# taz.de -- Der Film „Blue Moon“ bei der Berlinale: An nur einem Abend an d… | |
> Richard Linklaters „Blue Moon“ erzählt flamboyant von der dramatischen | |
> Lebensgeschichte eines Hollywood-Musicaltexters. Der Film läuft im | |
> Wettbewerb. | |
Bild: Ethan Hawke trägt den Film, hier zusammen mit Margaret Qualley in „Blu… | |
Was ist das beste Zitat aus Casablanca? Hierzulande stimmt man wohl für | |
„Ich seh dir in die Augen, Kleines“ oder auch „Verhaften Sie die üblichen | |
Verdächtigen!“. Aber der kleine Mann an der Bar, um den sich Richard | |
Linklaters Film „Blue Moon“ dreht, weiß es besser. Es ist: „Nobody ever | |
loved me that much.“ „Mich hat noch niemand so geliebt …“ | |
Linklater lässt seinen Film an einem einzigen Abend spielen, es ist der 31. | |
März 1943, nebenan hat das Musical „Oklahoma!“ gerade seine Premiere, und | |
Lorenz Hart ([1][Ethan Hawke]) hat sich vor dem Schlussapplaus in besagte | |
Bar davongeschlichen, wo er nun mit dem Mann hinter der Theke (Bobby | |
Cannavale) über „Casablanca“-Zitate und die Liebe philosophiert und auf die | |
Gäste von der Premiere wartet. | |
Lorenz Hart, den alle Larry nennen, identifiziert sich an diesem Abend | |
besonders mit Ricks dahingeworfenem Satz, weil auch er Grund hat, sich | |
ungeliebt zu fühlen: Über 20 Jahre haben er und [2][der Komponist Richard | |
Rodgers] zusammen Musicals und Songs geschrieben – das titelgebende „Blue | |
Moon“ ist das vielleicht bekannteste davon –, nun hat Rodgers sich für | |
„Oklahoma!“ mit einem anderen Texter zusammengetan, Oscar Hammerstein. | |
Hart versteht genug vom Broadway-Geschäft, um zu wissen, dass „Oklahoma!“ | |
ein Riesenerfolg werden wird. Aber sein scharfer Geist stört sich am Kitsch | |
des Rodgers-&-Hammerstein-Musicals, an dessen mangelnder Selbstironie und | |
Ambivalenz. Mit ätzender Häme demontiert er vor dem Barkeeper einzelne | |
Zeilen, aber als schließlich die Crew zum Premierendrink hereinströmt, | |
überschüttet er sowohl seinen langjährigen Kollaborateur Rodgers (Andrew | |
Scott) wie seinen Konkurrenten Hammerstein (Simon Delaney) mit höchstem | |
Lob. | |
## Lorenz Harts unrühmliches Ende | |
Letzteres ist historisch verbürgt. Genauso die traurige Tatsache, dass | |
Lorenz Hart acht Monate später im Alter von nur 48 Jahren starb. Als | |
Alkoholiker war er im Suff einer Winternacht in einer Gosse | |
zusammengebrochen und hatte sich eine Lungenentzündung geholt. | |
Linklater beginnt seinen Film, der weniger [3][Biopic] als Hommage ist, mit | |
zwei gegensätzlichen Zitaten über diesen Mann, den viele für ein zu selten | |
besungenes Broadway-Genie halten. In dem einen wird er als großer | |
Entertainer beschrieben, unterhaltsam und geistreich. Im anderen als einer | |
der „traurigsten Männer“ überhaupt. | |
Diesen Widerspruch lässt Ethan Hawke in der Rolle auf geradezu schmerzhafte | |
Weise lebendig werden. Die Kameraeinstellungen machen ihn künstlich klein, | |
und so gezwungen das im Film auch wirkt, hat es vielleicht seine | |
Berechtigung, weil Hart sein Gefühl, der Liebe unwürdig zu sein, wohl immer | |
auch mit seiner kleinen Statur in Verbindung brachte. | |
Die schütteren Haare über die Halbglatze gekämmt, mit sturem Blick aufs | |
nächste Glas und stets einer giftigen Bemerkung auf den Lippen, porträtiert | |
Hawke den Textautor nicht unbedingt als sympathischen Menschen. | |
Im theaterhaften Dialog, aus dem „Blue Moon“ besteht, kann er einem auch | |
ziemlich auf die Nerven gehen, mit seinen Obsessionen, seinem | |
demonstrativen Bekenntnis zur Kläglichkeit. Und dann kommt wieder so ein | |
Geistesblitz. Man verlässt diesen Film mit Knoten in der Magengrube, wie | |
angegriffen vom tiefen Trauma dieses Menschen und voll Trauer über sein im | |
Alkohol verschwendetes Talent. | |
20 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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