# taz.de -- „Kontinental 25“ von Radu Jude: In die Filmgeschichte mit dem i… | |
> Berlinale-Preisträger Radu Jude thematisiert in „Kontinental 25“ die | |
> Schuldgefühle einer Gerichtsvollzieherin im rumänischen Cluj | |
> (Wettbewerb). | |
Bild: Die Gespräche beim Kaffee-to-go sind nur vermeintlich beiläufig: Szene … | |
Cluj, zweitgrößte Stadt und prosperierendes Zentrum Rumäniens, ist | |
Schauplatz von „Kontinental 25“, einer unkonventionellen Tragikomödie von | |
Radu Jude. Der 1977 in Bukarest geborene Filmemacher ist für ein | |
spielerisches und zuweilen anarchistisches Kino bekannt. Jeder seiner Filme | |
überrascht mit einer eigenen, neuen Formsprache. So ist Judes aktueller | |
Berlinale-Wettbewerbsbeitrag mit der Kamera eines iPhones und kleinem | |
Produktionsbudget in nur wenigen Tagen entstanden. | |
Der Film erzählt zunächst vom Alltag eines Obdachlosen in Cluj. Tagsüber | |
streift der hagere Mann Flaschen sammelnd durch das historische | |
Stadtzentrum oder einen Wald, der sich dann als Dinosaurier-Themenpark | |
entpuppt. Abends kehrt der Außenseiter in seine Behausung, den | |
Heizungskeller eines Wohnhauses, zurück. In wenigen Szenen skizziert der | |
rumänische Regisseur so ein gesellschaftliches Panorama zwischen | |
konsumfreudigem Wohlstand und sozialer Ungleichheit. | |
Auf Veranlassung einer Immobilienfirma muss Gerichtsvollzieherin Orsolya | |
das Quartier des Obdachlosen von der Gendarmerie zwangsräumen lassen. Als | |
sie dem Mann noch einmal Zeit zum Packen geben, erhängt er sich in deren | |
Abwesenheit an dem Heizkörper. | |
Radu Jude, [1][der 2021 mit „Bad Luck Banging or Loony Porn“ den Goldenen | |
Bären] gewann und 2023 Mitglied der Internationalen Jury der Berlinale war, | |
experimentiert in diesem neuen Spielfilm mit Motiven aus Roberto Rosellinis | |
„Europa 51“. In Anlehnung an Ingrid Bergmans Rolle in dem neorealistischem | |
Filmklassiker von 1952 quälen die Gerichtsvollzieherin Orsolya (Eszter | |
Tompa) in „Kontinental 25“ schwere Schuldgefühle nach dem Selbstmord. | |
## Sie lebt in einer gesichtslose Neubausiedlung | |
In dieser Lebenskrise findet die Frau wenig Verständnis im direkten Umfeld. | |
In Cluj, dem ehemaligen Klausenburg der Habsburger-Monarchie, gehört sie | |
zur ungarisch sprechenden Minderheit. Mit der Kleinfamilie lebt Orsolya | |
auswärts der Stadt in einer gesichtslosen Neubausiedlungen im Reihenhaus. | |
Auf einen Kaffee-to-go im Stadtzentrum verabredet, berichtet sie auch der | |
Freundin von dem verstörenden Erlebnis. | |
Ihre Unterhaltung streift rumänisch-ungarische Ressentiments, springt zu | |
der schwierigen Nachbarschaft mit einem Obdachlosen, weckt Assoziationen an | |
Wim Wenders’ „Perfect Days“. Schließlich geht es um die bedrückenden | |
Zustände in der Roma-Siedlung am Stadtrand. Orsolya möchte helfen, gerne | |
mit einer Spende an eine NGO und am liebsten über die Charity-Funktion | |
ihres Mobilfunkvertrags. Eine andere Szene mit einem orthodoxen Popen nimmt | |
einen noch deutlich komischeren Verlauf. Orsolya leidet aufrichtig, aber | |
ihre moralische Krise hat keine Konsequenz. | |
Jude entwickelt seine Erzählung als eine ungeschliffene Collage aus | |
inszenierten Dialogen und dokumentarischen Architekturaufnahmen, die im Mix | |
mit einer Vielzahl von Zitaten, Referenzen und Anspielungen als eine | |
Reflexion über die rumänische Geschichte und einer wenig | |
wohlfahrtsstaatlich orientierten Gegenwart gelesen werden können. In einem | |
Statement zu „Kontinental 25“ vergleicht [2][der risikofreudige | |
Filmemacher] die schlanke Produktion mit der Rückkehr zu einem Kino der | |
Brüder Lumière. Doch nicht immer gelingt dem Regisseurs die Umsetzung ohne | |
Anstrengung. | |
20 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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