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# taz.de -- Klimaschutz in Hamburg: Deich bedroht Wohnprojekt
> Hamburg will alle seine 103 Kilometer Deich erhöhen. In Wilhelmsburg
> steht dem Plan ein Hausprojekt im Weg. Die Stadt will das Gebäude
> abreißen.
Bild: Soll dem Deich weichen: Gelbes Haus in der Wilhelmsburger Fährstraße
HAMBURG taz | An der gelben Fassade des mit Stuck verzierten Hauses Nummer
115 weht ein weißes Banner. „Abriss verhindern“ steht darauf. Direkt neben
dem Gebäude, nur durch eine zweispurige Straße getrennt, erhebt sich der
Reiherstieg-Hauptdeich. Hamburg will diesen [1][Deich als Schutz vor
Hochwasser um 80 Zentimeter erhöhen]. Das sei das aufgrund des Klimawandels
nötig, so die Stadt. Und dafür müsse das Haus in der Wilhelmsburger
Fährstraße 115 weg. Die solidarische Hausgemeinschaft, die hier seit 2007
lebt, kämpft gegen den Abriss.
Vor zwei Jahren beschlossen die Mitglieder des Wohnprojekts, das Haus zu
kaufen. „Es fühlt sich einfach an wie unser Haus“, sagt Bewohnerin Norika.
Für den Kauf schlossen sie sich mit dem [2][Mietshäuser-Syndikat] zusammen,
einem bundesweiten Zusammenschluss von Wohn- und Werkstattprojekten, der es
sich zur Aufgabe gemacht hat, Immobilien dauerhaft dem Markt zu entziehen,
um günstigen Wohnraum zu sichern. Gemeinsam gründeten sie eine GmbH.
Diese GmbH sollte das Haus in der Fährstraße kaufen und später als
Vermieterin auftreten. Die Selbstverwaltung der Bewohner*innen bliebe auf
diese Weise erhalten. Mit einem privaten Direktkredit, der das Eigenkapital
ersetzt, traten sie an eine Bank heran und erhielt einen Kredit für den
Hauskauf. Im Februar 2020 wurde der Kaufvertrag unterschrieben.
Jetzt will die Stadt Hamburg von ihrem [3][Vorkaufsrecht] Gebrauch machen.
Laut einem Planfeststellungsbeschluss seien Erwerb und Abriss erforderlich.
„Die Immobilie war zum Zeitpunkt des Baus des heutigen Deiches nicht
verfügbar“, erklärt Björn Marzahn von der Umweltbehörde. „Als
Übergangslösung musste der Deichgrund darum herumgelegt werden. Die
Übergangslösung wird durch den jetzt möglichen Kauf durch die Stadt Hamburg
behoben.“
## Im Stadtteil gut vernetzt
Die Bewohner*innen haben das Haus selbst gestaltet, Wände entfernt, den
Dachboden zu einem Sportraum ausgebaut und den Garten gepflegt. „Es ist so
viel Zeit und Energie in die Gestaltung eingeflossen“, sagt Norika. Es gibt
mehrere WGs im Haus, aber auch Gemeinschaftsräume. Außerdem sei das
Wohnprojekt super in den Stadtteil Wilhelmsburg eingebunden, so Norika.
Andere lokale Gruppen nutzten die großen Räume des Wohnprojekts für ihre
Treffen.
Der Hausgemeinschaft gehe es aber auch darum, bezahlbaren Wohnraum in
Hamburg zu erhalten, sagt Norika. Das garantiere die GmbH, die das Haus
nicht ohne Einverständnis des Mietshäuser-Syndikats oder der Bewohner*innen
verkaufen darf. Die Fährstraße 115 bliebe also auf unbestimmte Zeit ein
Mietshaus. Neue Bewohner*innen müssten sich nicht in die GmbH einkaufen,
sondern bekämen einen normalen Mietvertrag. Das sei wichtig für Hamburg, da
es so [4][wenig bezahlbaren Wohnraum] gebe, so Norika.
Wenn nun die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen würde, wäre das
Wohnprojekt Mieter der Stadt, bis das Haus abgerissen wird. Der Abriss ist
derzeit für 2024 geplant. Bis dahin müssten sich die Bewohner*innen ein
neues Gebäude für ihr Projekt suchen. Das aber ist schwierig. „Unser
derzeitiger Vermieter ist uns mit dem Kaufpreis entgegengekommen“, sagt
Norika. „Ein vergleichbares Objekt in ähnlicher Lage und Größe ist viel
teurer.“
## Umweltbehörde sieht das Problem nicht
Björn Marzahn von der Umweltbehörde ist da optimistischer. „Wir sind mit
der Mietergemeinschaft in sehr guten Gesprächen“, sagt er. „Da die
Umsetzung erst ab 2024 geplant ist, bleibt ausreichend Zeit, dass wir die
Mieter intensiv bei der Suche eines neuen Hauses unterstützen.“ Wie diese
intensive Unterstützung aussehen soll, erläuterte er nicht.
Die Stadt sieht indes keine Möglichkeit, das Haus zu erhalten. „Um die
Deichsicherheit auch aufgrund des Klimawandels weiterhin zu gewährleisten,
müssen die gesamten 103 Kilometer Hamburger Hochwasserschutzlinie um
mindestens 80 Zentimeter erhöht werden“, erklärt Marzahn. Der
Planfeststellungsbeschlusses müsse dafür umgesetzt werden.
„Die Politik sollte sich dafür einsetzen, Wohnraum in Hamburg zu erhalten“,
sagt Norika. Es gäbe Optionen, den Deich zu erhöhen, ohne das Haus Nummer
115 abzureißen. Beispielsweise könne die Straße verengt werden. Bis zum 20.
April 2020 hat die Stadt noch Zeit, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu
machen.
28 Mar 2020
## LINKS
[1] /Leben-mit-dem-Klimawandel/!5040555
[2] https://www.syndikat.org/de/
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__25.html
[4] /Mietpreisentwicklung-in-Hamburg/!5633756
## AUTOREN
Nathalie Haut
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Miete
Wahl in Hamburg 2025
Mietendeckel
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