# taz.de -- Waffenruhe in der DR Kongo: Eine Atempause im Krieg | |
> Kongo und Ruanda haben eine Waffenruhe vereinbart. Vorher erobern die | |
> M23-Rebellen noch schnell eine Handelsstadt. | |
Bild: M23-Rebellen in Nord-Kivu, Demokratische Republik Kongo | |
Kampala taz | Fast die ganze Bevölkerung der kleinen Grenzstadt | |
[1][Ishasha] im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist auf dem | |
zentralen Marktplatz zusammengekommen. „Wir haben euch befreit“, brüllt bei | |
der Versammlung am Sonntag ein uniformierter Rebellenkommandant der M23 | |
(Bewegung des 23. März) in die Menge. Die Kongolesen jubeln. | |
Im Hintergrund parkt ein vierrädriger Radpanzer der südafrikanischen Armee, | |
die Truppen in die Demokratische Republik Kongo entsandt hat, um der Armee | |
gegen die gut bewaffneten und trainierten M23-Rebellen zu helfen. Das teure | |
Gerät aus Südafrika ist nun in Rebellenhand. | |
Ohne einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben, eroberte die M23 am | |
Wochenende im Handstreich in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu die | |
strategisch wichtigen Orte Nyamilima, Giseguru und Nyamilima nördlich der | |
Stadt Rutshuru, die sie bereits seit zwei Jahren unter Kontrolle haben. Die | |
Orte liegen entlang einer wichtigen Handelsstraße, die von Rutshuru in | |
nordöstlicher Richtung weiter an die Grenze nach Uganda führt. | |
Diese Strecke wurde seit Jahrzehnten vornehmlich von den ruandischen | |
Hutu-Rebellen [2][FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)] | |
kontrolliert. Sie erwirtschaften dort große Summen, die sie als Wegezoll | |
den Lastwagenfahrern abknöpfen. Jetzt haben die von Ruanda unterstützten | |
und ausgestatteten Tutsi-Rebellen der M23 das Gebiet unter Kontrolle | |
bekommen. | |
„Unsere tapferen Kämpfer werden weiter nach Nyakakoma vorrücken, um 100 | |
Prozent des Bezirks Rutshuru einzunehmen“, verkünden die M23-Rebellen auf | |
der Onlineplattform X. Nyakakoma liegt am Edward-See, der Ostkongo von | |
Uganda trennt, ein wichtiger Umschlagplatz für Fisch und andere Waren | |
Richtung Uganda. | |
Der Eroberungsfeldzug geschah kurz bevor um Mitternacht in der Nacht von | |
Sonntag auf Montag eine für den Krieg im Osten der DR Kongo vereinbarte | |
Feuerpause in Kraft treten sollte. Vergangene Woche hatten sich Kongos und | |
Ruandas Außenminister in Angola getroffen – Angolas Präsident Joao Lourenco | |
vermittelt im Auftrag der Afrikanischen Union zwischen den | |
Konfliktparteien. | |
Die bei den Treffen zwischen den beiden Ländern unterzeichnete zweiwöchige | |
Feuerpause soll es ermöglichen, Hilfslieferungen in die umkämpften Gebiete | |
zu transportieren. Mit dem Einsetzen der Regenzeit in der Region ist es | |
zudem wichtig, dass die Bauern und Bäuerinnen im Ostkongo auf ihre Äcker | |
gehen können, um zu säen. Wenn dies nicht geschieht, wird die | |
Hungerkatastrophe im Kriegsgebiet immer schlimmer. | |
Mittlerweile sind über sieben Millionen Menschen innerhalb der DR Kongo | |
vertrieben, ein Großteil im Osten, und die Zahlen der Vertriebenen und | |
Unterernährten nehmen stetig zu. Die UN-Mission im Kongo (MONUSCO) hat den | |
Waffenstillstand deswegen sehr „begrüßt“. | |
Die M23-Rebellen jedoch haben angekündigt, dass die die Feuerpause nicht | |
notgedrungen einhalten werden – da sie nicht Teil des Abkommens zwischen | |
Ruanda und Kongos Regierungen seien. In einer offiizellen Erklärung | |
verlangen sie erneut direkte Verhandlungen mit Kongos Regierung. | |
Bei den M23-Rebellen handelt es sich um kongolesische Tutsi, die in den | |
vergangenen Jahrzehnten aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Die meisten | |
sind in Flüchtlingslagern in Ruanda aufgewachsen. Dass sie von Ruanda | |
militärisch unterstützt werden, um als Rebellenkämpfer ihre einstige Heimat | |
zurückzuerobern, verneinen sie, ebenso wie Ruandas Regierung. | |
Allerdings hat [3][der jüngste UN-Expertenbericht], der Anfang Juli dem | |
UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde, erneut Beweise veröffentlicht, wonach | |
bis zu 4000 ruandische Soldaten Seite an Seite mit den M23-Kämpfern in den | |
Kongo eingedrungen sind. | |
Kongos Armeesprecher verkündete am Freitag: „Was auch immer dieser Tage vor | |
Ort passiert, die Armee ist entschlossen, die Angreifer zu bekämpfen und | |
alle verlorenen Gebiete zurückzugewinnen“, so der Militärsprecher. „Wir | |
haben die Probleme identifiziert, die an der Armee nagten, und heute können | |
wir Ihnen mit Stolz sagen, dass die Armee entschlossen ist, die verlorenen | |
Gebiete zurückzugewinnen.“ | |
Aber als die M23 in Ishasha einrückte, flohen die dort stationierten | |
kongolesischen Sicherheitskräfte kurzerhand über die Grenze nach Uganda. | |
Kongos Armee muss sich neu sortieren. Armeekreisen erfuhr die taz in den | |
vergangenen Wochen, dass Munition knapp ist und die Kampfmoral gering, weil | |
der Sold für die Soldaten seit Monaten nicht ausbezahlt wurde. | |
Nach den jüngsten Verlusten zog die Armee vergangene Woche zahlreiche | |
Panzer und anderes schweres Gerät ab, die nun entlang der Frontlinie | |
verlaufen – offenbar um sie vor einem weitere Eroberunugsfeldzug in | |
Sicherheit zu bringen. | |
Unterdessen erhöht Kongos Regierung den politischen Druck gegen die M23. | |
Vergangene Woche begann in der Hauptstadt Kinshasa ein Prozess gegen 25 | |
hochgradige M23-Funktionäre und Kommandanten. In Abwesenheit werden diese | |
nun wegen Kriegsverbrechen, Landesverrat und Bildung einer bewaffneten | |
Rebellion angeklagt. Der Militärstaatsanwalt fordert die Todesstrafe. Diese | |
kann neuerdings bei Landesverrat wieder vollstreckt werden. | |
Kongos Präsident Felix Tshisekedi hält sich unterdessen in Belgien auf – | |
aus medizinischen Gründen. Es ist nun innerhalb kurzer Zeit das zweite Mal, | |
dass er in einer Klinik in Belgien behandelt wird, offenbar wegen | |
Prostata-Problemen. | |
6 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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