# taz.de -- An der Front in der DR Kongo: Bevor die Rebellen kommen | |
> Im ostkongolesischen Butembo macht die „patriotische“ Jugend mobil. Die | |
> von Ruanda unterstützten M23-Rebellen sind nur noch 100 Kilometer | |
> entfernt. | |
Bild: Das Hotel „Believe“ wurde von Demonstranten verwüstet | |
Butembo taz | Als die kongolesischen Rebellen der [1][M23 (Bewegung des 23. | |
März)] Ende vergangener Woche die Stadt Kanyabayonga eroberten und in | |
bisher von ihrem Krieg unberührte Gebiete vorzustoßen begannen, ergriff | |
Panik die große Handelsstadt Butembo 150 Kilometer weiter nördlich. Zumeist | |
männliche, jugendliche und unkontrollierbare Demonstranten errichteten | |
Barrikaden auf den Hauptstraßen der Millionenstadt und begannen dann, | |
Häuser anzugreifen. | |
Auf den Straßen wurde Feuer gelegt, Barrikaden verhinderten jede Bewegung, | |
friedliche Mitbürger wurden gelyncht. Die Polizei spricht von zwei Toten. | |
Andere Quellen zählen mindestens fünf. | |
Die luxuriöse Glasfassade des [2][Believe Hotel] auf dem zentralen | |
Boulevard Président Joseph Kabila wurde mit Steinwürfen verwüstet. | |
„Ausgangspunkt war das Gericht, wonach General Chiko Chitambwe (Kommandant | |
der Armeeeinheiten, die Kanyabayonga an die M23 verloren hatten) sich in | |
dem Hotel verbarrikadiert habe“, berichtet ein Motorradfahrer, der an dem | |
Hotelerstürmung teilnahm. „Die Jungs wollten ihn zwingen, zurück an die | |
Front zu gehen und das Kommando wieder zu übernehmen.“ | |
Der Bürgermeister von Butembo erlaubte den Jugendlichen, dort nachzusehen. | |
Sie fanden keinen einzigen Militärangehörigen im Hotel vor, kein Gast hatte | |
irgendetwas mit der Armee oder mit den Rebellen zu tun. | |
## Eine aufsässige, unruhige Stadt | |
[3][Butembo], 350 Kilometer nördlich von Nord-Kivus Provinzhauptstadt | |
[4][Goma] gelegen, gilt seit den 1960er Jahren als aufsässige, unruhige | |
Stadt mit großem Selbstbewusstsein. Über die Großmärkte von Butembo läuft | |
ein guter Teil des ostkongolesischen Außenhandels Richtung Ostafrika und | |
Asien. 2021 gingen [5][Massenproteste] im Osten der Demokratischen Republik | |
gegen die Anwesenheit der als unnütz empfundenen UN-Mission Monusco von | |
Butembo aus; damals gab es Dutzende Tote. | |
„Wenn es Zusammenrottungen gibt, schließen sich immer als Erstes die | |
Motorradfahrer an“, analysiert der Soziologe Mumbere Kalingene. Motorräder | |
sind mangels eines geteerten Straßennetzes das Hauptverkehrsmittel für | |
Waren und Personen in Butembo und der gesamten Region. „Sie waren es auch, | |
die verlangten, dass die flüchtigen Soldaten zurück an die Front gezwungen | |
werden müssen. Damit fing am Wochenende alles an.“ | |
Giron Malule vom Komitee der Motorradfahrer der Stadt weist dies zurück. | |
„Wir haben damit nichts zu tun. Unbekannte und Herumlungernde haben diese | |
Unruhen provoziert. Ihr habt keine Ahnung, wie sehr das unsere Arbeit | |
stört. Wir sind die Verlierer, weil wir keine Kunden mehr haben.“ Butembo | |
zählt viele demobilisierte Angehörige lokaler Milizen sowie zahlreiche | |
Aktivisten, die zu von Politikern in Kongos ferner Hauptstadt Kinshasa | |
gesteuerten zivilgesellschaftlichen Gruppen gehören. | |
Aber das vergangene Wochenende ging über Straßenunruhen hinaus. So | |
[6][starben zwei kongolesische Mitarbeiter der britischen Hilfsorganisation | |
Tearfund], als ihr Konvoi bei der Rückkehr aus einem Ort 45 Kilometer | |
südlich von Butembo in der Nacht zu Montag am Ostrand der Stadt an einem | |
illegalen Checkpoint aufgehalten wurde. Fünf Fahrzeuge gingen in Flammen | |
auf. | |
In der Nacht zu Sonntag waren zwei Soldaten am Südrand von Butembo getötet | |
worden – die Täter hielten sie für eingedrungene Rebellen. Im Stadtviertel | |
Musimba wurde ein Jugendlicher getötet, der sich den „paramilitärischen | |
„patriotischen“ Wazalendo-Milizen widersetzt hatte, ein anderer auf der | |
Straße zum Flughafen erschossen. | |
„Die Wut ist legitim, aber sie muss kanalisiert werden“, meint der | |
einflussreiche evangelikale Prediger Léon Syahava. „Wir zerstören unsere | |
eigene Stadt bis hin zu unschuldigen Menschen.“ Mathe Saanane, Präsident | |
der organisierten Zivilgesellschaft von Butembo, verurteilt die Gewalt | |
ebenfalls: „Das spielt dem Feind in die Hände. Ich bin davon überzeugt, | |
dass diese Jungs manipuliert wurden.“ | |
## Bevölkerung bejubelt erstmal die M23-Rebellen | |
Derweil setzen sich die M23-Rebellen in den Großstädten Kanyabayonga, | |
Kayna, Kirumba und Kaseghe gut 100 Kilometer südlich von Butembo fest. | |
Überrascht verfolgen die Menschen in Butembo auf sozialen Medien Aufnahmen | |
von jubelnden Menschenmengen, die die Rebellen begrüßen. Diese versprechen | |
Frieden, Sicherheit und Bewegungsfreiheit ohne Angst Tag und Nacht. | |
„Das sind populistische Maßnahmen, die nicht von Dauer sein werden“, | |
analysiert der Oppositionsaktivist Julio Vulendi. „Aber man muss sehen, | |
dass diese Städte zuvor der Willkür der Armee ausgeliefert waren und manche | |
Soldaten die Zivilisten schlecht behandeln. Und es ist so, dass die | |
Rebellen jedes Mal, wenn sie eine Stadt erobern, als Erstes die | |
restriktiven Maßnahmen des geltenden Kriegsrechts abschaffen. Das freut die | |
Menschen, auch wenn man weiß, dass das nur von kurzer Dauer ist.“ | |
Die Menschen in den Kriegsgebieten vermissen auch, dass ihre gewählten | |
Politiker sich für sie einsetzen. „Als wir sie wählen sollten, kamen sie | |
her; jetzt, wo wir dem Feind ausgeliefert sind, verstecken sie sich mit | |
ihren Familien in Kinshasa und sagen nichts“, schimpft der in lokalen | |
Medien sehr präsente lokale Politiker Akayesu Baba. | |
Man fürchtet auch die ökonomischen Folgen des M23-Vormarsches. „Wenn es | |
ihnen gelingt, Butembo einzunehmen, gibt ihnen das einen enormen Zugriff | |
auf ökonomische Ressourcen“, glaubt der Politologe Augustin Muhesi und | |
verweist auf die Einnahmen der Rebellen am von ihnen kontrollierten | |
[7][Bunagana] an der ugandischen Grenze. | |
Derweil hat sich die Kriegsfront vorerst etwas beruhigt. Die M23 richtet | |
sich in ihren neu eroberten Orten ein, die Armee schickt auf Lastwagen | |
Militärverstärkung Richtung Süden, was von der Bevölkerung in Butembo mit | |
einer gewissen Teilnahmslosigkeit beobachtet wird. | |
„Alle hoffen, dass die Armee die Dinge wieder wendet, aber ohne daran zu | |
glauben“, fasst der Würdenträger Musokoli Jean Dedieu die Stimmung | |
zusammen. „In den früheren Kriegen wurde Butembo nie zum Schlachtfeld, | |
Hoffentlich bleibt uns das Schlimmste erspart.“ | |
2 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /M23-Rebellenchef-ueber-Kongo/!5893776 | |
[2] https://www.believehotel.org/ | |
[3] /Ebola-und-Nachwahlen-im-Kongo/!5581645 | |
[4] /Belagerte-Stadt-Goma-in-Kongo/!5992143 | |
[5] /Proteste-gegen-UN-Mission-Monusco/!5760747 | |
[6] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/le-coordonnateur-hum… | |
[7] /Krieg-im-Kongo/!5075169 | |
## AUTOREN | |
Leon Simba | |
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