# taz.de -- Pedro Almodóvars „The Room Next Door“: Die Ordnung des Todes | |
> In Venedig zeigt Pedro Almodóvar Tilda Swinton und Julianne Moore in | |
> perfekt abgestimmten Farben. Sie bereiten sich gemeinsam auf das Ende | |
> vor. | |
Bild: Julianne Moore und Tilda Swinton in „The Room Next Door“ | |
Kurz war er sogar aus der Nähe zu sehen. Bei der Anlegestelle auf dem Lido, | |
an der die Boote mit den Stars anlegen, hatte sich vor den Absperrungen | |
eine Traube Interessierter gebildet, keine Minute später sah man den grauen | |
Wuschelschopf [1][des Regisseurs Pedro Almodóvar], der sich den | |
Begehrlichkeiten der Fotografen stellte. | |
Die erste Station des Spießrutenlaufs für die Filmstars auf dem Lido, | |
Stunden vor der eigentlichen Premiere auf dem roten Teppich. Almodóvar war | |
angereist für seinen Wettbewerbsfilm „The Room Next Door“, ein Kammerspiel | |
für Tilda Swinton und [2][Julianne Moore]. | |
Martha ist krank. Gebärmutterhalskrebs. Ingrid erfährt zufällig davon, als | |
sie frisch nach New York zurückgekehrt ist, die Freundinnen hatten sich für | |
einige Jahre aus den Augen verloren. Ingrid besucht ihre Freundin kurz | |
darauf im Krankenhaus. | |
Diese freut sich, auch wenn sie Ingrid mitteilen muss, dass für sie keine | |
Hoffnung besteht. Martha möchte Ingrid ungeachtet ihrer Situation öfter | |
sehen. Ingrid besucht Martha fortan regelmäßig im Krankenhaus, nach ihrer | |
Entlassung auch zu Hause. | |
## Verfilmung eines Romans von Sigrid Nunez | |
In „The Room Next Door“ lässt Almodóvar seinen Star Tilda Swinton in der | |
Rolle der Kriegsreporterin Martha mit ihrer Krankheit kämpfen, während | |
Julianne Moore als die Schriftstellerin Ingrid mit ihren Mitteln für ihre | |
Freundin kämpft. Vorlage des Films ist der Roman „Was fehlt dir“ von | |
[3][Sigrid Nunez]. | |
Almodóvar konzentriert sich in seiner Verfilmung auf seine beiden | |
Darstellerinnen, lässt nur sehr wenige Nebenfiguren an ihrer Seite zu und | |
besetzt einzelne Rückblickszenen von Erinnerungen Marthas mit anderen | |
Schauspielern. | |
Der Großteil der Handlung spielt in einem luxuriösen Ferienhaus in | |
Neuengland, wohin sich Martha mit Ingrid zurückzieht. Obwohl sie wissen, | |
dass ihnen womöglich nicht viel Zeit bleibt, entsteht zwischen ihnen | |
während dieser Reise eine nur umso größere Nähe. | |
## Besonders statische Bilder | |
Almodóvar inszeniert diese Begegnung in den für ihn typischen kräftigen, | |
genau abgestimmten Farben, mit viel Rot, dazu wählt er, wie es scheint, | |
besonders statische Bilder mit penibel abgezirkelten Einstellungen. Man | |
könnte fast meinen, er wolle dem Tod, von dem im Film unablässig die Rede | |
ist, in diesen Bildern eine eigene Form verleihen. | |
So geordnet, wie die Räume bei ihm sind, bis hin zu den Menschen, die darin | |
stehen oder sitzen, entzieht er ihnen mit diesem Zug ins Statuarische immer | |
wieder ihre Lebendigkeit. Bei Aufnahmen durch Fensterglas hindurch lässt er | |
seine zwei Hauptfiguren sogar schattenhaft wie Gespenster erscheinen. | |
Obwohl vermutlich als Feier des Lebens im Abschiednehmen gedacht, bekommt | |
sein Film so zugleich eine bleierne Schwere, was auch auf die etwas steifen | |
Dialoge zutrifft. Die Perfektion einschließlich der Ausstattung lähmt am | |
Ende vor allem. | |
Sie lässt die Kunst über das Leben triumphieren, ein bisschen aber auf | |
Kosten des Lebens: Wo, bitteschön, findet man derart penibel saubere | |
Gartenliegen mit makellosem Überzug und ohne ein einziges Blatt oder andere | |
Spuren der Umgebung, mitten im Wald? | |
3 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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