# taz.de -- Frauenrollen beim Filmfestival Venedig: Demütigung vom Praktikanten | |
> Lidokino 4: Die Filmfestspiele bieten starke Frauenrollen in nicht immer | |
> starken Filmen. Nicole Kidman und Angelina Jolie spielen groß auf. | |
Bild: Klassisch verwickelte Liebesgeschichte um drei Freundinnen: „Trois amie… | |
Wenn man nach Venedig zu den Filmfestspielen fährt, lautet eine der | |
wiederkehrenden Fragen: „Und: hast du schon viele Stars gesehen?“ Doch | |
obwohl es davon dieses Jahr einigermaßen viele gibt, boten sich an den | |
ersten beiden Tagen noch nicht allzu viele Gelegenheiten der Starbeschau. | |
Immerhin war die Jurypräsidentin [1][Isabelle Huppert] im Palazzo del | |
casinò zu sehen, wie sie diesen im langen dunklen Kleid und mit noch | |
dunklerer Sonnenbrille verließ. | |
Dafür gab es in Pablo Larraíns Wettbewerbsbeitrag „Maria“ reichlich | |
Gelegenheit, [2][Angelina Jolie] dabei zu beobachten, wie sie [3][Maria | |
Callas] in der letzten Woche ihres Lebens gibt. Die Diva, führt Larraín | |
ausgiebig vor, war in dieser Phase ihres Lebens stark tablettenabhängig und | |
in ihrem erratischen Verhalten für ihr Umfeld vermutlich nicht immer leicht | |
zu ertragen. Dass Jolie ihrem Vorbild nicht realitätsgetreu nachgebildet | |
wurde, ist eine gute Entscheidung. Man sieht vielmehr eine Diva als Diva, | |
was Jolie überzeugend darbietet. | |
Dass ihr Butler Ferrucio (Pierfrancesco Favino) und ihre Haushälterin Bruna | |
(Alba Rohrwacher), wie die meisten übrigen Darsteller, mit Akzent Englisch | |
sprechen müssen, ist weniger überzeugend, und dass es überhaupt viel darum | |
geht, wie die Callas ihr Personal mit ständigem Klavierverschieben straft, | |
weil dieses verzweifelt versucht, die Tabletten vor ihr zu verstecken, | |
grenzt an Voyeurismus. Besser schon die Entscheidung, einen imaginären | |
Journalisten als Interviewpartner der Callas auftreten zu lassen, der so | |
heißt wie ihre bevorzugte Arznei: Mandrax (Kodi Smit-McPhee). | |
Eine weitere starke Frauenfigur ist die von Nicole Kidman gegebene | |
Unternehmerin Romy Miller in „Babygirl“ der niederländischen Regisseurin | |
Halina Reijn. Diese ist Geschäftsführerin eines Unternehmens, das Roboter | |
für Logistikunternehmen herstellt, mithin Geräte, die so programmiert | |
werden, dass sie das tun, was man ihnen sagt. Als der sehr selbstbewusst | |
auftretende Praktikant Samuel (Harris Dickinson) bei ihr zu arbeiten | |
anfängt, lässt sie sich mit diesem auf eine Beziehung ein, in der sie ihre | |
bis dahin geheim gehaltene Unterwürfigkeit auslebt. Sie lässt sich fortan | |
von Samuel sagen, was sie zu tun hat. | |
Nicole Kidman erweckt diese nicht immer plausibel angelegte Figur in all | |
ihrer Widersprüchlichkeit heftig zum Leben, trotz einiger Schwächen des | |
Drehbuchs. Die Sache wird am Ende zum recht plumpen Plädoyer für | |
emanzipierte Diversität. Das wäre auch ohne Hammer gegangen. | |
## Höhenflüge und Bruchlandungen | |
Dann doch lieber die klassisch verwickelte Liebesgeschichte „Trois amies“ | |
von Emmanuel Mouret. Diese drei Freundinnen, von denen sein Wettbewerbsfilm | |
erzählt, sind auf unterschiedliche Weise von ihren eigenen Erwartungen an | |
die Liebe gefangen. Die eine, Joan (India Hair), muss sich irgendwann | |
eingestehen, dass sie ihren Mann nicht mehr liebt. | |
Die andere, Alice (Camille Cottin), geht die Liebe pragmatisch an und will | |
sich nicht zu sehr auf ihren Partner einlassen. Und die dritte, Rebecca | |
(Sara Forestier), hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann, von der sie | |
den anderen Freundinnen lieber nicht zu viel erzählen möchte. | |
Mouret stattet seinen Reigen an emotionalen Höhenflügen und Bruchlandungen, | |
wie in französischen Filmen oft der Fall, mit vielen Dialogen aus, einen | |
Kommentar aus dem Jenseits gibt es obendrein. Davon ist es allerdings nicht | |
zu viel. Sie sind, wie das Spiel des recht großen Figurenensembles, elegant | |
balanciert. | |
30 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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