# taz.de -- Rechtsextremismus in Deutschland: 17 Verfahren gegen BKA-Angestellte | |
> Vielerorts grölen Rechtsextreme ihre Version eines alten Party-Hits. | |
> Zugleich gingen am Samstag in mehreren Städten tausende Menschen gegen | |
> Rechts auf die Straße. | |
Bild: Wahre Worte inmitten einer Demonstration gegen Rechts | |
BERLIN/BÖRDELAND/PANTELITZ/HANNOVER/HALLE afp/dpa/epd | In den vergangenen | |
gut sechs Jahren hat es innerhalb des [1][Bundeskriminalamts (BKA)] | |
insgesamt 17 Verfahren im Zusammenhang mit Rechtsextremismus gegeben. Das | |
geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der | |
Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner hervor, die der | |
Nachrichtenagentur AFP am Samstag vorlag. Zuerst hatte darüber das Magazin | |
Spiegel berichtet. Die seit Juli 2018 eingeleiteten Verfahren richteten | |
sich gegen insgesamt 15 Mitarbeitende. | |
Konsequenzen gab es in demnach 13 Fällen. Drei Beamte wurden entlassen, | |
fünf Tarifbeschäftigte gekündigt, wobei eine Kündigung vom Arbeitsgericht | |
wieder aufgehoben wurde. In fünf Fällen wurden Disziplinarmaßnahmen | |
erlassen, den Mitarbeitenden wurden also zum Beispiel die Bezüge gekürzt | |
oder sie bekamen eine Geldbuße. | |
Zwei Verfahren wurden eingestellt, zwei weitere sind derzeit anhängig und | |
wegen laufender Strafverfahren noch nicht abgeschlossen. Die Hinweise, die | |
zu den Verfahren führten, kamen der Antwort zufolge von einer ehemaligen | |
Mitarbeiterin. | |
Renner sagte dem Spiegel dazu: „Auch wenn die Zahl von 17 förmlichen | |
Verfahren im Zusammenhang mit Rechtsextremismus im Bundeskriminalamt seit | |
2018 erst mal gering erscheint, muss klar sein, dass jeder einzelne Fall in | |
der zentralen Ermittlungsbehörde einer zu viel ist.“ | |
Die Innenpolitikerin fordert, dass jedem einzelnen Vorgang konsequent | |
nachgegangen werde. „Keine Schonung derjenigen, die mit sexistischen oder | |
antisemitischen Äußerungen auffallen und Wertschätzung derer, die diese | |
Vorgänge melden“, sagte Renner. | |
## Fußballspiel abgebrochen: Ermittlungen zu rechten Parolen | |
Weil rassistische Parolen skandiert worden sein sollen, ist ein | |
Kreisliga-Fußballspiel in Sachsen-Anhalt abgebrochen worden. Es sei | |
Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung gestellt worden, sagte | |
ein Polizeisprecher am frühen Samstagmorgen. Demnach hatte der | |
Schiedsrichter am Freitagabend die südlich von Magdeburg in | |
Bördeland-Eggersdorf ausgetragene Partie zwischen dem TSV Blau-Weiß | |
Eggersdorf und Union 1861 Schönebeck beim Stand von 7:0 für die Gastgeber | |
abgebrochen. | |
Nach Polizeiangaben soll aus einer kleinen Gruppe von ca. zehn Personen, | |
bestehend aus Heim-Fans, Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden, unter | |
„musikalischer Untermalung“ – gemeint ist die Melodie des alten Party-Hits | |
[2][„L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino] – die Parole gerufen worden | |
sein. Auch [3][in einem Lokal auf der Insel Sylt] hatten junge Menschen vor | |
Kurzem zu diesem Lied „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gegrölt | |
und damit deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. | |
Nach Angaben des Sprechers meldete die Spielleitung den Abbruch der | |
Polizei, woraufhin die Beamten die Ermittlungen, Identitäten aufnahmen und | |
Ermittlungsverfahren einleiteten. Der polizeiliche Staatsschutz übernimmt, | |
danach entscheidet die Staatsanwaltschaft, wie es weitergeht. | |
Weil das Lied zuletzt zunehmend für rassistische Parolen genutzt wurde, | |
wird es bei der Fußball-Heim-EM sowie auf Volksfesten wie dem Münchner | |
Oktoberfest und den Cannstatter Wasen nicht mehr gespielt. Die UEFA strich | |
das Lied in Absprache mit dem österreichischen Fußball-Bund, der den Hit | |
als sogenannten „celebration song“ vorgeschlagen hatte. | |
## Jugendliche sollen rechte Parolen auf Gartenparty gegrölt haben | |
Die Polizei hat Ermittlungen gegen jugendliche Gäste einer Geburtstagsfeier | |
in Mecklenburg-Vorpommern eingeleitet, die rassistische und | |
verfassungswidrige Parolen gerufen haben sollen. Mehrere von ihnen hätten | |
bei der Gartenparty in Pantelitz angeblich die [4][Parolen „Deutschland den | |
Deutschen, Ausländer raus“ zur Melodie von „L'amour toujours“] gesungen, | |
teilte die Polizei mit. Eine Person soll demnach „Sieg Heil“ und „Heil | |
Hitler“ gerufen haben. | |
Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des | |
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Beamten | |
nahmen die Personalien von 13 Partygästen im Alter von 15 bis 18 Jahren auf | |
und erstatteten Strafanzeige. | |
## Tausende Menschen bei Demo gegen Rechts in Berlin | |
Einen Tag vor der Europawahl haben laut Angaben der Polizei mehrere Tausend | |
Menschen in Berlin gegen Rechtsextremismus demonstriert. Einem Sprecher der | |
Polizei zufolge verlief die Demonstration am Samstagnachmittag zunächst | |
friedlich. Es gebe einen „starken Zustrom“ an Menschen. Auf den | |
Demo-Schildern waren unter anderem Sprüche wie „Herz statt Hetze“, | |
„Menschenrechte statt rechte Menschen“ oder „Vielfalt ohne Alternative“… | |
lesen. Angemeldet waren 10 000 Teilnehmer. | |
Unter dem Motto „Rechtsextremismus stoppen. Demokratie verteidigen“ hatte | |
ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in mehreren | |
deutschen Städten zu Demonstrationen aufgerufen, darunter in Hamburg, | |
München, Köln und Dresden. | |
Für die Demonstration in Berlin hatte das Bündnis unter anderem | |
[5][Matthias Ecke] als Redner angekündigt. Der sächsische | |
SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl war Anfang Mai beim Aufhängen von | |
Wahlplakaten [6][in Dresden zusammengeschlagen worden]. | |
## Bündnis gegen Rechts demonstriert in Hannover | |
Hunderte haben am Sonnabend in Hannovers Innenstadt gegen Rechtsextremismus | |
demonstriert. Bei der Kundgebung am Tag vor der Europawahl zählte die | |
Polizei nach Angaben der Initiatoren rund 1.300 Teilnehmer. Die Versammlung | |
richtete sich unter anderem gegen die AfD. Diese sei „eine Gefahr für unser | |
buntes und vielfältiges Zusammenleben“, teilten die Veranstalter mit. | |
Das Motto der Demonstration lautete „Europa steht auf dem Spiel. Es geht um | |
viel.“ Beim Umzug durch die niedersächsische Landeshauptstadt skandierten | |
die Demonstranten Parolen wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ und | |
„Alle Nazis raus“. Auf einem Transparent des Stadtverbands der Grünen war | |
zu lesen: „Menschenrechte statt rechte Menschen“. | |
Zu der Versammlung hatte das Ortsbündnis „bunt statt braun“ aufgerufen. Zu | |
den Unterstützern gehören unter anderem Gewerkschaften, Kirchen sowie die | |
Regionalverbände von Grünen, SPD und Linkspartei. Ziel der Demo war es laut | |
Aufruf, Erstwähler zu motivieren, am Sonntag „demokratische Parteien zu | |
wählen“. | |
## Morddrohungen gegen SPD-Politiker Karamba Diaby | |
Der hallesche [7][SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby] (SPD) hat | |
offenbar mehrere Morddrohungen gegen sich und seine Mitarbeiter erhalten. | |
Auf Instagram veröffentlichte der im Senegal geborene Politiker als | |
Beispiel ein entsprechendes Schreiben an ihn. Ein Sprecher der | |
Polizeiinspektion Halle sagte am Samstag auf Anfrage, eine entsprechende | |
Strafanzeige durch den SPD-Politiker sei Anfang der Woche eingegangen: „Die | |
Ermittlungen dazu laufen.“ | |
Der 62-jährige Diaby erklärte auf Instagram am Freitagnachmittag, er lasse | |
sich nicht einschüchtern: „Mit dieser letzten Drohung gegen mich ist eine | |
neue rote Linie überschritten.“ Deshalb habe er sich entschieden, „die | |
letzte der vielen Drohungen und rassistischen Hassnachrichten gegen mich zu | |
veröffentlichen“. Der promovierte Chemiker sitzt seit 2013 im Bundestag. | |
Ihm sei es wichtig, „den Hass und die Gewalt klar zu benennen“. Dieser Hass | |
gefährde den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. „Das dürfen wir nicht | |
einfach so hinnehmen“, schreibt Diaby. Betroffene von digitaler Gewalt rief | |
er dazu auf, sich Hilfe bei Beratungsstellen zu suchen. | |
Diaby ist seit Jahren Drohungen, mutmaßlich aus der rechtsextremen Szene, | |
ausgesetzt. Dazu gehörten unter anderem [8][ein Brandanschlag und der | |
Beschuss eines Wahlkreisbüros]. | |
8 Jun 2024 | |
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