# taz.de -- Daniel Craig in Luca Guadagninos „Queer“: Körpergrenzen lösen… | |
> Ein Ayahuasca Trip in Luca Guadagninos Film „Queer“ und eine | |
> Landvermessung mit Folgen in „Harvest“. Zwei Literaturverfilmungen gehen | |
> unter die Haut. | |
Bild: William S. Burroughs (Daniel Craig) und Eugene Allerton (Drew Starkey) in… | |
Venedig taz | Jetzt gibt es also auch mal einen Film, der ausmalt, wie so | |
ein Ayahuasca-Trip aussehen könnte. Allem Anschein nach eine ziemlich | |
heftige Angelegenheit. Zu erleben in Luca Guadagninos „Queer“, der in | |
Venedig im Wettbewerb läuft. | |
Vor allem sieht man darin aber Daniel Craig in der Rolle des | |
[1][Schriftstellers William S. Burroughs], was eine ungewöhnliche Wahl sein | |
mag, da Burroughs auf Fotos deutlich weniger durchtrainiert wirkt als der | |
[2][muskulöse Bond-Darsteller Craig]. Irgendwie passt die Wahl jedoch, | |
nicht allein der Nase wegen. Auch sein verlorener Blick ist für diese | |
Geschichte gut ausgesucht. | |
## Daniel Craig in verzweifelter Verletzlichkeit | |
Burroughs’ früher Roman „Queer“, den Guadagnino als Vorlage genommen hat, | |
spielt in Mexiko. Burroughs war Anfang der fünfziger Jahre dorthin geflohen | |
wegen illegalen Drogen- und Waffenbesitzes. Im Film ist lediglich von | |
Drogensucht die Rede. Lee, wie Burroughs’ literarisches Alter ego in diesem | |
Fall heißt, verbringt seine Tage in den Bars von Mexiko-Stadt und ist | |
heroinsüchtig. In einer der Bars trifft er den ehemaligen Soldaten Eugene | |
Allerton (Drew Starkey), dem sich Lee schüchtern nähert. | |
Guadagnino inszeniert den ersten Teil des Films als eine Serie von Lees | |
unablässigen Werbeversuchen, die auf der Stelle zu treten scheinen, denn | |
Eugene gibt sich unnahbar. Als Eugene einmal doch zu Lee in dessen Wohnung | |
mitkommt und sie im Bett landen, entzieht sich Eugene gleich darauf etwas. | |
Craig gibt Lee mit verzweifelter Zerbrechlichkeit, ungeachtet dessen, dass | |
dieser stets eine Pistole am Leib trägt. | |
Im zweiten Teil machen sich beide auf eine Reise nach Südamerika, wo Lee | |
die Pflanze yage zu finden hofft. Er verspricht sich davon Erfahrungen mit | |
Telepathie. Die Reise führt schließlich ans Ziel, und sie unterziehen sich | |
einem Ritual mit Ayahuasca, wie die Pflanze ebenfalls genannt wird. | |
Guadagnino greift für diese Szene auf seine Erfahrungen mit Body-Horror | |
zurück, löst Körpergrenzen auf, lässt Lee und Eugene vorübergehend | |
verschmelzen. Eine Szene, die sehr direkt unter die Haut geht. Allerdings | |
hat die Großzügigkeit, mit der Guadagnino diese Bilder auskostet, auch | |
etwas Selbstverliebtes. | |
## Zwischen magischer Landschaft und Brutalität | |
Eine weitere Literaturverfilmung im Wettbewerb ist Athina Rachel Tsangaris | |
Film „Harvest“ nach dem gleichnamigen Roman von Jim Crace. Caleb Landry | |
Jones spielt darin William, den Bewohner eines entlegenen englischen | |
Dorfes, Zeit und Ort sind unbekannt. In diesem Dorf leben die Menschen von | |
Ackerbau und Viehzucht; alles, was sie zum Leben benötigen, erwirtschaften | |
sie selbst. Strom gibt es in dieser Welt keinen, als Transportmittel dienen | |
Dinge wie Pferdewagen. | |
Zu Beginn von „Harvest“ vernichtet ein Brand eine Scheune. Als Brandstifter | |
werden Streuner vermutet, die in der Gegend aufgetaucht sind. Mit diesem | |
Ereignis beginnt der allmähliche Zerfall der Gemeinschaft, die zunächst | |
noch als weltentrückte Kommune erscheint, als ein Zusammenschluss von | |
Menschen, die sich ungeachtet der Härte, die ihre Arbeit mit sich bringt, | |
an die Bedingungen der Natur um sie herum angepasst haben. Doch schon bald | |
[3][kommt ein Kartograf in das Dorf], um die Ländereien zu dokumentieren. | |
Danach ist nichts mehr wie zuvor. | |
Tsangari zeigt diesen Prozess als ein Wechselspiel von wie magisch belebter | |
Landschaft und der Brutalität, mit der eine profitorientierte | |
Landwirtschaft eingeführt wird. Tritt Caleb Landry Jones in den ersten | |
Bildern von „Harvest“ noch als nahezu wilder Naturbursche in Erscheinung, | |
kommt mit dem neuen Eigentümer des Gebiets bald ein anderer, kalter Wind | |
über die Menschen. | |
Tsangari gelingen bei aller leicht verrätselten Erzählweise immer wieder | |
magische Momente, die ihren Beitrag, neben [4][Brady Corbets] „The | |
Brutalist“, zu einem weiteren sehr eigenwilligen Kandidaten auf den | |
Goldenen Löwen machen. | |
4 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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