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# taz.de -- Kampf um „Blutmineralien“: Kongos lukrativer Zankapfel
> Die Minen von Rubaya in der DR Kongo sind eine wichtige Quelle der
> Erzmischung Coltan. Was geschieht, seit die M23-Rebellen die Kontrolle
> halten?
Bild: 2019 war Rubaya noch friedlich: Schürfer tragen Säcke voller coltanhalt…
Kampala taz | Rund um das staubige Fußballfeld lauschen Tausende Kongolesen
schweigend der Ansprache. „Wir garantieren euch Sicherheit“, verspricht der
uniformierte Rebellenoffizier. Per Lautsprecher dröhnt seine Botschaft
durch das Tal zwischen den grünen Bergen.
„Hattet ihr bislang hier Frieden, um eurer Arbeit nachzugehen?“, fragt der
Uniformierte in die Menge. „Nein!“, rufen die Leute im Sprechchor. „Wir
werden euch nun Frieden bringen!“, verspricht der Rebellenkommandant. Die
Leute jubeln.
Das Fußballfeld liegt in Rubaya hoch oben in den Masisi-Bergen im Osten der
Demokratischen Republik Kongo. Als die [1][Rebellen der M23 (Bewegung des
23. März)] am 30. April die Kleinstadt eroberten, war die Aufregung groß:
In den Hügeln rund um Rubaya liegen Kongos größte Vorkommen der
Tantalerzmischung [2][Coltan], unverzichtbar für die Herstellung von
Elektrogeräten vom Mobiltelefon bis zum Herzschrittmacher, weltweit begehrt
und seit Jahrzehnten ein zentraler Zankapfel in Ostkongos endlosen Kriegen.
Jetzt kontrollieren die M23-Rebellen diese kostbaren Mineralienstätten.
Wer die Zugangswege in [3][die Stollen von Rubaya] sichert, der hat die
Kontrolle über das Geld der ganzen Provinz Nord-Kivu. Von Rubaya aus werden
die schweren Säcke mit ausgesiebtem coltanhaltigem Geröll per Motorrad
durch die Hügel auf engen Trampelpfaden in Richtung der 60 Kilometer
entfernten Provinzhauptstadt Goma gebracht, wo sie für den Export über
Ruanda eingelagert werden.
Der Export von Coltan aus Goma, das direkt an der ruandischen Grenze liegt,
ist die wichtigste Einkommensquelle der Provinz Nord-Kivu. Die Minen von
Rubaya sind Arbeitgeber für über 50.000 Menschen und meist deren einzige
Einkommensmöglichkeit, da die Dauerkriege der vergangenen Jahrzehnte die
Landwirtschaft in den Ruin getrieben haben.
Seit die M23 Rubaya beherrscht, liegen die Minen still. Verschiedene
Quellen bestätigen der taz, dass viele Bergwerksstollen absichtlich zum
Einsturz gebracht wurden, bevor die Rebellen einrückten. Die Bergleute
wollten kein einziges wertvolles Steinchen den Rebellen überlassen, die vom
Nachbarland Ruanda unterstützt werden.
Was noch an Coltan durch die Kriegsfront nach Goma gelangt, stammt aus den
Depots. Doch auch diese Vorratslager werden leer. Bald kommt nichts mehr,
und die belagerte Millionenstadt Goma, in der sich Hunderttausende
Kriegsflüchtlinge drängeln, hat eine Einkommensquelle weniger.
Die Kontrolle über die Minen von Rubaya hat schon in der Vergangenheit
Konflikte angefacht. Bis Februar 2023 hielt die Firma [4][SMB (Société
Minière de Bisunzu)] des kongolesischen Geschäftsmannes und Politikers
Édouard Mwangachuchu die wichtigste Konzession in Rubaya. Die
einflussreiche Tutsi-Familie Mwangachuchu hatte sich in den Kriegen um die
Jahrtausendwende das Minengebiet angeeignet, Tutsi besitzen die umliegenden
Almen, Farmen und Viehherden.
## Der Tutsi-Geschäftsmann und die Hutu-Milizen
Bei Kongos ersten freien Wahlen nach Kriegsende wurde Mwangachuchu 2006
Senator in Kongos ferner Hauptstadt Kinshasa. Die Regierung erteilte seiner
Firma die wichtigste Abbaulizenz für Rubaya. SMB wollte nicht mehr nur
Schürfer arbeiten lassen, sondern Maschinen einsetzen und Mineralien nach
Asien exportieren, wo sie eingeschmolzen werden, bevor sie an die großen
Handyhersteller in den USA oder China gehen: lizensiert, nach globalen
Standards mit Herkunftsnachweisen.
Doch die Hügel in Rubaya waren zugleich Ackerland lokaler Hutu-Bauern. Als
diese erfuhren, was unter ihren Äckern an kostbaren Rohstoffen schlummert,
strömten junge Männer nach Rubaya. Aus dem verschlafenen Dorf wurde eine
Kleinstadt. Um sich von der Tutsi-Kontrolle zu lösen, gründeten sie die
Hutu-Miliz Nyatura (Harter Druck), bis heute eine der größten und
brutalsten bewaffneten Gruppen Ostkongos.
Die bewaffneten Milizionäre verwehrten den Ingenieuren und Baggerfahrern
von SMB den Zugang zu den Stollen. Mit Spitzhacken und Schaufeln gruben sie
stattdessen selbst Löcher in den Berg. Die Schürfer wurden in einer
Kooperative organisiert: Cooperama, geleitet vom Hutu-Poltitiker Robert
Seninga, zugleich Gründer der Nyatura-Miliz und später auch Abgeordneter im
Provinzparlament von Nord-Kivu.
2013 vermittelte Kongos Regierung [5][einen Kompromiss] zwischen dem Hutu
Seninga und dem Tutsi Mwangachuchu. Mwangachuchus Bergbaufirma SMB erlaubte
den bewaffneten Schürfern, in ihrem Gebiet zu graben. Cooperama
verpflichtete sich im Gegenzug, die ausgebuddelten Mineralien an SMB zu
verkaufen, um sie unter deren Lizenz offiziell zu exportieren.
Seitdem war die Konzession zweigeteilt: Auf einem Hügel gruben Bagger für
SMB die Erde um – auf den Hügeln daneben buddelten Abertausende Schürfer
Löcher in den Berg.
## Wie der Krieg neu ausbrach
Doch dann brach 2022 erneut Krieg aus. Die M23-Rebellen hatten erneut zu
den Waffen gegriffen und eroberten weite Landstriche. Als der Krieg die
Berge um Rubaya erreichte, suspendierte SMB die Bergbauarbeiten. Der Tutsi
Mwangachuchu wollte nicht in den Ruf geraten, mit den Tutsi-Rebellen
Geschäfte zu machen.
Ende Februar 2023 übernahm die M23 für wenige Tage die Kontrolle, bis es
der Armee mit Hilfe der Hutu-Milizionäre von Seninga gelang, sie wieder zu
vertreiben.
Wenige Tage darauf wurde SMB-Chef Mwangachuchu, mittlerweile 70 Jahre alt,
in Kinshasa verhaftet und wegen mutmaßlicher Zusammenarbeit mit den
M23-Rebellen vor ein Kriegsgericht gestellt. Im Oktober wurde er wegen
Landesverrat zum Tode verurteilt.
Bereits im Juli wurde seiner Firma SMB die Konzession entzogen und einem
neuen Investor übergeben: [6][Primera Mining] – ein Joint Venture zwischen
Kongos Regierung und einer Firma aus den Arabischen Emiraten. Dieses hat
Kongos maroder Armee Militärfahrzeuge, Waffen und Hubschrauber spendiert.
Im Gegenzug hat Kongos Regierung Primera zum strategischen Partner im
Bergbau erhoben. Primera-Firmen haben das Ankaufsrecht für von Hand
geschürfte Mineralien im Ostkongo erworben, auch für das Coltan von Rubaya
– potenziell ein Milliardengeschäft.
In der Realität hielten derweil Seninga und seine Hutu-Milizionäre die
Macht in Rubaya. Der Hutu-Milizenführer, mittlerweile zum Präsidenten des
Provinzparlaments von Nord-Kivu aufgestiegen, wurde in Kinshasa von
Präsident Felix Tshisekedi hofiert.
Kurz vor Kongos Wahlen im Dezember 2023 wurden seine Nyatura-Kämpfer
zusammen mit weiteren Milizen als Reservetruppe in die Armee integriert und
mit Waffen und Uniformen ausgestattet. Sie nennen sich nun [7][„Wazalendo“
(Patrioten)] und blasen zum Krieg gegen kongolesische Tutsi sowie gegen
Ruanda – mit offiziellem Segen.
Damit fiel auch das Coltan von Rubaya in die Hände der Wazalendo. Die
Milizionäre verlangten von den Schürfern täglich umgerechnet vier US-Dollar
Schutzgebühr. Damit erwirtschafte die Miliz bis zu 20.000 Dollar pro Monat,
so ein UN-Bericht von Januar 2024.
Die UN-Ermittler kamen zum Schluss, dass die Lage in Rubaya damit nicht
mehr mit den [8][internationalen Regelwerken zum geordneten
Mineralienexport] aus der DR Kongo vereinbar war.
## Nicht mit internationalen Regelwerken vereinbar
Dies hat auf dem Weltmarkt für Wirbel gesorgt. Internationale Firmen, die
Erze aus der DR Kongo verwenden, müssen in ihrer Lieferketten Programme zur
Einhaltung der Menschenrechte und zur Vermeidung der Finanzierung
bewaffneter Gruppen befolgen. In der Initiative [9][RMI (Responsible
Minerals Initiative)] organisieren sich die Firmen freiwillig, die
Initiative [10][ITSCI (International Tin Supply Chain Initiative)]
zertifiziert Mineralien aus Ostkongo mit Siegeln und überwacht, ob in den
Minen Milizen tätig sind oder Kinder in den Stollen arbeiten – so auch in
Rubaya.
Im Dezember 2023 erklärte ITSCI, das Programm in dieser Region sei „bis auf
Weiteres suspendiert“. RMI erklärte am 7. März 2024, es werde seine
Mitgliederfirmen „warnen“, dass aus Rubaya Mineralien in die Lieferketten
geraten könnten, „die nicht für den Handel infrage kommen“.
Trotzdem ließ der in Goma ansässige Militärgouverneur von Nord-Kivu,
General Peter Cirimwami, am 5. April 2024 den Abtransport der Erze aus
Rubaya wieder zu. Juristen im Auftrag von Kongos Regierung warnten zwar
kurz darauf den US-Elektronikhersteller Apple und dessen französische
Zulieferer, dass es „Bedenken“ gebe.
Der Konzern entgegnete jedoch, es gebe „keine Grundlage“ für die Annahme,
dass von Apple verarbeitete Mineralien „direkt oder indirekt bewaffnete
Gruppen im Kongo“ finanzieren.
## Schmuggel unter Armeeschutz nach Burundi
Hutu-Anführer Seninga jedenfalls war nun der unangefochtene Herrscher über
Rubaya. Im Januar 2024 reiste er mehrfach nach Burundi und fädelte einen
Deal mit der dortigen Hutu-geführten Regierung ein: Burundische Soldaten
helfen Kongos Armee gegen die M23, dafür werden sie mit Erzen bezahlt.
Seitdem transportierten Lastwagen aus Burundi Soldaten in Richtung der
Masisi-Berge. Auf dem Rückweg nach Burundi nahmen sie Säcke voller Coltan
aus Rubaya mit. Immer wieder bemühte sich die M23, dies zu unterbinden.
Mehrfach gerieten Lkws unter Beschuss, es gab viele tote burundische
Soldaten.
In einem unveröffentlichten Bericht, der der taz vorliegt, bestätigen die
UN-Ermittler, dass Coltan aus Rubaya auf dem Landweg nach Burundi
geschmuggelt worden ist – aber auch mit Booten über den Kivu-See nach
Ruanda. Die UN-Experten merken an, dass Ruanda im Jahr 2023 einen
„beispiellosen Anstieg der Coltan-Exporte verzeichnete“, um fast 50
Prozent.
Derzeit exportiert Ruanda offiziell mehr Coltan als die DR Kongo. Zu
Burundi gibt es keine Angaben.
## Was geschieht nun mit den Bergleuten?
Der Vorstoß der M23 nach Rubaya Ende April hat dieses für alle Seiten
einträgliche Geschäft offenbar gestoppt. Die M23 veröffentlichte einen
Beschluss, die allen politischen und militärischen Akteuren der
Rebellenbewegung verbietet, „in irgendeiner Weise in den Abbau oder
Vertrieb jeglicher Art von Mineralien in den befreiten Gebieten“ tätig zu
werden. Zudem sei „allen Minderjährigen der Zugang zu Minengebieten strikt
untersagt“.
Gegenüber der taz präzisiert M23-Präsident Bertrand Bisimwa: „Wir wollen
nicht in den Mineralienhandel hineingezogen werden. Wir kämpfen ja nicht um
Mineralien, sondern um unsere Bevölkerung zu schützen und die bewaffneten
Gruppen aus unseren Gebieten zu verjagen.“ Die Lage in Rubaya sei nun
„ruhig“, und „die Schürfer können in den Minen ihrer Arbeit nachgehen w…
zuvor.“
Lokale Politiker hingegen fordern Kongos Regierung auf, das Minengebiet
zurückzuerobern. „Wir sind ja bereits organisiert in den Wazalendo-Gruppen,
die der Armee unter die Arme greifen“, verspricht etwa der
Parlamentsabgeordnete Crispin Mitono und fordert die Bevölkerung von Rubaya
auf, sich nicht „den Terroristen der M23 anzuschließen.“
Doch viele Bergleute in Rubaya haben offensichtlich keine Wahl. Auf dem
Video vom Fußballplatz sieht man nach der Ansprache des
Rebellenkommandanten, wie junge Männer aus den Minen jubelnd auf Lastwagen
steigen, um ins Rebellen-Trainingslager abtransportiert zu werden.
Kongos Armee und die Wazalendo rüsten sich unterdessen, die Minen
zurückzuerobern. An mehreren Kriegsfronten wird derzeit heftig gekämpft.
17 Jun 2024
## LINKS
[1] /M23-Rebellenchef-ueber-Kongo/!5893776
[2] https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Tantal,…
[3] /Coltanabbau-im-Kongo/!5547168
[4] https://www.rcsglobal.com/due-diligence-documentation-societe-miniere-de-bi…
[5] https://provincenordkivu.cd/un-protocole-d-accord-de-collaboration-actualis…
[6] https://primeragroup.io/metals/mining/
[7] /Milizen-in-der-DR-Kongo/!5977887
[8] /Offener-Brief-von-70-Experten/!5033385
[9] https://www.responsiblemineralsinitiative.org/
[10] https://www.itsci.org/
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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