Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bergbau im Kongo: Mineralienboom tief im Milizengebiet
> Keine festen Straßen, kein Strom, aber die Kleinstadt Rubaya blüht auf –
> dank der Mineralienexporte. Bergleute und Behörden hoffen auf
> internationale Anerkennung.
Bild: Eine Handvoll Glück: Coltan.
RUBAYA taz | Es gibt viele Möglichkeiten, sich im Kongo zu betrinken. Eine
sichere Methode ist, sich zum Mittagessen einen Viertelliter Whisky zu
bestellen, dazu eine Dose Red Bull und das im Verhältnis 1:1 zu mischen.
Danach sieht die Welt ganz anders aus für die staatlichen Angestellten in
Rubaya, einer Stadt mitten im kongolesischen Kriegsgebiet und mitten im
Wirtschaftsboom. Es ist Markttag, in der schummrigen Imbissbude stapeln
sich schon mittags Bierflaschen und abgenagte Hühnerschenkel. Draußen auf
der schmalen Hauptstraße hupen Motorräder und Kleinbusse um die Wette,
Menschenmassen stapfen zwischen Holzbuden durch knöcheltiefen Sand.
Noch vor wenigen Jahren gab es hier nur diese eine Straße, umgeben von
Ostkongos grünen Masisi-Bergen, wo Viehzüchter auf Großfarmen sich mit
Kleinbauern auf steilen Terrassenfeldern abwechseln. Heute wuchern rund um
Rubaya Lehmhäuser die Hügel hinauf, so weit das Auge reicht. Es entstehen
sogar mehrstöckige Gebäude: hier investieren Bewohner, bevor es eine
einzige feste Straße gibt.
Rubaya, schätzt Emile Funga Funga, lokaler Direktor der Kleinbergbaubehörde
Saesscam, ist in zwei Jahren von 25.000 auf 75.000 Einwohner gewachsen.
„Dazu kommen die Kriegsflüchtlinge aus dem Landesinneren“, sagt der
drahtige Mann und zeigt auf das andere Ufer des Osso-Flusses, wo sich
unzählige winzige Unterschlüpfe aus Zweigen und Plastikplanen
aneinanderreihen.
## „Grün“ und „konfliktfrei“
Der Grund für Rubayas Boom: Coltan, jene spezifisch kongolesische Mischung
der wertvollen Metalle Tantal und Niob, unverzichtbar für die
internationale Elektronikindustrie. Vor einigen Jahren sollte Rubaya zum
Vorbild dafür werden, dass „sauberer“ Mineralienexport aus Ostkongo, bei
dem keine Kriegsparteien Geld abschöpfen, möglich ist. Mit UN-Unterstützung
entstand ein „centre de négoce“, ein Handelszentrum. Die Idee: Bergleute
aus Minen, die von der Regionalorganisation ICGLR (Internationale Konferenz
der Region der Großen Seen) in Zusammenarbeit mit OECD- und UN-Programmen
als „grün“, also „konfliktfrei“, zertifiziert worden sind, tragen ihr
Produkt dorthin, es wird registriert und exportiert, ohne Warlords.
Mit der Aussicht auf einen legalen Bergbauboom strömten also Zehntausende
Bewohner der Gegend nach Rubaya. Die „grünen“ Minen liegen in grünen
Feldern: offene, in mühseliger und gefährlicher Kleinarbeit angelegte
Gruben mit abenteuerlichen Stollen und Höhlen, die nur über stundenlange
Fußmärsche zu erreichen sind und auch mal einstürzen, wenn es regnet.
Am 19. April 2013 wurde das Handelszentrum von Rubaya feierlich eröffnet.
Wenige Tage später wurde es wieder geschlossen. Warum, weiß keiner.
Aber die Bergleute waren nun einmal da. Knapp 34 Tonnen Coltan förderten
sie im Mai 2013, fast 38 Tonnen im Juni, mit steigender Tendenz, freut sich
Kontrolleur Norbert Bindu im Büro der Minenbehörde. Das Produkt geht an
chinesische Exporteure in Goma. Seit April wird aus Goma wieder Coltan
exportiert, nach vielen Monaten Pause.
## Warten auf Strom
Das Handelszentrum ist ein niedriger weißer Steinbau mit blauem Dach auf
einem Hügel, mit Vorhängeschloss verriegelt. In einer Holzhütte vor dem
Eingang hausen zwei Minenpolizisten. Einer, in olivgrüner Armeehose,
salutiert zackig und meldet: Keine besonderen Vorkommnisse – seit Monaten.
Drinnen, behauptet Kleinbergbaubehördenchef Funga Funga, befindet sich ein
Spektrometer – ein Gerät zur Messung des Mineraliengehalts der
Coltan-Erz-Mischung. Darauf setzt Funga Funga große Stücke. Wenn klar ist,
wie viel Tantal tatsächlich im Coltan ist, können bessere Preise gezahlt
werden. „Die Händler wissen dann, was ihre Ware wert ist, bevor sie sie
nach Goma bringen.“
Er warte bloß noch auf die staatliche Betriebsgenehmigung. Und auf Strom.
Besichtigen könne man das Gerät leider nicht, denn der Verwahrer des
Schlüssels sei nicht da.
So läuft alles nach dem bewährten System: Festpreise. In Rubaya zahlt der
Händler dem Schürfer 10 US-Dollar pro Kilo. In Goma, drei Stunden Autofahrt
über eine teilweise weggespülte Bergpiste entfernt, bekommt er dafür 20
Dollar. Alle sind zufrieden, alle sind in der Bergbaukooperative
„Coopérative des Exploitants Artisanaux Miniers de Masisi“ (Cooperama)
organisiert, die über die Einhaltung der Regeln wacht und Steuern abführt.
## Spitzenverdiener mit 10 Dollar
Und Rubaya lebt davon offensichtlich nicht schlecht. Rund 1.200 Bergleute
arbeiten in den Minen. Fördern sie mehr als 36 Tonnen im Monat, ergibt das
mindestens ein Kilo pro Schürfer pro Tag, also ein Brutto-Tageseinkommen
von 10 Dollar. Damit gehört man im Kongo zu den Spitzenverdienern.
Der Exportpreis für Kongos Coltan betrug im Juni rund 65 Dollar pro Kilo
bei 25 Prozent Tantalgehalt. Das Coltan von Rubaya hat einen geringeren
Gehalt und bringt 40 bis 50 Dollar, sagt Aimé, ein junger Mann im roten
T-Shirt vor einer Hütte mit hellgrauem Sand in der Hand. „Eine Probe“, sagt
er. Er gehört zu einer Gruppe von Händlern, die warten, bis die Schürfer so
weit sind.
Ein paar Ecken weiter stehen junge Männer knietief in einem kleinen Tümpel
unter Bäumen. Aus einer Quelle tröpfelt Frischwasser in ein offenes Rohr,
rund zwei Meter lang. Per Hand schieben die Männer so lange darin Matsch
hin und her, bis nur noch das ortsspezifisch helle Coltan übrigbleibt.
Eine Menge rotznasige Kleinkinder und gackernde Hühner gucken gespannt zu.
Zweimal die Woche kommen die Schürfer von den Bergen herunter und die
Händler aus Goma hinauf.
## Strenggenommen illegal
Das Coltan wird in Plastikschüsseln getrocknet, bis es auf Funga Fungas
Waage gewogen und registriert werden kann. „Es kann sein, dass sie mit 50
Kilo Sand kommen und dann nur 5 Kilo Erz übrigbleiben“, erklärt
Minenkontrolleur Bindu.
Eigentlich müsste Bindu die Schürfer registrieren und ihnen
Schürfgenehmigungen ausstellen, für 25 Dollar. Aber das hat er nur mit rund
150 gemacht, sagt er. Die anderen sind strenggenommen illegal. Aber was
heißt das schon in den Masisi-Bergen?
Die Region um Rubaya ist fest in der Hand der kongolesischen Hutu-Miliz
„Nyatura“. Hier leben fast nur Hutu. Fördert der Coltanexport aus Rubaya
also bewaffnete Gruppen? Nicht mehr und nicht weniger als jede ökonomische
Aktivität. Die Großgrundbesitzer ringsum sind Tutsi, aber sie haben sich
mit den Hutu-Kämpfern arrangiert, denen sie Steuern zahlen. Und manche sind
weit weg, so wie Kongos Polizeichef Charles Bisengimana, der in Kinshasa
arbeitet.
Es herrscht Frieden. Bewaffnete staatliche Sicherheitskräfte sind nicht zu
sehen. Lokaler Frieden im Ostkongo entsteht nun einmal oft gerade dadurch,
dass es kein staatliches Gewaltmonopol gibt und lokale Gruppen sich
untereinander verständigen.
Den internationalen Vorstellungen eines „konfliktfreien“ Bergbaus
entspricht das nicht. Aber auf Rubayas Markt sieht die Welt ganz anders
aus. Auch für Behördenchef Funga Funga. „Es gibt keine Bewaffneten in
unseren Minen, unsere Mineralien sind keine Blutmineralien“, sagt er. „Wir
halten die OECD-Regeln ein. Wenn jetzt bloß die internationalen Partner
bereit wären! Alles ist da. Wir warten.“
16 Jul 2013
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Kongo
Bergbau
Coltan
Burundi
EU
Kongo
Kongo
Kongo
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kampf um „Blutmineralien“: Kongos lukrativer Zankapfel
Die Minen von Rubaya in der DR Kongo sind eine wichtige Quelle der
Erzmischung Coltan. Was geschieht, seit die M23-Rebellen die Kontrolle
halten?
Kommentar Rohstoffe aus Kriegsgebieten: Die EU muss weiter denken
Es ist ja schön und gut, wenn der Abbau von Mineralien wie Tantal keine
bewaffneten Konflikte finanziert. Die optimale Lösung sieht aber anders
aus.
Begehrte Rohstoffe aus dem Kongo: „Gefährliche Kinderarbeit“
Die Gesetzgebung der USA gegen Konfliktrohstoffe ist kein Vorbild für
Europa, meint Andreas Manhart vom Öko-Institut. Damit würden Arbeitsplätze
vernichtet.
Wald im Kongo schrumpft langsamer: Kupfer und Kobalt statt Kakao
Die gute Nachricht ist, dass der Regenwald im Kongobecken langsamer
schrumpft. Die schlechte: das liegt an einem neuen Umweltskandal.
Mineralienschmuggel aus Ostkongo: Allianz der Erzfeinde
US-Regulierungen haben weder Schmuggel noch Konflikte um den
Mineralienhandel eingedämmt, sagen Experten. Alles soll weitergehen wie
bisher.
Bürgerwehr in Ostkongo: Totenschädel und Rebellion
Die Menschen im Osten Kongos sind die brutalen Überfälle der Hutu-Rebellen
leid: Sie verteidigen sich selbst. Eine neue Miliz entsteht.
Klimawandel in Afrika: Ein Ausweg aus dem Holzweg
Ruanda setzt auf Wiederaufforstung, Uganda auf sparsame Holzkohleöfen. Wie
Afrikas Ärmste den Waldschutz neu entdecken, um das Weltklima zu retten.
Schließung der Erzminen im Kongo: Ohne Arbeit kein Frieden
Lavahütten, Staub und Händler, die auf Kundschaft warten - das Marktviertel
Birere ist das kämpferische Herz von Goma. Doch seit Schließung der
Erzminen schlägt es nicht mehr.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.