| # taz.de -- (Ex-)Nazi arbeitet als Heilpädagoge: Vorstand in Zugzwang | |
| > Eine heilpädagogische Einrichtung beschäftigt einen Mann, der zumindest | |
| > früher zur rechtsextremen Szene Bremens gehörte. Heute distanziert er | |
| > sich. | |
| Bild: Kein naheliegender Arbeitsort für Rechtsextreme: heilpädagogische Kita | |
| Die Fakten sind eindeutig. A. war nicht nur lange Zeit in der | |
| rechtsextremen Szene aktiv. Er kannte auch den harten Kern der [1][Bremer | |
| Szene] zwischen Kameradschaft und Rechtsrock. Diverse Aufnahmen von | |
| verschiedenen Aktionen belegen diese Aktivitäten. Seit gut einem Jahr | |
| arbeitet er in einer heilpädagogischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung | |
| in Niedersachsen. | |
| „Wir haben diesen politischen Hintergrund nicht gekannt“, sagt Markus | |
| Schmidt vom Vorstand des Trägervereins der Einrichtung. „Wir haben gerade | |
| ein Transparent – ‚Kein Platz für [2][Rechtsextremismus]‘ – in unserem | |
| Gebäude aufgehängt“, ergänzt Klaus Hartwig, ebenfalls vom Vorstand, und | |
| betont: „In Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe darf eine solche | |
| Weltanschauung erst recht keinen Platz haben.“ | |
| Nur ein Bekenntnis ohne Konsequenzen? Denn A.s rechtsextreme Vergangenheit | |
| ist dem Vorstand seit rund acht Wochen bekannt. Dennoch ist er nach wie vor | |
| als Heilpädagoge in der Einrichtung beschäftigt. „Nach dem internen Hinweis | |
| haben wir die Vorhaltungen überprüft“, sagt Hartwig. | |
| In den sozialen Medien habe man Bilder gefunden. Die Polizei sei | |
| eingeschaltet worden. Die Bilder seien acht Jahre alt, sagt Hartwig. | |
| Jüngere Hinweise hätten sie nicht gefunden. Auch die Polizei habe keine | |
| aktuellen Aktivitäten festgestellt. „Sie haben die Vorhaltungen mehrere | |
| Tage lang überprüft“, sagt Schmidt. | |
| ## Kinder als Zielgruppe | |
| In den vergangenen Jahrzehnten drängten Rechtsextreme immer wieder in | |
| pädagogische Berufsfelder. Sie wollen Kinder und Jugendliche erziehen, | |
| anleiten und führen. Meist sind sie als Lehrer*innen oder | |
| Erzieher*innen in den Regeleinrichtungen tätig. | |
| Im [3][heilpädagogischen Bereich] sind Rechtsextreme bisher wenig | |
| aufgefallen. In einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, ebenfalls | |
| in Niedersachsen, outete sich eine Rechtsextreme unfreiwillig. Ihre | |
| Tätowierungen verrieten ihre Gesinnung. Das Arbeitsverhältnis wurde | |
| beendet. | |
| Die Vorstandsmitglieder haben auch das Gespräch mit A. gesucht. Der habe | |
| die Aktivitäten zugegeben, habe aber versichert, dass er aus der Szene raus | |
| sei. Das habe dem Vorstand nicht gereicht. „Hätten wir von den Aktivitäten | |
| gewusst, hätten wir ihn nicht eingestellt“, betont Schmidt. Doch jeder | |
| mache mal Fehler und auch A. habe eine zweite Chance verdient, erklärt | |
| Hartwig. | |
| Der Vorstand habe ihn aufgefordert, sich schriftlich mit seiner | |
| Vergangenheit auseinanderzusetzen, sagt er. „Wir wollten wissen, ob er | |
| heute nicht nur nicht mehr mitmacht, sondern auch anders denkt“, sagt | |
| Schmidt. Die erste schriftliche Darstellung habe ihnen nicht gereicht. „Die | |
| war uns zu oberflächlich.“ | |
| Bei einem zweiten Anlauf sei den Vorstandsmitgliedern die veränderte | |
| Weltsicht deutlicher geworden. In der Zwischenzeit hatten sie sich bereits | |
| über Kündigungsmöglichkeiten informiert. Der Betriebsrat war eingeschaltet. | |
| Nun sei A. bewusst versetzt worden. Er kümmere sich nicht mehr allein um | |
| die Bedürftigen, sagt Schmidt. | |
| Dass bisher nicht viele Rechtsextreme im heilpädagogischen Bereich | |
| aufgefallen sind, liegt auch daran, dass Menschen mit Behinderungen für sie | |
| nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehören. Die Unterscheidung zwischen | |
| „lebenswertem“ und „lebensunwertem“ Leben war dabei schon in den | |
| 1920er-Jahren nicht auf die rechtsextreme Bewegung beschränkt. | |
| Im Nationalsozialismus dann mündeten diese eugenischen Vorstellungen in | |
| „[4][Euthanasie]“- und Zwangssterilisationsmaßnahmen. Ärzte und | |
| Pfleger*innen töteten schätzungsweise 300.000 Menschen. Etwa 400.000 | |
| Menschen wurden zwangssterilisiert. | |
| * alle Namen im Text wurden geändert | |
| 16 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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