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# taz.de -- Wohnungsmarkt in Hamburg: Verdrängung extrem
> Für Hamburgs Osten wäre eine soziale Erhaltungsverordnung dringend
> geboten. Die Politik tut, als ließe sich nichts tun gegen
> Mieter*innen-Verdrängung.
Bild: Abreißen und neu bauen löst die Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht
Hamburg taz | Es ist ein besonders krasser Fall von [1][Verdrängung] im
Hamburger Osten: Zwischen Mittelkanal und Eiffestraße, im Stadtteil Hamm,
soll ein Mietshaus abgerissen werden. Stattdessen sollen dort dann teure
Eigentumswohnungen entstehen. Wo bisher die Miete rund acht Euro pro
Quadratmeter betragen hat, dürfte der Kaufpreis für die neuen Wohnungen
dann bei um die 5.000 Euro pro Quadratmeter liegen.
Doch solange es für dieses Stadtgebiet keine soziale Erhaltungsverordnung
gibt, sieht sich selbst die Politik machtlos: Sie wartet darauf, zu welchem
Ergebnis die Bezirksverwaltung in dieser Frage kommt. Das dauert und dürfte
dann wohl zu spät sein.
In dem Haus in der Eiffestraße stehen bereits zehn von zwölf Wohnungen
leer. Die letzten beiden Mietparteien sollen in diesem Jahr das Haus
verlassen: Tanja und Victor Harvey, die seit knapp 30 Jahren dort wohnen,
sollen im Juni ausziehen. „Wir haben hier bereits eine Menge Kummer erlebt,
aber wir sind noch da“, sagt Tanja Harvey. Beide versuchen noch immer, sich
gegen den Rauswurf zu wehren.
Der Eigentümer plant hingegen den Abriss des alten Hauses und den Neubau
von 26 Wohnungen. Das sind gerade so wenig Wohnungen, dass er damit nicht
zur Einhaltung des sogenannten Drittelmixes verpflichtet ist: Die
hamburgweite Vorgabe, jeweils ein Drittel als Eigentum, zur freien Miete
und als Sozialwohnung anzubieten, gilt erst ab 30 neeen Wohnungen.
## Kritik am Abriss
Der [2][Hamburger Mieterverein] hat bereits argumentiert, dass der Abriss
gegen die Zweckentfremdungssatzung verstoße und daher untersagt werden
müsse. Doch ob dies Erfolg verspricht, ist fraglich. Sorina Weiland,
Sprecherin des Bezirksamts Mitte, erklärt, dass diese Satzung nicht zum
Tragen kommt, wenn alter Wohnraum abgerissen und dann wieder neuer
entsteht: „Das Wohnraumschutzgesetz unterscheidet nicht zwischen
Mietwohnung und Eigentumswohnung“, sagt Weiland. Bisher sind Abriss und
Neubau von der Bezirksverwaltung noch nicht genehmigt. Dies dürfte aber nur
eine Frage der Zeit sein.
Ein anderer Ansatz wird, wenn überhaupt, für den aktuellen Fall in Hamm
wohl zu spät kommen. Gäbe es in Hamburgs Osten schon eine soziale
Erhaltungsverordnung, hätte der Bezirk Mitte dort großen
Entscheidungsspielraum. Bereits im Jahr 2015 hatte die Bezirksverwaltung
damit begonnen, die Notwendigkeit einer Erhaltungsverordnung zu prüfen.
Ergebnis nach zwei Jahren: Noch gibt es keine signifikante Preissteigerung
oder Verdrängung, die eine solche soziale Erhaltungsverordnung
rechtfertigen würde. Nun hat die Bezirksversammlung sich erneut für eine
Prüfung entschieden. Doch dies dauert eben seine Zeit.
„Das Problem an der Verordnung ist vor allem, dass sie eigentlich immer
erst dann eingeführt werden kann, wenn es eigentlich schon zu spät ist“,
sagt [3][Yannik Regh]. Er ist SPD-Abgeordneter in der Bezirksversammlung
und hatte bereits mehrfach versucht, zwischen dem Eigentümer und den
verbliebenen Mieter*inen in der Eiffestraße zu vermitteln.
Gebiete, in denen die soziale Erhaltungsverordnung gilt, sind bisher vor
allem in Hamburgs Westen zu finden. Doch der Osten zieht langsam nach:
Barmbek Nord und Barmbek Süd sowie Eilbek sollen folgen.
## Mieten steigen kontinuierlich
Dabei sei eine größere Entscheidungsmacht für Bezirkspolitik und
-verwaltung aus Sicht der BezirkspolitikerInnen zwingend nötig. „Die
vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Hamm immer mehr im Fokus der
Wohnungswirtschaft steht“, sagt Regh. Verständlich: Auch wenn der Hamburger
Osten in der Wahrnehmung vieler eher am Rande auftaucht, handelt es sich um
ein innenstadtnahes Viertel. Noch liegt der Mietenspiegel in Hamm im
Hamburger Durchschnitt, doch er steigt kontinuierlich.
Andererseits muss die Politik auch nicht zwingend auf eine Prüfung der
Bezirksverwaltung warten: Eine Lösung des Problems zeigt gerade München.
Zum 1. Januar hat die Stadt ihre Zweckentfremdungssatzung verschärft. Dort
gilt jetzt: Wer Mietshäuser abreißt, muss neue bauen.
Künftig soll der Abbruch von Wohnraum nur dann genehmigt werden, wenn
bestehende Mietwohnungen auch durch neue ersetzt werden, die zur
ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet werden. „Das würden wir uns auch für
Hamburg wünschen“, sagt Tanja Harvey.
4 Jan 2020
## LINKS
[1] /Gentrifizierung/!t5008845
[2] https://www.mieterverein-hamburg.de/de/
[3] https://www.spdfraktion-hamburg-mitte.de/die-fraktion/yannick-regh/
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Mietendeckel
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Neubau
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Stadtentwicklung Hamburg
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