# taz.de -- Filmverleih Drop-Out Cinema: Filme, die durchs Raster fallen | |
> Der Filmverleih Drop-Out Cinema präsentiert linke, randständige Filme. | |
> Damit möchte der Gründer Jörg van Bebber zur politischen Arbeit aufrufen. | |
Bild: Der jüngste Kinostart von Drop-Out Cinema: „Die Q ist ein Tier“ von … | |
„James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“, [1][„Avatar: The Way of Water“] | |
und [2][„Barbie“] bilden so etwas wie die Crème de la Crème der | |
Blockbuster. Seit 2021 haben diese drei Filme an den deutschen Kinokassen | |
das meiste Geld eingespielt. Das Publikum hierzulande ist blockbusteraffin | |
und verfolgt die Abenteuer von Agent:innen und Minions. Von diesem | |
Mainstream könnte der Filmverleih Drop-Out Cinema nicht weiter entfernt | |
sein. Dafür ist er umso näher am politischen, anspruchsvollen und auch | |
unbequemen Kino. | |
Während im populären Kino noch immer die Superheld:innen über die | |
Leinwand fliegen, sucht man diese „Marvelisierung“, wie Tarantino sie einst | |
nannte, bei Drop-Out Cinema vergebens. Seit zehn Jahren zeigt der | |
Filmverleih, was anderswo kaum eine Bühne bekommt. Drop-Out Cinema | |
konzentriert sich auf linke und politische Themen, darunter Flucht und | |
Migration, Feminismus, Kapitalismuskritik, Klassen- und Arbeitskampf, | |
Postkolonialismus, Marxismus und Menschenrechte. Die Agenda liest sich | |
zwar etwas pauschal, und der Verleih kann auch unmöglich allen Themen | |
simultan gerecht werden. Dafür sind die Akzente umso stärker. | |
Neu im Programm: [3][„Ein Traum von Revolution“] und „Die Q ist ein Tier�… | |
Die Regisseurin Petra Hoffmann erzählt mit ihrem Dokumentarfilm „Ein Traum | |
von Revolution“, was nach der nicaraguanischen Revolution 1979 passierte | |
und welche Rolle Westdeutschland dabei spielte. Die Gesellschaftssatire | |
„Die Q ist ein Tier“ setzt sich kritisch mit der Massentierhaltung | |
auseinander, ohne die typischen Schockbilder aus Schlachthäusern zu zeigen. | |
„Wir sind ein Verleih für Filme, die durch das Raster fallen. Wir zeigen | |
randständige politische Filme, die bei Förderprogrammen keine Unterstützung | |
finden“, sagt Jörg van Bebber. Vor rund zehn Jahren hat der gebürtige | |
Ruhrgebietler Drop-Out Cinema ins Leben gerufen. Nun betreibt der | |
47-Jährige den Verleih von Mannheim aus und zeigt sein Programm in aktuell | |
rund 50 Städten. | |
Als Genossenschaft organisiert | |
Dabei ist der Verleih eine Genossenschaft wie die taz. „Wenn wir ein | |
gemeinnütziger Verein wären, könnten wir viele Förderprogramme nicht in | |
Anspruch nehmen, da diese nur für gewerbliche Unternehmen sind. Das | |
Profitinteresse ist also direkt in die Förderkultur eingeschrieben. Obwohl | |
ich ehrlich gesagt denke, dass die meisten Verleiher keinen großen Profit | |
damit machen“, so van Bebber. | |
Das Programm des Drop-Out Cinema ist zweigeteilt. Zum einen bietet es das | |
PolitKino an, in dem sich Filme wie das Kolonialdrama [4][„The | |
Nightingale“] oder die Anarchismusdoku „Projekt A“ finden. Dazu gibt es d… | |
Cinema Obscure, das unkonventionelle und alternative Filme vereint. Dort | |
sammeln sich surreale und blutige Filme wie [5][„Mandy“] und | |
„Megalomaniac“. | |
Für van Bebber sind auch radikale Filme, die Konventionen brechen, durchaus | |
politisch. Er sieht aber im PolitKino und Cinema Obscure eine Möglichkeit, | |
Leute miteinander ins Gespräch zu bringen: „Für mich ist Kulturarbeit auch | |
immer eine politische Aufgabe. Denn durch sie werden Gespräche gefördert, | |
und die Leute tauschen sich aus. Nicht alle können sich zu Hause | |
zurückziehen und dieselben Netflix-Serien schauen. Am Ende wissen sie ja | |
trotzdem nicht, was der andere schaut. Es findet eine Vereinzelung statt, | |
der Austausch fehlt. Und Kino ist die Möglichkeit, die Menschen in einen | |
Dialog zu bringen. Das hat letztens mit dem Film [6][„The Zone of | |
Interest“] gut geklappt. Über diesen Film finden jetzt viele Diskurse | |
statt.“ | |
Politische Filmarbeit | |
Unter dem Slogan „Gründet politische Filmclubs“ ruft Drop-Out Cinema auch | |
abseits des eigenen Programms zur politischen Filmarbeit auf. Der Verleih | |
möchte damit nicht nur zur Diskussion anregen, sondern hofft auf | |
eigenständige, linke Initiativen. Das Programm soll als Impuls dafür | |
dienen. Doch nicht jede Filmauswahl ist gelungen. Manche Filme bekommen | |
nicht die gewünschte Resonanz und werden von den Kinos gemieden. | |
„Einer der größten Fehlgriffe in den letzten Jahren war der Film ‚Eine | |
Revolution – Aufstand der Gelbwesten‘ “, so van Bebber. „Der Film sollte | |
eigentlich ein Verständnis für die Bewegung vermitteln und zeigen, wie sie | |
angefangen und sich organisiert hat. Aber die Leute schienen viele | |
Vorbehalte gegen die Gelbwesten gehabt zu haben. Es gab kaum | |
Kooperationspartner, die sich getraut haben, einen Film über die Gelbwesten | |
zu zeigen. Das war ein verbranntes Thema.“ Er hofft trotzdem noch darauf, | |
dass einige den Film für sich entdecken. | |
Obwohl die Filmindustrie durch und durch kapitalistisch ist, gibt es laut | |
van Bebber kaum Konkurrenz zwischen den Verleihen und Kinobetreiber:innen. | |
Zwar nehmen primär kleinere Programmkinos die Filme von Drop-Out Cinema | |
auf, die großen Kinoketten braucht es in seinen Augen aber doch: „Die | |
Relevanz des Kinos bindet sich auch daran, ob es noch eine Massenkultur | |
ist. Deswegen bin ich sehr froh, dass es die großen Multiplexkinos gibt. | |
Auch das Verhältnis zwischen den Kinos und Verleihen ist recht gut.“ | |
Aufrütteln und Fragen stellen | |
In den letzten Jahren ist dem Gründer des Verleihs besonders ein Film in | |
Erinnerung geblieben. „Animals – Wie wilde Tiere“, ein belgischer Film von | |
2021, der von einem Mord an einem Homosexuellen handelt. „Der Film wechselt | |
zwischen der Opfer- und der Täterperspektive, und gerade dieser Wechsel | |
geht sehr in die Magengrube. Aber der Film brennt sich ein“, meint er. | |
Und letztlich sollen die Filme von Drop-Out Cinema genau diesen Effekt | |
haben. Sie wollen aufrütteln, sichtbar machen, kritisieren und Fragen | |
stellen. Im besten Falle auch noch lange über den Abspann hinaus. | |
23 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Martin Seng | |
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