# taz.de -- Experte über Internet in Kongo: „Es hätte einen Blackout bedeut… | |
> Bisher war das Zentrum Afrikas fast ohne Internet. Experte Kyle Spencer | |
> erklärt, wie ein Kabel durch Kongo das ändern soll. | |
Bild: Damit die Onlineparty auch in Ruanda nicht endet, wird durch den Kongo ei… | |
taz: Herr Spencer, in den vergangenen Monaten ist das Internet in Ostafrika | |
mehrfach großflächig ausgefallen, mehr als 200 Millionen Menschen waren | |
plötzlich offline oder hatten nur limitierten Zugang. Woran liegt das? | |
Kyle Spencer: Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Ende Juni hat Kenias | |
Regierung das Internet auf dem Höhepunkt der Straßenproteste absichtlich | |
abgeschaltet. Das hatte viele Auswirkungen auf das innere Ostafrikas, denn | |
die ganze Region bezieht die Internetverbindung hauptsächlich über Kenia. | |
Als die Leitungen der Netzbetreiber an den Kabellandestationen unterbrochen | |
wurden, wurde deshalb ebenso die Hauptverbindung zum globalen Internet in | |
Uganda, Südsudan, Ruanda, Burundi und so weiter unterbrochen. | |
Für einige der Länder gibt es zwar eine alternative Route durch Tansania. | |
Aber die tansanische Regierung hat eine Art Monopol darauf. Die Ersatzroute | |
über Tansania nach Daressalam an die Küste zu verwenden, ist zudem teuer | |
und von schlechter Qualität. Deshalb nutzen die Netzbetreiber sie nicht | |
wirklich. Kenia ist sich bewusst, dass sein Vorgehen Auswirkungen auf ganz | |
Ostafrika hat und steht deshalb unter enormem Druck. | |
taz: Anfang Juni gab es in Ostafrika auch einen Internet-Blackout – wegen | |
eines technischen Fehlers. | |
Spencer: Die jüngsten Unterbrechungen der Seekabel waren interessant – und | |
in gewisser Weise auch eine Erfolgsgeschichte für die Widerstandsfähigkeit | |
des afrikanischen Internets. Die Seekabel wurden an insgesamt drei | |
verschiedenen Orten fast zeitgleich durchtrennt: einmal am Horn von Afrika | |
im Roten Meer, weiter unten in Ostafrika vor der Küste Mosambiks und einmal | |
vor der Elfenbeinküste in Westafrika. | |
Insgesamt waren die Unterbrechungen von einem weltweit nahezu beispiellosen | |
Ausmaß. Die einzigen bislang bekannten Kabelunterbrechungen dieser | |
Größenordnung wurden ausgelöst von Tsunamis, die große Gebiete lahmlegten. | |
Der Erfolg war nun: Trotz dieser gleichzeitigen Kabelunterbrechungen | |
blieben wir in Afrika online, wenn auch mit eingeschränkter Leistung. | |
taz: Was war denn genau geschehen, dass alles gleichzeitig ausfiel? | |
Spencer: Nach unserem Verständnis ist der Konflikt im Jemen dafür | |
verantwortlich, denn ein Schiff im Roten Meer wurde von den Houti-Rebellen | |
aus dem Jemen außer Gefecht gesetzt. Bei dem Angriff warf das Schiff den | |
Anker aus und zog ihn über zwei Kabel im Roten Meer, die dadurch | |
durchtrennt wurden. | |
Es verlaufen noch andere Kabel durch das Rote Meer, aber es waren | |
ausgerechnet zwei der Kabel, die für Ostafrika ziemlich wichtig sind. Aber | |
auch das wäre nicht so schlimm gewesen, wäre es nicht gleichzeitig vor der | |
Elfenbeinküste im Westen zu einem weiteren Kabelschnitt gekommen. Dort gab | |
es ein Erdbeben unter Wasser, ein dadurch ausgelöster Erdrutsch trennte | |
fünf Kabel gleichzeitig, die alle durch einen Strang laufen. | |
Zur selben Zeit wurde noch ein weiteres Kabel durchtrennt, das entlang der | |
Ostküste nach Südafrika führt, ungefähr auf der Höhe von Mosambik. Wenn es | |
nur ein Vorfall gewesen wäre, hätte man die Verbindung nach Europa | |
irgendwie umleiten können. Doch so war das schwierig. | |
Das [1][Problem im Roten Meer] ist, dass es eine militarisierte Zone ist, | |
die Kabelreparaturschiffe konnten nicht so leicht dorthin gelangen. Das | |
führte zu erheblichen Verzögerungen bei der Reparatur. Dennoch: Wir blieben | |
zu einem gewissen Grad online. Wenn das vor fünf Jahren passiert wäre, | |
hätten wir internettechnisch in Afrika einen totalen Blackout erlebt. | |
taz: Wäre das Risiko eines Blackouts geringer, wenn es mehr Kabel gäbe, die | |
den afrikanischen Kontinent mit dem Rest der Welt verbinden? | |
Spencer: Es gibt bereits andere Kabel, die dann genutzt wurden. Es dauerte | |
aber einige Zeit, bis die Netzbetreiber in der Region sie anders | |
konfiguriert hatten. Aber ja, mehr Kabel würden helfen – besonders Kabel, | |
die nicht entlang der Küste um Afrika herum führen, sondern durch Afrika | |
hindurch. | |
Wir haben demnächst eine Konferenz in Kinshasa, der Hauptstadt der | |
Demokratischen Republik Kongo: das African Peering and Interconnection | |
Forum (AfPIF). Diese Veranstaltung machen wir seit 12 Jahren jährlich. | |
Dieses Mal haben wir uns gezielt die Demokratische Republik Kongo als | |
Gastland ausgesucht, weil der Kongo jetzt entscheidend wird für die Zukunft | |
Afrikas. | |
taz: Ost- und Westafrika sind quasi durch den gewaltigen, | |
undurchdringlichen Dschungel in der DR Kongo voneinander getrennt. Ist das | |
der Grund dafür, dass die Kabel hauptsächlich im Meer um den Kontinent | |
herum verlaufen? | |
Spencer: Ja, aber das ändert sich gerade. Es werden nämlich derzeit | |
Glasfaserkabel verlegt, die sehr bald online gehen werden. Eines verläuft | |
von Kongos Hauptstadt Kinshasa im Westen Afrikas über Kananga im Süden des | |
Kongos weiter nach Goma im Osten des Kongos. Es geht jetzt gerade online. | |
Verlegt wird es von einer südafrikanischen Firma, aber die Finanzierung | |
kommt von großen Tech-Firmen wie Meta. | |
Meta hat bereits zuvor im Kongo in Internetinfrastruktur investiert, zum | |
Beispiel in die Verbindung zwischen der Hauptstadt Kinshasa mit dem | |
Atlantikkabel an der Küste. Mit dieser neuen Verbindung bekommt Meta ganz | |
neue Zugänge innerhalb des Kontinents. | |
taz: Was bedeutet das dann für die Nutzer konkret? | |
Spencer: Das bedeutet, dass man nun überall in Afrika jederzeit eine | |
Verbindung zum globalen Internet herstellen kann. Wenn noch einmal so etwas | |
passiert wie im Juni und Ostafrika teilweise offline ist, kann man [2][mit | |
diesem neuen transkontinentalen Kabel] hier in Uganda beispielsweise über | |
verschiedene Wege online gehen. Nicht nur über das Unterseekabel im | |
Indischen Ozean, sondern über Netzwerke, die durch die Demokratische | |
Republik Kongo laufen und über Kinshasa auf einige der Atlantikkabel | |
zugreifen können. | |
Eine alternative Route gäbe es auch von Ostafrika nach Südafrika hinunter, | |
über die südkongolesische Stadt Lubumbashi weiter nach Sambia und Simbabwe. | |
Von dort aus kann man auf die Kabel in Südafrika zugreifen. Dies wird die | |
Verbindung überall in Afrika zu vielen Internetseiten schneller machen, | |
denn heutzutage werden viele afrikanische Inhalte bereits in Südafrika | |
gehostet. | |
taz: Weite Teile des kongolesischen Regenwaldes hatten bisher gar kein | |
Internet. Werden durch die neuen Kabel mehr Menschen Internet erhalten? | |
Spencer: Ja, ich glaube, die 112 Millionen Menschen in der Demokratischen | |
Republik Kongo werden einen großen Vorteil von dieser neuen Verbindung | |
haben. Für manche in abgelegenen Gegenden wird es überhaupt der erste | |
Internetzugang oder die erste gute Verbindung sein, die stabil genug ist, | |
gewisse Dienste online abzuwickeln, [3][Geldüberweisungen zum Beispiel]. | |
Wenn man dieses Backbone im Dschungel hat, kann man auch überall | |
Mobilfunkmasten für mobile Daten errichten. Das wird meiner Meinung nach | |
einen großen Unterschied machen für das Leben der Menschen dort sowie für | |
die Gesamtwirtschaft im Kongo. | |
8 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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