Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tafeln müssen Bedürftige wegschicken: „Es gibt Hungernde in Ham…
> Weil der Andrang so groß ist, nehmen 22 von 29 Tafeln in Hamburg niemand
> mehr auf. Der Sozialverband fordert eine Anhebung der Grundsicherung.
Bild: An Bedürftigen mangelt es nicht, aber an Spenden: Ausgabestelle der Hamb…
Hamburg taz | Die Lage von armen Menschen in Hamburg spitzt sich zu. So
verfügten [1][bei der Hamburger Tafel] jetzt 22 der insgesamt 29
Ausgabestellen den „Aufnahmestopp“. Bis dahin konnten Menschen mit einem
Nachweis ihrer niedrigen Rente oder Leistungsbezüge sich ein Kärtchen oder
einen Ausweis geben lassen, der sie berechtigt, einmal in der Woche für
gespendete Lebensmittel anzustehen.
Die [2][Hamburger Tafel] selbst beliefert nur diese Ausgabestellen, wo
Ehrenamtliche in Räumen von Gemeinden oder Einrichtungen die Lebensmittel
verteilen. „Die haben uns zurückgemeldet: ‚Wir können nicht mehr. Die
Wartelisten sind voll. Wir müssen stoppen‘“, berichtet Tafel-Sprecherin
Julia Bauer. Die ersten taten dies vor vier Wochen, inzwischen ist es die
Mehrheit.
Die Ursache sei eine „Mischung“ an Gründen. Zum einen stieg die Zahl der
Bedürftigen rasant. Noch vor Corona wurden etwa 30.000 Hamburger über die
Tafeln mit Essen versorgt, derzeit schätzt Bauer die Zahl auf rund 45.000.
Wobei der Anteil der Ukraine-Flüchtlinge nicht entscheidend war. Für sie
wurden 400 neue Plätze an den Ausgabestellen geschaffen, angesichts von
27.000 Ukraineflüchtlingen insgesamt nicht viel.
Seit Kriegsbeginn gingen aber Großspenden direkt nach Polen oder in die
Ukraine, berichtet Bauer. Auch die Supermärkte kalkulierten knapper. Weil
dort weniger übrig bleibt, holen auch die Wagen der Tafel weniger ab. „Wir
müssen für das gleiche Volumen viel mehr Touren fahren.“
## Supermärkte kalkulieren knapper
Aufnahmestopps gibt es im ganzen Land, wie der Bundesverband „[3][Tafel
Deutschland e. V]“ mitteilt. Im Norden nähmen zum Beispiel die Tafeln in
Kiel, Kappeln, Wunstorf und Schaumburg keine neuen Kunden auf, weil die
Spenden nicht reichen.
Für Klaus Wicher ist dieser Stopp ein Hinweis, dass es vielen Menschen
nicht gut geht. Er ist der Hamburger Vorsitzende des [4][Sozialverbandes
Deutschland (SoVD)]. „Es gibt Menschen, die hungern in Hamburg“, sagt
Wicher. „Die kommen an die Tafel nicht ran und haben am Monatsende ein paar
Tage nichts zu essen.“ Das wisse er, weil er mit Menschen sprach, die ihm
das anvertrauten. Sein Verband betreibt in Hamburg-Osdorf ein
Sozialkaufhaus gegenüber einer Tafel. Der SoVD habe dort Essensgutscheine
verteilt.
Wicher fordert, dass Hamburg aus Landesmitteln die Grundsicherung für alte
Menschen erhöht, so wie es München tut. Dringend nötig sei auch eine
deutliche Erhöhung von Hartz IV und Grundsicherung, die an die Inflation
gekoppelt ist. Eine im Zuge des neuen „Bürgergelds“ diskutierte Anhebung um
40 bis 50 Euro sei „viel zu wenig“.
## Grüne wollen Initiative starten
Ein Agenturbericht zum Tafelstopp findet sich auch auf der Website
hamburg.de, die zum Teil der Stadt gehört. Deren Sozialbehörde indes sieht
sich nicht so richtig zuständig. Auf die Frage, was Menschen, die mit ihrem
Geld nicht genug Essen kaufen können, tun können, verweist eine Sprecherin
auf die „Sozialleistungsbezüge“. Etwa ein Drittel des Regelsatzes der
Grundsicherung sei für Lebensmittel. „Damit können sie sich mit
Nahrungsmitteln versorgen und selbstbestimmt einkaufen.“
Allerdings wurde dieser Regelsatz zu Jahresbeginn lediglich von 446 auf 449
Euro im Monat angehoben, recht wenig bei acht Prozent Inflation. Dazu gibt
es für 2022 nur eine Einmalzahlung von 200 Euro wegen der Krise. „Die
Regelsätze sind viel zu niedrig, ich wüsste überhaupt nicht, wie man davon
gesund einkaufen soll“, sagt die Linken-Sozialpolitikerin Olga Fritzsche.
Auch sie kenne Menschen, die hungern. Die Tafel sei nur ein „Notnagel“ und
zeige, dass die Leute nicht klarkommen.
„Die Tafel ist ein [5][untaugliches Mittel], um arme Menschen zu versorgen.
Das ist eine staatliche Aufgabe“, sagte Wolfgang Völker vom
[6][Sozialbündnis „Hamburg traut sich was“]. Der Aufnahmestopp sei für die
Nutzer total ärgerlich, sagt er. Als private Anbieter dürften die Tafeln so
entscheiden, aber gegenüber dem Staat habe jeder Bürger „ein Recht auf
Existenzsicherung“.
Immerhin kündigte mit Mareike Engels eine Sozialpolitikerin der Grünen
Anfang Mai eine „Initiative“ des rot-grünen Hamburgs für eine „relevante
Regelsatzerhöhung“ mit „armutsfestem Anpassungsmechanismus“ an. Auch sie
fürchtet, dass Strom- und Lebensmittelpreise sonst nicht aufgefangen
würden. Angesichts des Tafelstopps daran erinnert, bekräftigt Engels, dies
sei weiter ein „wichtiges Anliegen“, das Hamburg zum Ausdruck bringen
wolle. Nur diskutiere die Koalition gerade noch, „in welcher Form“das
passieren soll.
10 Jun 2022
## LINKS
[1] /Alltag-einer-Hartz-IV-Empfaengerin/!5849112
[2] https://hamburger-tafel.de/
[3] https://www.tafel.de/
[4] https://www.sovd-hh.de/
[5] /Kritik-an-Lebensmittel-Tafeln/!5033240
[6] https://hamburgtrautsichwas.de/
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Tafel
Schwerpunkt Armut
Inflation
Hartz IV
Hamburg
Foodsharing
Obdachlosigkeit in Hamburg
Hartz IV
Schwerpunkt Stadtland
Tafel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Foodsharing und die Tafeln: Niemand nimmt sich was weg
Steht Foodsharing in Konkurrenz zu den Tafeln? Das suggerieren
Medienberichte. Doch die Tafeln im Norden dementieren.
Folgen steigender Lebensmittelpreise: Das Brot ist aus
Die Sozialküche „La Cantina“ ist auch wegen der Lebensmittelpreise in ihrer
Existenz bedroht. Sie fordert eine direkte Finanzierung der Stadt Hamburg.
Alltag einer Hartz-IV-Empfängerin: Spitzkohl auf Brot
Wegen hoher Lebensmittelpreise geht die Hamburger Mutter Lene zur Tafel.
Doch mit dem, was ihr dort eingepackt wird, kommt sie nicht hin.
Autor über prekäres Aufwachsen: „Die Kosten von Armut aufzeigen“
Mit dem prekären Leben kennt sich Olivier David aus. Mit „Keine
Aufstiegsgeschichte“ hat der Journalist sein erstes Buch vorgelegt.
Kritik an Lebensmittel-Tafeln: Ort der Scham
Eine Hamburger Master-Studentin hat die Bedeutung der Spenden-Tafeln für
ihre Nutzer untersucht. Diese würden durch die Art der Essensausgabe
beschämt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.