Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berlinale-Film „Was Marielle weiß“: Marielle weiß was
> Der Regisseur Frédéric Hambalek konfrontiert in seinem Kammerspiel „Was
> Marielle weiß“ (Wettbewerb) eine Familie mit den Folgen von Telepathie.
Bild: Das telepathisch begabte Kind nötigt die Eltern zu größtmöglicher Dis…
In bestimmten Kulturen ist es verboten zu lügen. Fragen des Typs „Wie geht
es dir?“ sind dort oft unerwünscht, da sie die angesprochene Person zu
möglicherweise unerfreulichen Antworten nötigen würden. Wie man auch
hierzulande nicht alle Gedanken, die einen umtreiben, nicht alle Worte, die
man einer bestimmten Person gegenüber äußert, zu öffentlichem Allgemeingut
erklären würde.
In seinem zweiten Spielfilm, „Was Marielle weiß“, nimmt der Regisseur
Frédéric Hambalek die Frage nach den Grenzen der Privatsphäre zum Anlass
für ein Gedankenexperiment: Was, wenn man als Eltern nichts tun und sagen
kann, ohne dass es von der eigenen Tochter „mitgehört“ wird? Wie ändert
dies das Verhalten der Betroffenen, und wie ändern sich die Beziehungen in
der Familie?
Es beginnt mit einer Ohrfeige. Marielle (Laeni Geiseler) hat von einer
Schulfreundin kräftig eine gelangt bekommen. Wenig später bemerken ihre
[1][Eltern], Julia (Julia Jentsch) und Tobias (Felix Kramer), dass Marielle
Einzelheiten aus ihrem Berufsleben mitbekommen hat, ohne dass sie mit
jemandem darüber gesprochen haben. Nach und nach stellt sich heraus, dass
Marielle aus unerfindlichen Gründen über telepathische Fähigkeiten verfügt.
Julia und Tobias sind in ihren Berufen erfolgreich, er in einem Buchverlag,
sie bei einem anonymen Unternehmen, man lebt in einer wohlhabenden
Vorortgegend Deutschlands. Abends sitzt man in der bis zur Leblosigkeit
gestalteten offenen Küche beim Wein, [2][Karriere und Familienleben]
scheinen fest im Griff.
Mit Marielles unerwünschtem Wissen kommt ihnen die Kontrolle immer mehr
abhanden. Da ist etwa der Kollege Max, mit dem Julia geflirtet hat. Was
Julia entschieden verneint. Bis sie es irgendwann nicht mehr abstreiten
kann. Auch Felix beginnt in seiner Arbeit plötzlich energischer
aufzutreten, will es einem Kollegen mal „so richtig“ zeigen und brüstet
sich anschließend zu Hause damit.
Die familieninterne Überwachungssituation setzt Hambalek mit einer forciert
transparenten Innenarchitektur in Szene. Das Haus von Julia und Tobias ist
im Erdgeschoss als Open Space gehalten, Julia arbeitet in einem Büro, das
mit blickfreien Glaskästen ausgestattet ist. Rückzugsräume gibt es bloß als
Ausnahme.
Durch das unfreiwillig öffentliche Sprechen verändert sich auch die Tonlage
von Julia und Tobias. Sie klingen weniger wie Personen als wie Puppen, die
vorgestanzte Statements abgeben, statt wirklich etwas selbst auszusagen.
Die Uneigentlichkeit beherrscht sie, selbst da, wo sie verzweifelt etwas
Eigenes, an die Adresse der abwesenden Tochter gewandt, zum Ausdruck
bringen möchten.
Hambalek führt diese Idee konsequent zu reichlich absurden Situationen mit
treffsicherem Witz. [3][Julia Jentsch] insbesondere sorgt für befreiende
Situationskomik. Präzise gesetzte Dialoge und Schnitte machen Hambaleks
Beitrag, der auch als Kommentar zum Austausch in sozialen Medien geeignet
ist, im Wettbewerb zu einem eleganten Höhepunkt.
18 Feb 2025
## LINKS
[1] /Tom-Tykwers-Das-Licht/!6065445
[2] /Dreams-von-Michel-Franco/!6069746
[3] /Film-ueber-praenatale-Diagnostik/!5337591
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Spielfilm
Ehe und Familie
Kinder
Bürgertum
Spielfilm
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
Kolumne Lidokino
Spielfilm
Pränataldiagnostik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regisseur über Film „Was Marielle weiß“: „Ein Kind ist eine moralische …
In „Was Marielle weiß“ sieht und hört ein Kind alles, was die Eltern tun.
Regisseur Frédéric Hambalek spricht über Geheimnisse und Selbstbefreiung.
„Kontinental 25“ von Radu Jude: In die Filmgeschichte mit dem iPhone
Berlinale-Preisträger Radu Jude thematisiert in „Kontinental 25“ die
Schuldgefühle einer Gerichtsvollzieherin im rumänischen Cluj (Wettbewerb).
Der Film „Blue Moon“ bei der Berlinale: An nur einem Abend an der Bar
Richard Linklaters „Blue Moon“ erzählt flamboyant von der dramatischen
Lebensgeschichte eines Hollywood-Musicaltexters. Der Film läuft im
Wettbewerb.
„Dreams (Sex Love)“ auf der Berlinale: Die Grammatik der ersten Liebe
In „Dreams (Sex Love)“ verliebt sich eine 17-Jährige in ihre Lehrerin. Dag
Johan Haugerud erzählt feinfühlig von Wucht und Folgen ihrer Gefühle.
Daniel Craig in Luca Guadagninos „Queer“: Körpergrenzen lösen sich auf
Ein Ayahuasca Trip in Luca Guadagninos Film „Queer“ und eine
Landvermessung mit Folgen in „Harvest“. Zwei Literaturverfilmungen gehen
unter die Haut.
Spielfilm über den Monte Verità: Flucht ins Aussteigerparadies
Ein Loch in die von Männern geschriebene Geschichte bohren: Das gelingt in
„Monte Verità“ von Stefan Jäger, trotz mancher Künstlichkeiten.
Film über pränatale Diagnostik: Individuelle Tragik
Es geht nicht ohne Schuldgefühle: In „24 Wochen“ erzählt die junge
Regisseurin Anne Zohra Berracheds von einer schweren Entscheidung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.