# taz.de -- Gentrifizierung in Hamburg: Rot-Grün droht mit Vorkaufsrecht | |
> Im Streit um einen Gewerbehof in Ottensen will Rot-Grün in der | |
> Bezirksversammlung die Keule „Vorkaufsrecht“ ziehen. Die Opposition | |
> findet das unnötig. | |
Bild: Einsturzgefahr? Ein Poller verhindert die Durchfahrt | |
HAMBURG taz | Die rot-grüne Koalition in der Bezirksversammlung Altona | |
versucht, ein Zeichen im Kampf um die alten, kleinteiligen Gewerbehöfe zu | |
setzen. Beim Konflikt um einen Hof in Ottensen hat sie jetzt den rot-grünen | |
Senat gebeten, eine Vorkaufsrechtssatzung zu erlassen. | |
Diese würde es der Stadt ermöglichen, den Gewerbehof [1][zu kaufen], um zu | |
verhindern, dass dort teure Wohnungen gebaut werden. „Ich sehe schon die | |
Geier kreisen, die sich nur zu gerne auf diese kostbare innerstädtische | |
Lage stürzen werden“, sagt der grüne Bezirksabgeordnete Christian Trede. | |
Im Gewerbehof Hagen im Hohenesch gibt es 20 kleine Betriebe – vom | |
Getriebedienst über eine Kunstschule und eine Siebdruckwerkstatt bis hin | |
zum Landschaftsplanungsbüro und der sozialen Küche „La Cantina“. Ihre | |
Mieten sind niedrig, die kleinteilige Gebäudestruktur ist typisch für das | |
alte Ottensen. | |
Seit einiger Zeit streiten sich allerdings die beiden Eigentümer des Hofs. | |
Die Eigentümerin des Grundstücks zur Straße hin, eine Architektin, möchte | |
nicht mehr, dass ihre Durchfahrt benutzt wird, um auf den Hof zu gelangen. | |
Das wurde unter den vorherigen Eigentümern 50 Jahre lang geduldet. | |
## Der Poller-Eklat | |
Die jetzige Eigentümerin führt an, die Kellerdecke unter der Durchfahrt sei | |
marode und nicht mehr tragfähig genug. Sie schlug vor, die Familie Hagen | |
solle durch eines ihrer Gebäude einen eigenen Zugang zum Hof brechen. Der | |
Bauausschuss des Bezirks lehnte das als zu massiven Eingriff ab. | |
Zum Eklat kam es im Februar, als die Architektin einen Poller in die | |
Durchfahrt stellte, sodass kein Fahrzeug mehr durchkam. Das ist schlecht | |
für die Gewerbetreibenden, die jetzt nicht mehr vernünftig beliefert werden | |
können und deren Kunden keine Parkplätze mehr finden. | |
Bezirkspolitiker haben in vielen Gesprächen mit den Eigentümern versucht zu | |
vermitteln. Das Amtsgericht gestand den Mietern des Gewerbehofs zwar ein | |
Notwegerecht zu, forderte aber keine Instandsetzung für Fahrzeuge. | |
Weil die Sache juristisch weiter in der Schwebe ist, will die Mehrheit in | |
der Bezirksversammlung jetzt Druck machen. „Wir wollen mit diesem Beschluss | |
signalisieren, dass wir dieses Gewerbe, das immer noch zu moderaten und | |
bezahlbaren Mieten dort möglich ist, zwingend erhalten wollen“, sagt Trede. | |
Das Baurecht gestatte an dieser Stelle auch hochpreisigen Wohnungsbau, | |
fürchtet der Bezirksabgeordnete. | |
Er hält es für möglich, ein [2][Vorkaufsrecht] vorzusehen, um das Ergebnis | |
des Sanierungsverfahrens für Ottensen zu sichern. Hier wurde mit | |
städtischem Geld versucht, die kleinteilige Gewerbestruktur zu sichern. | |
Außerdem solle damit das Problem der Zufahrt gelöst werden. | |
CDU-Fraktionschef Sven Hielscher bezweifelt, dass ein Vorkaufsrecht | |
geschaffen werden könnte, weil dieses nicht städtebaulich zu begründen | |
wäre. „Auch die CDU ist dafür, das kleinteilige Gewerbe zu erhalten“, | |
versichert Hielscher. Das sei aber schon durch den Bebauungsplan und das | |
geltende Erhaltungsgebot für die Gebäude gewährleistet. Zur Not müsse der | |
Bauausschuss seine Entscheidung überdenken, keine weitere Zufahrt | |
zuzulassen. | |
5 Dec 2019 | |
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[1] /Stadtentwicklung-in-Hamburg/!5638898 | |
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__25.html | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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