# taz.de -- Kampf gegen umweltschädliche Überdüngung: Union für Mist im Dü… | |
> Die Union will die Stoffstrombilanz für Landwirte kippen. Darin müssen | |
> viele Höfe die Nährstoffe errechnen, mit denen sie die Umwelt | |
> verschmutzen. | |
Bild: So düngen Bauern und entsorgen gleichzeitig Gülle | |
Berlin taz | CDU- und CSU-Landesminister wollen im Bundesrat verhindern, | |
dass Bauernhöfe weiterhin errechnen müssen, mit welchen Nährstoffmengen | |
etwa aus Gülle oder Mist sie die Umwelt belasten. Ihr Veto könnte dafür | |
sorgen, dass die Länderkammer am Freitag die vom Bundestag beschlossene | |
Reform des [1][Düngegesetzes] ablehnt. Dieses schreibt vielen | |
Agrarbetrieben vor, „Stoffstrombilanzen“ zu erstellen. Dann könnte die | |
Union im Vermittlungsausschuss aushandeln, die Bilanzpflicht zu streichen. | |
Das [2][fordert der Bauernverband]. | |
Dabei halten Experten wie der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube die | |
Stoffstrombilanz für nötig, um die Überdüngung zu reduzieren. Bisher würden | |
Landwirte im Schnitt trotz deutlicher Verbesserungen immer noch pro Jahr | |
und Hektar etwa 80 Kilogramm Stickstoff mehr ausbringen, als ihre Pflanzen | |
aufnehmen. Dieser Nährstoffüberschuss schadet Klima, Grundwasser und | |
Artenvielfalt. | |
Die EU-Kommission hat Deutschland mehrmals mit hohen Geldstrafen gedroht, | |
weil hierzulande zu viel der Stickstoffverbindung Nitrat aus der | |
Landwirtschaft in Gewässern landet. Taube schließt nicht aus, dass die | |
Kommission eine Ablehnung des Düngegesetzes im Bundesrat zum Anlass nehmen | |
könnte, das bisher ausgesetzte Klageverfahren gegen die Bundesrepublik | |
wieder zu aktivieren. Zudem drohe eine weiteres Verfahren wegen Verstoßes | |
gegen die Wasser-Rahmenrichtlinie, auch weil zu viel Phosphor unter anderem | |
aus Gülle in deutschen Seen und Flüssen zu finden ist. | |
Der Deutsche Bauernverband kritisiert aber, „der [3][enorme bürokratische | |
Aufwand] für die Stoffstrombilanz“ sei unverhältnismäßig. Auch | |
[4][Schleswig-Holsteins Agrarminister Werner Schwarz] beklagte „die | |
Doppelerfassung von Daten“. „Ich sehe hier eine gute Gelegenheit zu zeigen, | |
dass es uns mit dem Thema Bürokratieabbau wirklich ernst ist“, so der | |
CDU-Politiker. | |
## 123 Euro im Jahr pro Betrieb | |
Tatsächlich ist der Aufwand überschaubar. Als der Bundestag 2017 die | |
Verordnung zur Stoffstrombilanz diskutierte, schrieb der Nationale | |
Normenkontrollrat: „Für die Wirtschaft entsteht durch das Regelungsvorhaben | |
ein zusätzlicher jährlicher Aufwand von insgesamt 15,5 Mio. Euro“. Das sind | |
bei rund 162.000 betroffenen Betrieben im Schnitt nur 123 Euro. Dafür | |
müssten die Unternehmen [5][4,8 bis 5,3 Stunden] aufwenden – pro Jahr. | |
Worum geht es dem Bauernverband also in Wirklichkeit? „Der Bauernverband | |
will nicht, dass man künftig erkennen kann, wer das Problem der Überdüngung | |
verursacht“, sagt ein Insider aus dem Bundesrat der taz. Denn dann könnten | |
solche Betriebe bestraft werden, zum Beispiel durch Bußgelder. | |
Unter dieser Haltung leiden derzeit Agrarunternehmen, die nicht zu viel | |
düngen, aber in einem „Roten Gebiet“ mit zu hohen Nitratwerten im | |
Grundwasser liegen. Dort müssen alle – also sowohl die „schlechten“, als | |
auch die „guten“ – Höfe pauschal weniger düngen, um die Nitratemmission… | |
zu reduzieren. Das kann ihre Ernten schmälern, und Tierhalter können nicht | |
mehr so viel Gülle auf den Feldern als Dünger entsorgen. Könnten die | |
Behörden künftig anhand einer aussagekräftigen Nährstoffbilanz die „guten… | |
Betriebe identifizieren, könnten sie diese Höfe von den Auflagen in den | |
Roten Gebieten ausnehmen. | |
Dafür ist aber laut Umwelt- und Agrarministerium nötig, dass das | |
Düngegesetz den Bund ermächtigt, eine Verordnung für ein „Monitoring“ der | |
Nitratsituation zu erlassen. Damit könnten die Behörden etwa | |
Emissions-Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführen. So ein Monitoring | |
war eine Bedingung der EU-Kommission, weshalb sie das | |
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Verstoßes gegen die | |
[6][Nitratrichtlinie] einstellt hat. Erst wenn es das Monitoring gibt, | |
könnten die Ministerien nach eigenen Angaben mit Brüssel über Ausnahmen von | |
den Auflagen in den Roten Gebieten verhandeln. | |
## Nicht genug Ja-Stimmen im Bundesrat | |
Deshalb fordert auch die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft | |
bäuerliche Landwirtschaft (AbL) grünes Licht für das Düngegesetz. „[7][Aus | |
bäuerlicher Sicht] braucht es die Zustimmung der Düngegesetznovellierung, | |
um endlich von dem pauschalen System der Roten Gebiete wegzukommen“, sagt | |
AbL-Chef Martin Schulz, ein Schweinehalter aus Niedersachsen. Nur: Die AbL | |
ist eine kleine Minderheit in der Agrarbranche, die Mehrheit ist beim | |
Deutschen Bauernverband. | |
Bisher sind nicht genügend Ja-Stimmen im Bundesrat für das Düngegesetz in | |
Sicht. Deshalb bieten Umwelt- und Agrarministerium nun den Ländern sogar | |
an, die beim Bauernverband verhasste Stoffstrombilanzverordnung zum 27. | |
September aufzuheben, falls sie das Düngegesetz passieren lassen. Die | |
grünen Ministerien hoffen, dass sie dann nach den Landtagswahlkämpfen in | |
Sachsen, Thüringen und Brandenburg mit den Ländern eine bessere | |
Nährstoffbilanz aushandeln können. Ob dieser Plan aufgeht, ist völlig | |
offen. | |
4 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw23-de-duengegesetz-100… | |
[2] /Bauernverband-ueber-Agrarpaket-der-Ampel/!6016454 | |
[3] https://www.bauernverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/pressemitteil… | |
[4] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/… | |
[5] https://dserver.bundestag.de/btd/18/127/1812731.pdf | |
[6] https://www.bmuv.de/gesetz/richtlinie-91-676-ewg-zum-schutz-der-gewaesser-v… | |
[7] https://www.abl-ev.de/apendix/news/details/bundesrat-muss-der-duengegesetzn… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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beziehen. Die bestätigt das, stellt das Problem aber als nicht so groß dar. |