Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Außengastronomie in Hamburg: Schluss mit lustig
> Restaurants im Stadtteil Ottensen dürfen bald wohl weniger Tische und
> Bänke rausstellen. Der Bezirk hat andere Pläne für den öffentlichen Raum.
Bild: In Hamburg-Ottensen müssen die Wirte wohl bald einpacken – zumindest i…
Hamburg taz | In Ottensen, dem alternativ-bourgeoisen Vorzeigestadtteil im
Hamburger Westen, sieht es an vielen Ecken so aus, als wäre Corona noch
nicht vorbei. Schlendert man durch die Straßen, sieht man überall
Holztische, an denen gegessen und getrunken wird. Oft stehen sie in
ehemaligen Parkbuchten, geschützt von einem Bretterverschlag und
Blumenkübeln, meist gibt es ein Zeltdach gegen den Regen und im Winter
Heizpilze.Seit Corona hat sich die [1][Außengastronomie] auf diese Weise
ausgebreitet. Jahr für Jahr gab es dafür eine Ausnahmegenehmigung vom
Bezirksamt. Doch es könnte sein, dass sich diese Zeit ihrem Ende nähert.
„Es ist unglaublich“, sagt Ioannis Angelidis, als er aus seinem Restaurant
kommt. Vor zwei Wochen habe ihm das Bezirksamt geschrieben, es tue ihnen
leid, aber er dürfe auf dem Platz vor seinem Restaurant keine Tische mehr
aufstellen. Der Platz sei als „Feuerwehraufstellfläche“ eingetragen und
müsse frei bleiben.
Dabei ist der Platz erst während der Coronazeit neu gestaltet worden, im
Zuge der Umbaumaßnahmen für eine Veloroute, die bis in die Elbvororte
führt. Der Straßenraum wurde verkleinert, auf dem Platz wurden
Blumenrabatten gepflanzt und Fahrradbügel einbetoniert.Und das Restaurant
durfte seine Tische nach draußen stellen, geschützt von Sonnenschirmen.
Von der Feuerwehraufstellfläche wusste niemand, aber Vorschrift ist
Vorschrift. Nur zwei kleine Tische direkt an der Hauswand stehen noch.
Immerhin scheint Bewegung in die Sache zu kommen, im Hauptausschuss der
Bezirksversammlung haben alle Parteien (außer der AfD) das Bezirksamt und
die Hamburger Innenbehörde aufgefordert, mit der Feuerwehr zu sprechen und
nach einer Lösung zu suchen.
## Die Stadt als Flaniermeile
Ganz anders sieht es dagegen beim [2][Projekt „Freiraum Ottensen“] aus,
einem Herzensanliegen der grünen Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg. Es
wird erhebliche Auswirkungen auf die Außengastronomie im Stadtteil haben.
Und das soll auch so sein.
Bereits 2019 gab es vor Corona das Pilotprojekt „Ottensen macht Platz“. Bei
der Eröffnung standen überall auf der Straße Stände, Tischtennisplatten
waren aufgebaut. Die Straße war ohne Autos nicht mehr gefährlich, kleine
Kinder konnten überall herumlaufen. Es war auch eine Werbemaßnahme des
Bezirks, um die Bevölkerung für die Pläne zu begeistern: Die Stadt als
Flaniermeile, wie schön.
Der Versuch, das Politprojekt auf Dauer zu stellen, wurde zwar gerichtlich
gestoppt, aber von Berg machte weiter. Bürgerstunden wurden abgehalten,
Proteste von Anwohner*innen und Gewerbetreibenden aufgenommen. Liefer-
und Anwohnerverkehr waren jetzt okay, aus „autofrei“ wurde „autoarm“. D…
Projekt heißt jetzt „Freiraum Ottensen“, 2025 sollen die Bauarbeiten
beginnen.
Aber was macht man dann mit der Freifläche? Außengastronomie jedenfalls
nicht. Der gesamte Straßenraum werde „neu zugeschnitten“, um mehr Platz f�…
Radfahrer und Fußgänger zu schaffen, sagt Mike Schlink, Sprecher des
Bezirksamtes Altona. Man sei mit den Gastronomen im Gespräch, „aber dass
sie sich auf Gehwegen und Parkbuchten ausbreiten, wird so nicht mehr
funktionieren“.
## Fahrrad fahren statt flanieren
Die Parkbuchten fielen sowieso weg, sagt Schlink, dafür gebe es versenkbare
Poller für die Anwohner und Ladezonen für die Geschäfte. Die Gehwege würden
zwar breiter gemacht, aber in dem frei werdenden Raum sollen Bäume
gepflanzt und Bänke aufgestellt werden. „Wir werden viel Platz brauchen, um
das Konzept umzusetzen“, sagt Schlink. Die Gastronomie dürfe ihre Flächen
behalten – „aus der Zeit vor Corona“.
Entsprechend schlecht ist die Stimmung unter den Gastronomen. Sie sei
„total genervt“, sagt Manuela Morgenstern, Inhaberin der Tapasbar Mar y Sol
in der Ottenser Hauptstraße. Sie wisse immer noch nicht, wie viele ihrer
Tische sie draußen halten könne. Außerdem werde einen Sommer lang das
Kopfsteinpflaster abgeschliffen, was einen Höllenlärm machen werde.
Das Bezirksamt führe die Öffentlichkeit in die Irre. „Das soll keine
Flaniermeile werden, sondern eine Fahrradschnellstraße“, sagt sie
missmutig, während ihre Leute hinterm Tresen das Frühstück für die Gäste
vorbereiten.
Tatsächlich sind die betroffenen Straßen in den vom Bezirksamt vorgelegten
Plänen alle als „wichtige Fahrradverbindung“ eingetragen, mit Spuren in
beiden Richtungen. Das hat Folgen, denn in der Mitte der Straße fährt dann
wieder der Verkehr, der schneller ist als die Fußgänger. Übergänge sind
notwendig.
## Sorge vor der Partymeile
„Hier, schau mal“, sagt Stefan Schmitz, Inhaber der Rehbar in der Ottenser
Hauptstraße. Er zeigt auf die Südseite des Eckhauses, wo jetzt noch eine
ganze Reihe Tische in der Sonne stehen. Dort soll ein Fußgängerüberweg
entstehen, der auch für Blinde funktioniert, vier Meter breit, mit
Markierungen für den Blindenstock. Für seine Bar hieße das: Nicht nur die
Tische auf der Straße müssten weg, sondern auch die Bank an der Hauswand,
die schon lange vor Corona dort stand.
Schmitz sagt, er überlege, ein Bürgerbegehren zu starten, er habe schon
einen Anwalt kontaktiert. Auf der anderen Seite gebe es natürlich auch
Lärmbeschwerden, sagt Schmitz („bei mir sind es genau drei Leute, die kenne
ich“), und auch die Grünen-Fraktion in Altona berichtet davon.
In der Bezirkspolitik wird die Stimmung gegenüber der Außengastronomie
kritischer. „Wir wollen nicht, dass die Ottenser Hauptstraße eine
Partymeile wird“, sagt Sven Hielscher von der CDU, dessen Fraktion
gemeinsam mit den Grünen für das Projekt Freiraum Ottensen gestimmt hat.
Eine solche Entwicklung gehe zu Lasten der kleinen Geschäfte. Als warnendes
Beispiel sieht er die [3][Sternschanze], da sei es wohl schon zu spät.
Und in Ottensen? Manche sagen, da auch.
23 Jun 2024
## LINKS
[1] /Aussengastronomie-in-Hamburg/!5844473
[2] /Mobilitaetsexperte-ueber-Verkehrswende/!5909690
[3] /Jugendliche-muessen-endlich-feiern-duerfen/!5776320
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
Fahrrad
Radverkehr
Ottensen
Gastronomie
Schwerpunkt Stadtland
Altona
Utopie
Luxussanierung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gaststättensterben auf dem Land: Die Kneipe im Dorf lassen
Immer mehr Gaststätten im ländlichen Raum schließen. Dann fehlt es an
Treffpunkten. Auch der Lindenhof im brandenburgischen Pätz steht vor dem
Aus.
Bezirkswahlen in Hamburg: Die grüne Grenze
Stefanie von Berg ist Grüne Bezirksamtsleiterin von Altona – noch. Wie sie
an 700 Metern Fahrradweg in einem Elbvorort zu Scheitern droht.
Quartierskantine in Hamburg-Ottensen: Im Wohnzimmer des Stadtteils
Die Hamburger Stadtteilküche „La Cantina“ bietet Mittagessen für Alle an.
Die meisten Menschen kommen nicht nur wegen der günstigen Preise.
Räumungsklage gegen WGs: Immobilienhai schnappt Fabriketage
In einem Hinterhof in Hamburg-Ottensen haben zwei WGs aus alternativen
Urzeiten überlebt. Der neue Eigentümer will damit Schluss machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.