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# taz.de -- Folgen steigender Lebensmittelpreise: Das Brot ist aus
> Die Sozialküche „La Cantina“ ist auch wegen der Lebensmittelpreise in
> ihrer Existenz bedroht. Sie fordert eine direkte Finanzierung der Stadt
> Hamburg.
Bild: Die Beilagen werden spärlicher: La Cantina fehlt das Geld
Hamburg taz | Eine Essensschlange zu bilden, ist ein ernsthafter Prozess.
Eine grauhaarige Dame zeigt auf einen Mann: „Sie waren zuerst da, oder?“ Er
nickt in Richtung seines Nachbarn: „Nein, er.“ Sie sagt zum Dritten: „Dann
werden Sie vorne stehen.“ Nach und nach fädeln sich die Gäste der
[1][Suppenküch]e in eine Reihe ein, dann öffnet die Ausgabe. Zu jedem
Gericht gibt es Salat. Auf Brot müssen die Bedürftigen heute verzichten.
Die Zutaten sind zu teuer.
Als Betriebsstättenleiter bei „La Cantina“ in Hamburg erlebt Albert Hovers
seit 13 Jahren, wie sich soziale Krisen auf den armen Teil der Bevölkerung
auswirken. Dass er kein selbstgemachtes Brot mehr anbieten kann, schmerzt
ihn: „Ich finde, alle Menschen verdienen gutes Essen.“ Hovers trägt eine
weiße Schürze und hat müde Augen. Sein Arbeitstag begann um fünf Uhr.
Zusätzlich entkräften ihn die Folgen der Krisenzeit: Corona, Krieg, nun
[2][Inflation]. Sie bedrohen nicht nur die Existenz seiner Gäste, sondern
auch die seiner Küche.
La Cantina ist ein soziales Projekt, im doppelten Sinne. Einerseits soll es
Langzeitarbeitslose wieder auf eine Erwerbstätigkeit vorbereiten.
Andererseits versorgt die Suppenküche im Stadtteil Altona Menschen ohne
Einkommen mit einer ordentlichen Mahlzeit. Teilweise finanziert sich La
Cantina mit einem Mittagstisch, teilweise aus öffentlicher Hand. Aufgrund
des Anspruches, den Mittagstisch günstig anzubieten, ist der Umsatz gering.
Deswegen vertraut Albert Hovers auf Nahrungsspenden der [3][Tafel] und von
Gemüsegroßhändlern.
Doch die Lieferungen der Tafel werden knapper. „Die Tafel basiert auf dem
Überschuss im Lebensmittelhandel“, sagt Hovers. Infolge der Pandemie und
der steigenden Preise kalkulieren Händler:innen deutlich enger. Am Ende
bleibt also weniger Essen, das in die Regale der Tafel wandert.
Gleichzeitig benötigen mehr Menschen deren Unterstützung. Wie
Tafel-Sprecherin Julia Bauer der taz gegenüber erklärte, habe dies sogar
zum Aufnahmestopp in 22 von 29 Ausgabestellen in Hamburg geführt.
## Ein Essen kostet 30 Cent mehr
Um die Suppenküche weiterhin finanzieren zu können, musste La Cantina die
Preise des Mittagstisches erhöhen. „Das ging nicht anders“, sagt Hovers.
Der reduzierte Preis stieg um 30 Cent auf 2,80 Euro. Normalverdienende
zahlen nun 5,80 Euro, also 80 Cent mehr. Anders als Brot, seien manche
Utensilien für die Sozialküche unabdingbar. Öl verteuerte sich im Vergleich
zum Vorjahr um das Dreifache.
„Es fängt beim Brot an und hört beim Sitzen im warmen Restaurant auf“, sa…
die Geschäftsführerin des Vereins Koala, Nicola Pantelias, dem La Cantina
angehört. Nicht nur die Preise für Nahrung, sondern auch für Strom und Gas
bereiteten ihr Sorgen. Endgültig gefährde La Cantina jedoch eine neue
Arbeitsmarktpolitik der Stadt.
Durch die Förderung sogenannter Arbeitsgelegenheiten finanzierte das
Jobcenter bis Februar einen großen Teil des Küchenteams. In dessen Augen
fehlt der Sozialküche jedoch die Wettbewerbsneutralität –
Arbeitsgelegenheiten sollten keine regulären Arbeitsplätze verdrängen. So
lehnte das Amt eine erneute Bewilligung der Stellen ab, berichtet
Pantelias.
Stattdessen seien nun neue Förderstellen geschaffen worden. Im Gegensatz zu
den Arbeitsgelegenheiten ordne sie das Amt nicht an, besser bezahlt seien
sie auch, sagt Pantelias. Nach zwei Jahren sinke jedoch die Förderung,
jährlich um zehn Prozent. Mittelfristig sind diese Jobs für La Cantina
finanziell nicht tragbar. Deswegen fordert Pantelias, dass die Suppenküche
komplett von der Stadt gestützt wird.
## Jobcenter sucht Alternativen
Vom Jobcenter ist zu hören, dass man sich dafür stark machen wolle, dass
die Beschäftigten bleiben können: „Gemeinsam mit der Sozialbehörde suchen
wir nach Alternativen, um das Angebot aufrechtzuerhalten“, sagte
Geschäftsführer Dirk Heyden dem Straßenmagazin Hinz&Kunzt.
Groß ist das Küchenteam derzeit nicht. Wie fast überall in der Gastronomie
herrscht Personalmangel. Teilweise verrichteten vier Mitarbeiter:innen
die Arbeit, die sonst von zehn gestemmt wurde. Ohne Freiwillige wie Kai
Winter hätte La Cantina schließen müssen. Er klopft seinem Chef Hovers auf
die Schulter. Wie die Arbeit unter einem solchen Druck klappe? „Es muss so
gehen“, antwortet er.
24 Jul 2022
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## AUTOREN
Arne Matzanke
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