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# taz.de -- Bewerbungsprozess für die Berlinale: Unbequemes Kino für unbequem…
> Was passiert, bis ein Film wie „Hysteria“ (Panorama) von Regisseur Mehmet
> Akif Büyükatalay auf der Berlinale zu sehen ist? Protokoll einer
> Prozedur.
Bild: Eliv (Devrim Lingnau) in einer Szene von „Hysteria“
Mehmet Akif Büyükatalays neuer Film „Hysteria“ feierte am Samstag auf der
Berlinale in der Sektion Panorama Premiere. Der politische Thriller
untersucht den gesellschaftlichen Umgang mit dem Fremden und dreht sich um
eine anonyme Figur, die plötzlich in einem sozialen Mikrokosmos auftaucht
und dort eine Welle von Hysterie auslöst.
Der Film stellt eine treffende Metapher für die Mechanismen von Angst und
Gruppendynamik in unserer heutigen Gesellschaft dar und regt zur
Auseinandersetzung mit Fragen über Identität, Zugehörigkeit und die
psychologischen Mechanismen an, die die Wahrnehmung von Fremdheit in der
modernen Welt prägen.
In diesem Spannungsfeld zwischen Angst und Kontrolle entfaltet sich eine
Geschichte, die die Zuschauer dazu auffordert, über zugrundeliegende
gesellschaftliche Strukturen nachzudenken, die solche Reaktionen
hervorbringen. In „Hysteria“ untersucht Büyükatalay, wie Bilder von
Fremdheit gesellschaftliche Strukturen prägen. [1][Ähnlich wie in seinem
Debütfilm „Oray“ (2019) zeigt er, dass die Art und Weise,] wie „der Ande…
in den Medien dargestellt wird, entscheidend dafür ist, wie er wahrgenommen
wird.
## Bloße Existenz als Eskalation
„Es geht nicht darum, wer dieser Fremde ist, sondern was er mit uns macht“,
erklärt der Regisseur der taz. Durch die Darstellung einer Figur, deren
bloße Existenz eine Eskalation auslöst, verdeutlicht der Film, dass
gesellschaftliche Debatten häufig emotional und nicht rational geführt
werden.
Die Sektion Panorama bietet mutigen, gesellschaftlich relevanten Filmen
eine Bühne. Hier finden Werke Platz, die sich jenseits des Mainstreams
bewegen, aber dennoch große Relevanz haben. Dass der Film „Hysteria“ hier
gezeigt wird, verdeutlicht seinen Status als anspruchsvolle und zugleich
provokante Auseinandersetzung mit aktuellen politischen und sozialen
Themen. Gleichzeitig zeigt es auch, dass Festivals wie die Berlinale sich
der Verantwortung bewusst sind, kontroverse Werke zu fördern, die
gesellschaftliche Debatten anstoßen.
Doch wie kommt nun solch ein Film wie „Hysteria“ überhaupt auf ein
bedeutendes Filmfestival wie die Berlinale? Oft ist der Weg dorthin lang
und von zahlreichen Herausforderungen gesäumt, die den Zuschauer:innen
vor der Leinwand verborgen bleiben.
## Mehrere Hürden
Während große Filmstudios mit etablierten Verleihern und großen Budgets
arbeiten, stehen unabhängige Filmemacher wie Büyükatalay häufig vor ganz
anderen Hürden: Finanzierung, Produktionsdauer und die Anerkennung durch
Festivals. Das Festival ist für viele Filmschaffende ein Sprungbrett, doch
die Hürde, aufgenommen zu werden, ist hoch.
Ein Film kann auf die Berlinale gelangen, indem er von den Veranstaltern
ausgewählt wird. Der Weg dorthin kann auf verschiedene Weisen erfolgen.
Einerseits können Filmemacher oder Produktionsfirmen ihre Filme offiziell
einreichen, wobei diese eine Deutschland- oder Weltpremiere sein und
bestimmte formale Anforderungen erfüllen müssen.
Andererseits werden manche Filme direkt von der Berlinale eingeladen, oft
durch Scouts oder Kuratoren, die auf anderen Festivals aktiv sind. Auch
Koproduktionen und Programme wie „Berlinale Co-Production Market“ oder
„Berlinale Talents“ erhöhen die Chancen einer Auswahl. Filmförderungen und
starke Verleiher können ebenfalls dazu beitragen, dass ein Film für das
Festival in Betracht gezogen wird.
## Mehrfach eingereicht
Doch selbst wenn alle Bedingungen erfüllt sind, bedeutet das nicht, dass
ein Film sofort angenommen wird. Viele Werke werden zunächst abgelehnt oder
müssen mehrfach eingereicht werden. Auch „Hysteria“ wurde nicht sofort ins
Festivalprogramm aufgenommen. Der Regisseur selbst sagt dazu: „Es war ein
langer Weg, diesen Film auf die Berlinale zu bringen.
Letztes Jahr wurde er noch abgelehnt, und wir haben nicht erfahren, warum.“
Dass er es in diesem Jahr ins Panorama-Programm geschafft hat, zeigt, wie
unberechenbar der Auswahlprozess sein kann, selbst wenn man bereits Erfolge
auf der Berlinale vorweisen kann.
Büyükatalay kennt diesen Prozess gut, denn bereits mit seinem Film „Oray“
konnte er 2019 einen Erfolg auf der Berlinale feiern. Der Film wurde in der
Sektion „Generation 14plus“ gezeigt und stieß auf große Resonanz.
Ungeachtet dieses Erfolgs erhielt er bei „Hysteria“ nicht gleich beim
ersten Versuch auf der Berlinale eine Chance. [2][Dies verdeutlicht einmal
mehr, wie hart umkämpft der Wettbewerb um Festivalplätze ist und wie
wichtig es ist, trotz Rückschlägen an der eigenen Vision festzuhalten.]
## Unzählige Entwürfe fürs Drehbuch
Der Entstehungsprozess von „Hysteria“ war außergewöhnlich lang und
aufwendig. „Ich habe sieben Jahre an diesem Film gearbeitet“, berichtet
Büyükatalay. „Vom ersten Entwurf des Drehbuchs bis zur finalen Fassung sind
unzählige Revisionen und Anpassungen eingeflossen.“ Die Entwicklung eines
Films erfordert nicht nur künstlerische Ideen, sondern auch strategische
Planung, um die nötige Finanzierung zu sichern. In diesem Fall konnte
„Hysteria“ nur durch die Unterstützung von ZDF Das kleine Fernsehspiel, der
Film- und Medienstiftung NRW sowie HessenFilm realisiert werden.
Doch auch mit der Finanzierung war der Prozess keineswegs einfach.
„Fördergeld zu bekommen, ist immer schwierig, besonders wenn man eine
Geschichte erzählt, die sich nicht in klare Kategorien einordnen lässt“, so
Büyükatalay. Die Angst davor, bestimmte Themen aufzugreifen, zeigt sich
nicht nur in der Filmproduktion, sondern auch in der gesellschaftlichen
Debatte insgesamt. „Hysteria“ fordert das Publikum heraus, sich mit der
eigenen Wahrnehmung des „Anderen“ auseinanderzusetzen und dadurch zu einer
gesellschaftlichen Resozialisierung beizutragen.
Filme mit einer so langen Entstehungszeit bedeuten für die Filmemacher oft
eine enorme psychische und finanzielle Belastung. Büyükatalay spricht
davon, dass er oft an der Umsetzung gezweifelt habe: „Wenn man jahrelang an
einem Projekt arbeitet, verliert man irgendwann die objektive Sicht darauf.
Man fragt sich, ob es wirklich noch relevant ist oder ob man es nicht
einfach aufgeben sollte.“ Doch die Dringlichkeit der Thematik und die
Leidenschaft für das Erzählen ließen ihn weitermachen.
## Unbequeme Themen brauchen Zeit
Dass der Film schließlich auf die Berlinale eingeladen wurde, könnte auch
als Zeichen dafür gedeutet werden, dass das Festival seine Verantwortung
für kontroverse, aber notwendige Themen erkannt hat. Büyükatalay sagt dazu:
„Ein Film wie dieser ist unbequem, aber genau das ist es, was wir in der
aktuellen Zeit brauchen. Wenn wir nicht bereit sind, uns mit schwierigen
Themen auseinanderzusetzen, verlieren wir die Fähigkeit zur echten
Kommunikation.“
Solche Filme erfordern Mut und Geduld, sowohl in der Produktion als auch
bei der Festivalbewerbung. Gerade in der heutigen Zeit, in der sich
politische Debatten immer mehr zuspitzen, sind Filme wie dieser essenziell,
um neue Perspektiven aufzuzeigen und den gesellschaftlichen Diskurs
anzuregen.
„Hysteria“ ist somit nicht nur ein Film, sondern ein Kommentar zur
gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatte über Fremdheit, Angst und soziale
Wahrnehmung. Es ist ein Werk, das zeigt, wie viel Ausdauer,
Durchhaltevermögen und Überzeugung es braucht, um ein gesellschaftlich
relevantes Thema in der Filmwelt sichtbar zu machen. [3][Dass es am Ende
doch geklappt hat, ist ein Beweis für die Kraft des unabhängigen Kinos und
den Mut], wichtige Geschichten zu erzählen, auch wenn der Weg dorthin nicht
immer einfach ist.
Mitarbeit Sophia Stier
17 Feb 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Derya Türkmen
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