Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dokumentarfilm „Hao are You“: Portrait einer zerbrochenen Famil…
> Dieu Hao Dao aus Stadthagen, hat versucht, seine
> vietnamesisch-chinesische Familie zu versöhnen. Sein Film „Hao are You“
> dokumentiert sein Scheitern.
Bild: Auf dem Negativ sehen sie friedlich aus: Familienmitglieder von Dieu Hao …
Zerstrittene Familien – die gab und gibt es überall und immer schon. Nicht
umsonst also zählt der erste Satz aus Tolstois Roman „Anna Karenina“ zu den
bekanntesten Zitaten der Literaturgeschichte: „Alle glücklichen Familien
sind einander ähnlich, jede [1][unglückliche Familie] ist unglücklich auf
ihre Weise.“
Es gibt kaum ein anderes Thema, das so [2][universell und existenziell
ist]. Denn nur, wenn wir auf unsere Familien blicken, können wir sehen, wer
wir selbst sind. Um solch einen Blick geht es in dem Film „Hao Are You“ des
Filmemachers Dieu Hao Do, dem Kind von Chinesen, die in den 1970er-Jahren
zu den 1,5 Millionen Menschen gehörten, die als Boatpeople aus Vietnam
geflohen sind.
Dass er im niedersächsischen Stadthagen geboren wurde, ist so eher
zufällig. Denn wo ihre Fluchtwege endeten, konnten seine Eltern [3][während
des Kriegs] nicht selbst bestimmen. Seine Großfamilie lebt nun über drei
Kontinente verstreut: in Hongkong, in den USA und in Deutschland.
Einer seiner Onkel ist auch in Vietnam geblieben. Die sieben Geschwister
sind bitter zerstritten. Das hat nichts damit zu tun, dass sie so weit
voneinander entfernt leben. Zwei von Haos Tanten wohnen in Los Angeles,
aber sie haben seit sieben Jahren nicht mehr miteinander gesprochen.
Für Hao ist es ein Mysterium, warum seine Familie so zerbrochen ist. Und
mit seinem Film versucht er, Antworten zu finden. „Hao Are You“ beginnt als
ein Reisefilm, bei dem die Kamera ihn bei den Besuchen seiner vielen Onkel
und Tanten begleitet.
Dass da immer mit Florian Mag ein Kameramann dabei ist, wird nicht
thematisiert, und es gelingt diesem so intime Momente einzufangen, dass man
es auch schnell vergisst. Alle schimpfen aufeinander, und es wird viel
geweint, aber über eines sind sie sich einig: Schuld an allem ist der
Kommunismus. Die chinesische Minderheit in Vietnam war privilegiert: Die
Chinesen betrieben die meisten Läden in Südvietnam und deshalb waren sie
nach dem Ende des Krieges bei den siegreichen Vietkong auch besonders
verhasst.
Dieu Hao Dos Tanten und Onkel erzählen davon, wie das Geschäft und das Haus
der Familien enteignet wurden, wie einige von ihnen in Gefängnisse und
Umerziehungslager gesteckt wurden und wie es ihnen dann gelang, aus dem
Land zu fliehen.
Bei diesen zum Teil sehr lebendigen und erschütternden Schilderungen wird
deutlich, wie schwer das Trauma dieser Erfahrungen war, und dass diese
Menschen nach fast 50 Jahren immer noch darunter leiden.
Dieu Hao Do konzentriert sich in seinem Film auf diese Gespräche mit seinen
Familienmitgliedern. Diese subjektive Perspektive verlässt er nur kurz,
wenn er etwa zur historischen Einordnung Archivmaterial von der Besetzung
Saigons durch die Vietkong zeigt oder erzählt, dass seine Mutter von dem
deutschen Frachtschiff „Cap Anamur“ aus dem südchinesischen Meer
aufgenommen wurde: Sie war eine von 11.000 auf diese Weise Geretteten,
während über 250.000 andere Flüchtlinge damals ertranken.
## Es gibt keine einfachen Antworten
Aber eindrucksvoller als diese Zahlen ist es, wenn eine von Haos Tanten als
eine Art Lebensbilanz in die Kamera sagt, sie würde sich schämen, denn sie
sei „ungebildet“ und die Menschen würden sie nicht mögen.
Auch die anderen Geschwister scheinen kein geglücktes Leben geführt zu
haben. Indem er sie alle zu Wort kommen lässt, vermag Hao ein Porträt
seiner Familie zu zeichnen, das gerade lebendig und wahrhaftig wirkt: Er
zeigt, dass es keine einfachen Antworten und Lösungen gibt.
So unterläuft ihm dann auch einer der wenigen falschen Töne des Films, wenn
er im modisch progressiven Jargon seiner Generation von den „toxischen
Strukturen“ in seiner Familie spricht. Eine der Qualitäten seiner
Dokumentation ist ja gerade, dass er sie nicht aus der Perspektive des
Nachgeborenen bewertet, sondern zeigt, wie hilf- und ratlos er angesichts
seiner verwundeten Familie bis zum Schluss bleibt.
Denn im letzten Akt seines Films versucht er so etwas wie eine Versöhnung
zu initiieren. Dafür organisiert er ein Familientreffen in Vietnam, zu dem
immerhin drei Geschwister bei einem Dinner gemeinsam an einem Tisch sitzen.
Doch schon bald wird nur noch geschimpft und geschrien.
Dieu Hao Do hat so zwar ein großes Drama als Finale für seinen Film
bekommen, aber er wird diesen Abend selbst als den „Tiefpunkt seiner Reise“
bezeichnen, der den Film mit einer melancholischen Note enden lässt. Dieu
Hao Do resigniert und zeigt die sieben Geschwister wie gefangen, allein in
ihren Wohnungen, während er in den nächtlichen Straßen von Saigon aus
seinem eigenen Film hinausgeht.
19 Feb 2024
## LINKS
[1] /Verfahrensbeistaendin-ueber-Familienstreit/!5987871
[2] http://www.zeno.org/Literatur/M/Tolstoj,+Lev+Nikolaevi%C4%8D/Romane/Anna+Ka…
[3] /Nachruf-auf-Henry-Kissinger/!5977229
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Dokumentarfilm
Schwerpunkt Flucht
Niedersachsen
Boat People
Familie
Filmbranche
Film
Vietnam
Cap Anamur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Filmverleih Drop-Out Cinema: Filme, die durchs Raster fallen
Der Filmverleih Drop-Out Cinema präsentiert linke, randständige Filme.
Damit möchte der Gründer Jörg van Bebber zur politischen Arbeit aufrufen.
Film „The Last to Leave Are The Cranes“: Heimat ist ein Flickenteppich
In „The Last to Leave Are The Cranes“ schickt die Hamburgerin Emilie
Giradin eine junge Chilenin auf die Spuren ihrer Familiengeschichte nach
Polen.
Seenotretter über Kriminalisierung: „Solange ich noch stehen kann“
Stefan Schmidt rettete als Kapitän der „Cap Anamur“ Geflüchteten das Lebe…
Heute ist er Flüchtlingsbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein.
Nahestehende über rassistische Morde: „Zwei junge Männer voller Hoffnung“
Vor 40 Jahren wurden Nguyên Ngoc Châu und Đo Anh Lân in einem Hamburger
Flüchtlingsheim von Rechtsradikalen ermordet. Ihre Paten erinnern sich.
Kommentar Rupert Neudeck: Er fehlt
Fast 40 Jahre ist es her, dass Rupert Neudeck mit der Cap Anamur eine
beispielslose Rettungsaktion startete. Seine Nachahmer sind im Mittelmeer
aktiv.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.