# taz.de -- Rechte in Europa: Orbán plant Rechtsaußen-Fraktion | |
> Mit der österreichischen FPÖ und der tschechischen ANO will Ungarns | |
> Premier das rechte Lager im EU-Parlament neu aufstellen. Noch fehlen | |
> Mitstreiter. | |
Bild: Stehen Sanktionen gegen Russland kritisch gegenüber: Babiš, Kickl und O… | |
WIEN taz | Es hatte sich schon abgezeichnet, als die österreichische FPÖ am | |
Sonntag in Wien kurzfristig zur Pressekonferenz mit internationalen Gästen | |
lud: Eine neue EU-Parlamentsfraktion soll entstehen. Gemeinsam mit dem | |
ungarischen Premier Viktor Orbán und dem tschechischen Oppositionsführer | |
Andrej Babiš verkündete FPÖ-Chef Herbert Kickl am Vormittag die neue | |
Allianz „Patrioten für Europa“. Dem Rechtsaußen-Bündnis sollen die | |
ungarische Fidesz, die tschechische ANO und eben die FPÖ angehören, die in | |
ihren Ländern jeweils als stärkste Parteien aus [1][der EU-Wahl] | |
hervorgingen. Von einem „historischen Tag“ sprach Kickl. | |
Für die Gründung einer neuen Fraktion gelten jedoch Hürden: Einerseits | |
braucht es mindestens 23 EU-Parlamentarier, auf die Fidesz (10), ANO (7) | |
und FPÖ (6) zusammen zwar exakt kommen. Es braucht aber auch Parteien aus | |
mindestens sieben EU-Ländern. Noch offen ist, welche anderen Parteien sich | |
dem neuen Bündnis anschließen. | |
Andreas Maurer, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck, | |
rechnet hier nicht mit Problemen: „Es gibt eine große Anzahl fraktionsloser | |
Abgeordneter im Parlament. Für ein neues Wahlbündnis reicht es aus, wenn | |
Mitgliedsparteien auch nur einen einzigen Abgeordneten zählen.“ Schon bald | |
wird es jedenfalls Klarheit geben, denn Anmeldeschluss für neue | |
Dachparteien ist der kommende Mittwoch, bevor sich am 16. Juli das neue | |
Europaparlament konstituiert. | |
Bei den inhaltlichen Eckpunkten gibt es keine Überraschungen: Die neue | |
reche Allianz will den europäischen Green Deal rückabwickeln. Die | |
Zuwanderung soll eingeschränkt, die EU-Außengrenzen sollen stärker | |
kontrolliert werden. Auch fordert das Bündnis weniger Zuständigkeiten für | |
Brüssel, dafür mehr Effizienz. | |
## Fidesz war zuletzt fraktionslos | |
Die tschechische ANO gilt als konservativ und wirtschaftsliberal, bisher | |
war sie bei den europäischen Liberalen („Renew Europe“). Orbáns Fidesz kam | |
vor zwei Jahren einem Ausschluss aus der Europäischen Volkspartei durch | |
eigenes Ausscheiden zuvor. Seitdem war die Fidesz im Straßburger Parlament | |
fraktionslos. | |
Alle drei Parteien stehen Sanktionen gegen Russland kritisch gegenüber und | |
fordern die Ukraine zu Friedensverhandlungen, wohl unter russischem Diktat, | |
auf. Tatsächlich war das Verhältnis zu Russland der größte Streitpunkt der | |
bisherigen EU-Rechtsblöcke. Die EKR-Fraktion, der zuletzt etwa die | |
italienischen Fratelli unter Giorgia Meloni und die polnische PiS | |
angehörten, gilt als russlandkritisch. Die ID-Fraktion hingegen, zu der das | |
Rassemblement National (RN) aus Frankreich, die rechtspopulistische FPÖ und | |
[2][die jüngst ausgeschlossene AfD] zählten, als überwiegend | |
Moskau-freundlich. | |
Paul Schmidt, Generalsekretär der österreichischen Gesellschaft für | |
Europapolitik, rechnet damit, dass sich auch die AfD der neuen Fraktion | |
anschließen wird. „Sie ist derzeit fraktionslos und sucht nach | |
Verbündeten“, so der Experte. In einer ersten Reaktion am Sonntag zeigte | |
sich ein Sprecher der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel denn gesprächsbereit | |
mit den „Patrioten für Europa“. | |
Für Marine Le Pens Rassemblement National dürfte das neue Bündnis hingegen | |
zu extrem sein, sagt Schmidt: „Le Pen muss sich als moderat präsentieren, | |
um die kommenden Wahlen zu gewinnen. Beim Thema Remigration etwa kann sie | |
wohl nicht mitgehen.“ | |
## „Akt der Verzweiflung“ | |
Unterschiede gibt es bei der Bewertung der neuen Allianz. Schmidt sieht | |
eine weitere „Fragmentierung“ der Rechtsparteien. Wojciech Przybylski vom | |
polnischen Politik-Thinktank Visegrad Insight attestiert hingegen einen | |
reinen PR-Stunt. Ihm zufolge werde die neue Allianz voraussichtlich nur | |
wenig Gewicht haben und als „Habsburger-Klub“ ein eher regionales Phänomen | |
bleiben. „Ihr Ziel ist es, die europäische Gesetzgebung zu unterminieren. | |
An wirklicher Zusammenarbeit sind sie weniger interessiert“, sagt | |
Przybylski. Im Falle Orbáns, der stark geschwächt aus der EU-Wahl ging, | |
handle es sich gar um einen „Akt der Verzweiflung“. | |
Politologe Maurer hingegen sieht keine Schwächung oder Fragmentierung der | |
europäischen Rechten. „Da gibt es weniger Unterschiede als oftmals | |
angenommen. In vielen wichtigen Fragen ist man sich einig.“ Maurer zufolge | |
könnten sich ID und EKR gar zu einer einzigen Partei zusammenschließen. Das | |
Streitthema Russland sei zwar groß, aber nicht unüberwindbar. | |
Die Ankündigung am Sonntag erfolgte just am Tag vor Beginn der ungarischen | |
EU-Ratspräsidentschaft, die das Land in der zweiten Jahreshälfte übernimmt. | |
Das ausgegebene Motto: „Make Europe Great Again“ (Macht Europa wieder | |
großartig) – angelehnt an das Wahlkampfmotto des früheren US-Präsidenten | |
Donald Trump. | |
Experte Schmidt sieht in den Zeitpunkt eine „bewusste Provokation“. Derzeit | |
sei Orbán in Europa ziemlich isoliert, daher werde er im kommenden Halbjahr | |
„gemäßigter auftreten und ein gewisses Maß an Pragmatismus zeigen müssen�… | |
Die restlichen EU-26 würden, so Schmidt, notfalls aber auch ohne Budapest | |
zu Einigungen finden. | |
30 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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