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# taz.de -- Quartierskantine in Hamburg-Ottensen: Im Wohnzimmer des Stadtteils
> Die Hamburger Stadtteilküche „La Cantina“ bietet Mittagessen für Alle a…
> Die meisten Menschen kommen nicht nur wegen der günstigen Preise.
Bild: Auch Gurken werden teurer: In der Inflation musste „La Cantina“ die P…
Hamburg taz | Hans-Werner Diez sitzt an der langen „Kommunikationstafel“ in
der Mitte des Speisesaals. Die ist als Kontaktpunkt mit dem Tresen einer
Bar vergleichbar. Unter dem Tisch liegt Yorkshire Terrier Conny, die an
diesem Tag 15 Jahre alt wird. Diez hat deshalb einen Spiralgugelhupf nach
Rezept der Backsendung von Franz Ruhm aus dem Jahr 1959 gebacken.
Der 66-jährige Diez ist Rentner und kommt seit Jahren aus dem benachbarten
Hamburger Stadtteil Eimsbüttel zum Mittagstisch in die La Cantina. Das sei
schöner als allein zu Hause zu kochen: „Nette Gesellschaft, schöne
Atmosphäre sowieso und das Essen ist gut.“
La Cantina ist eine Stadtteilküche im [1][zunehmend beliebteren Hamburger
Stadtteil Ottensen]. „Ziel war es, alle Menschen im Stadtteil wortwörtlich
an einen Tisch zu bringen und über das gemeinsame Essen [2][eine Verbindung
herzustellen]“, sagt Nicola Pantelias vom Verein Koala, der die Küche vor
über 25 Jahren gründete.
Von Montag bis Freitag gibt es einen Mittagstisch mit einem regulären und
einem um rund 50 Prozent ermäßigten Essenspreis von dann 3,20 Euro. Dieser
Rabatt wird bis zu einem Monatseinkommen von 1.410 Euro gewährt. Das
Küchenpersonal, das über das Jobcenter vermittelt wird, versorgt täglich
etwa 100 Menschen, wovon seit der Pandemie nur noch ein Zehntel den vollen
Preis bezahlt. Nachmittags wird überschüssiges Essen zu einem Preis von 50
Cent an etwa ebenso viele Bedürftige gegeben, La Cantina wird dann zur
Suppenküche.
## Die Kantine kämpfte immer wieder ums Überleben
Die langjährigen Freunde Jens Laube und Thomas Carstens haben den
Mittagstisch vor ungefähr zwei Monaten für sich entdeckt und sind seitdem
Stammgäste. Während Laube dafür aus Alsterdorf im Hamburger Norden anreist,
wohnt Carstens in der Umgebung. „Für das Geld kann man schon nicht mehr
selbst kochen“, sagt der 56-jährige Carstens mit Blick auf die steigenden
Lebensmittelpreise.
Das Personal sei top und schmecken tut es den beiden auch: Bei Carstens
liegen gebratene Auberginenscheiben neben den Salzkartoffeln. Dazu ein
Joghurtdip und Gurkensalat. „Nicht eine Gräte“, lobt Laube sein
Seelachsfilet, das in Petersiliensauce schwimmt. Gegenüber reicht eine
Dame ihre mitgebrachte Zitrone an ihre Tischnachbarin. Nach dem Essen gehen
Carstens und Laube eine Zigarette rauchen und machen einen Spaziergang
durch das Viertel.
Immer wieder war La Cantina [3][finanziell bedroht]. Derzeit gibt es laut
Pantelias Entgeltzuschüsse vom Jobcenter sowie eine Förderung über den
Europäischen Sozialfonds; die Suppenküche wird maßgeblich von der Stiftung
Reimund C. Reich gestützt. Steigende Kosten und ausbleibende Spenden der
Tafel machen das Projekt weiter zu einem „Seiltanz“, wie Pantelias es
formuliert.
Die Stücke des Spiralgugelhupfs verteilt Diez anlässlich des Geburtstags
seines Hundes Conny auf kleinen Tellern aus der Küche. Die meisten der
übrigen Gäste nehmen das Dessert dankend an, einige gehen im Anschluss zu
Conny und streicheln sie.
26 Oct 2023
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## AUTOREN
Sven Bleilefens
## TAGS
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