen von Familienfeiern, verändertes Vereinsleben. | |
| So hängt es auch mit an der Dorfgesellschaft, ob die Dorfkneipe eine | |
| Zukunft hat.“ | |
| Mit dem Förderprogramm „Integrierte ländliche Entwicklung“ unterstützt d… | |
| Bund unter bestimmten Voraussetzungen die Gründung oder den Erhalt von | |
| Dorfgaststätten, indem er 60 Prozent der Mittel zuschießt. Die Umsetzung | |
| liegt allerdings bei den Ländern. Und da fallen die Bemühungen | |
| unterschiedlich aus. | |
| So gab es in Baden-Württemberg von 2020 bis 2021 ein spezielles | |
| Förderprogramm, bei dem 20,9 Millionen Euro an insgesamt 223 Projektträger | |
| ausgezahlt wurden. Damit sollte „der herausragenden Bedeutung von | |
| Dorfgasthöfen für die Lebens- und Versorgungsqualität im ländlichen Raum | |
| Rechnung“ getragen werden, so ein Sprecher des Ministeriums für Ländlichen | |
| Raum zur taz. Auch nach Ende des Programms würden Dorfgasthäuser und Cafés | |
| prioritär gefördert, insbesondere, wenn sie einen Beitrag zur | |
| Grundversorgung leisten. | |
| In Hessen wurde im Herbst 2021 ein Sonderprogramm gegen das | |
| Gaststättensterben im ländlichen Raum eingeführt, das bis Ende 2023 | |
| befristet war. Damit wurden 235 Betriebe mit insgesamt 9,6 Millionen Euro | |
| gefördert. Unterstützt wurden etwa Investitionen in Küche, Gastraum, | |
| Gebäude oder E-Bike-Ladestationen. Die seit Anfang des Jahres regierende | |
| schwarz-rote Koalition will das Programm ab dem nächsten Jahr fortführen. | |
| „Wir arbeiten daran, die Dorfgasthäuser noch zielgerichteter und | |
| passgenauer zu unterstützen“, so ein Sprecher des | |
| Landwirtschaftsministeriums zur taz. | |
| Auch Bayern fördert Investitionen in bestehende oder neue Gaststätten im | |
| ländlichen Raum. Unternehmen in Orten mit bis zu 2.000 Einwohner*innen, die | |
| weniger als zehn Angestellte beschäftigen und deren Jahresumsatz unter zwei | |
| Millionen Euro liegt, können maximal 200.000 Euro Förderung betragen. Damit | |
| sollen nicht nur Gaststätten, sondern auch Dorfläden, Bäckereien oder | |
| Pflegeeinrichtungen unterstützt werden. | |
| Mancherorts werden die Kommunen auch selbst tätig und kaufen Gaststätten | |
| und Wirtschaften auf, um sie zu erhalten. So hat etwa die Gemeinde | |
| Soltendieck in Niedersachsen im Mai beschlossen, eine Genossenschaft, die | |
| die Anfang 2022 geschlossene Gaststätte im Ort kaufen und weiterbetreiben | |
| will, mit bis zu 25.000 Euro zu unterstützen. Die Gemeinde Benningen in | |
| Baden-Württemberg hat sogar 800.000 Euro für die Sanierung und den Erhalt | |
| der Bürgerschenke hingelegt, nachdem der Betreiber nach fast 40 Jahren in | |
| den Ruhestand gegangen war. Auch in Bayern gibt es mehrere Kommunen, die | |
| Gasthäuser gekauft, saniert und anschließend verpachtet haben. | |
| Der Wirtin des Lindenhof in Pätz hilft das nicht. Weder gibt es in | |
| Brandenburg Förderprogramme für Dorfgaststätten, noch wird die Gemeinde | |
| tätig werden. „Die Möglichkeiten sind begrenzt“, sagt der parteilose | |
| Bürgermeister Roland Holm zur taz. Zwar sei das Gebäude aus dem Jahr 1758, | |
| der Besitzer habe das Haus jedoch „jahrzehntelang verkommen lassen“, | |
| weshalb die Behörde keinen Denkmalschutz feststellen konnte. Damit habe der | |
| Eigentümer das Recht, alles abzureißen. | |
| ## Kaufen ist keine Option | |
| Dass die Kommune das Grundstück kauft, um die Gaststätte zu erhalten, sei | |
| nicht nur wegen des viel zu hohen Kaufpreises keine Option. „Das können wir | |
| uns gar nicht leisten“, sagt der 37-jährige Bürgermeister. Angesichts | |
| knapper Kassen komme die Gemeinde schon ihren Kernaufgaben wie der | |
| Schaffung von Kitas und Schulen, der Straßenbeleuchtung oder der | |
| Kulturarbeit kaum hinterher. Der Kauf einer Dorfkneipe sei da schwer zu | |
| rechtfertigen. | |
| Zumal der Lindenhof nicht die einzige Gaststätte ist, die vor dem Aus | |
| steht: So wurde dem ältesten Ausflugslokal der Region, Riedels Gasthof im | |
| nahegelegenen Königs Wusterhausen, zu Ende des Jahres gekündigt. Vor zwei | |
| Jahren hat die PSD Bank Berlin-Brandenburg das Grundstück gekauft. Sie will | |
| den Gasthof abreißen und auf dem Gelände Mehrfamilienhäuser bauen. Die | |
| Einwohner*innen lehnen das ab und hoffen auf das Landesamt für | |
| Denkmalschutz, das die Gaststätte von 1720 für erhaltenswerte Bausubstanz | |
| hält. | |
| Während also andernorts Leerstand herrscht, stellt im Speckgürtel Berlins | |
| die Gentrifizierung die Bewohner*innen vor große Schwierigkeiten. | |
| Wirtin Claudia Ehrenberg will aber noch nicht aufgeben. „Ich kämpfe noch“, | |
| sagt sie. Wie genau, will sie nicht verraten. „Vielleicht finde ich ja noch | |
| einen Millionär“, sagt sie augenzwinkernd. „Eigentlich hätte ich schon | |
| anfangen müssen, alles auszuräumen. Aber das mache ich nicht“, sagt sie | |
| trotzig. Die 63-Jährige will so lange weitermachen, wie es geht. „Ich will | |
| ja nicht reich werden, sondern nur überleben.“ | |
| Ein Dorfbewohner, der an einem der Tische des Lindenhof ein Bier trinkt, | |
| nickt nachdenklich. „Es ist traurig“, sagt er. „Aber das scheint ja der | |
| Zeitgeist zu sein.“ | |
| Vor 18 Jahren ist er von Berlin nach Pätz gezogen. Dass es hier schön ist, | |
| reiche jedoch nicht aus, wenn [9][kein Bus mehr fährt] und es keine Kneipe | |
| mehr gibt, sagt er. „Wenn man alles verkauft, ist das Schwachsinn.“ | |
| Das macht ihm auch mit Blick auf die Landtagswahl im September Sorge. Er | |
| befürchtet, dass die Unzufriedenheit der Dorfbewohner*innen durch die | |
| Vernachlässigung am Ende der AfD in die Hände spielt – obwohl diese sich | |
| zwar das „Bewahren der Heimat“ ins Programm geschrieben hat, aber gegen den | |
| Erhalt des Lindenhofs gestimmt hat. „Am Ende schieben alle wieder den | |
| Ausländern die Probleme in die Schuhe, dabei ist das alles hausgemacht.“ | |
| 31 Aug 2024 | |
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