# taz.de -- „Putschversuch“ in der DR Kongo: Kalaschnikow im Livestream | |
> Eine seltsame bewaffnete Truppe stößt in Kinshasa bis zum Amtssitz des | |
> Präsidenten vor. Sie nennt sich „New Zaire“, ihr Chef lebte zuletzt in | |
> den USA. | |
KAMPALA taz | [1][Der Angriff] ereignete sich am Pfingstsonntag, | |
frühmorgens gegen vier Uhr. In Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen | |
Republik Kongo, war es noch stockdunkel, als sich ein Geländewagen und ein | |
Bus mit dem Logo der Stadtwerke der Residenz des Politikers [2][Vital | |
Kamerhe] näherte. | |
Knapp zwanzig schwer bewaffnete Männer in Flecktarnuniformen, bewaffnet mit | |
Maschinenpistolen und Drohne lieferten sich ein kurzes Feuergefecht mit den | |
Polizisten am Hoftor. Ein ähnliches Szenario passierte gleichzeitig vor den | |
Villen von Verteidigungsminister Jean-Pierre Bemba sowie der neuen | |
Premierminsterin Judith Suminwa. | |
Dann ging es weiter zum „Palast der Nation“, offizieller Wohn- und Amtssitz | |
des Präsidenten Felix Tshisekedi direkt am Kongo-Fluss und eines der | |
bestbewachten Gebäude des Landes. Videos, die die Angreifer selbst filmten | |
und per Livestream via Facebook ins Internet stellten, zeigen, wie die | |
Soldaten der Präsidentengarde im Zickzack davonlaufen. [3][Die Angreifer | |
filmen sich], wie sie vor dem Haupteingang herumstolzieren. Ihr Anführer, | |
Christian Malanga, prahlt in die Kamera, eine Kalaschnikow lässig um den | |
Hals. | |
Dann treffen Einheiten der Armee ein und beenden das Spektakel. Auf einem | |
weiteren Video sieht man später Malanga [4][tot im Gras], eine Kugel in der | |
Brust. Vier seiner Kameraden wurden bei den Gefechten getötet, 14 wurden | |
festgenommen. Sie alle trugen die grüne Flagge mit der Fackel in der Mitte: | |
die Nationalflagge von Zaire, wie die DR Kongo bis 1997 hieß, unter der | |
Herrschaft von Diktator Mobutu Sese Seko. „New Zaire“ nennt sich die | |
Gruppe. | |
## Anführer Christian Malanga lebte in den USA | |
Die Hintergründe erscheinen bizarr. Christian Malanga ist ein ehemaliger | |
Armeehauptmann. In den Kriegswirren der 1990er Jahre flüchtete er in die | |
USA, absolvierte ein Pilotentraining und öffnete dann einen Autohandel im | |
Bundesstaat Utah. Auf einem [5][Video aus seiner Villa in den USA] zeigt er | |
Pistolen, halb- und vollautomatische Waffen. [6][Laut seiner Internetseite] | |
ist Malanga Gründer und Vorsitzender der „Vereinten Kongolesischen Partei“ | |
(UCP), eine „Regierung im Exil“. | |
Auch in Afrika ist Malanga geschäftlich aktiv, darunter im Goldhandel. Im | |
April gründete er in Mosambik eine Goldfirma gemeinsam mit zwei | |
US-Geschäftspartnern, Benjamin Zalman-Polun und Cole Ducey, zwei junge | |
Männer, die bislang ihr Geschäft mit Cannabis und E-Zigaretten in | |
Kalifornien gemacht hatten. Über ihre Freundschaft mit Malanga verschlug es | |
sie offenbar nach Afrika. | |
Jetzt wurden sie von kongolesischen Soldaten barfuß aus dem Wasser gezerrt, | |
als sie sich nach dem Putschversuch in den Kongo-Fluss hinter dem | |
Präsidentenpalast retten wollten. [7][Auf einem Video] sieht man | |
Zalman-Polun, wie er die Soldaten um Gnade bittet, auf einem weiteren liegt | |
er offenbar in einer Gefängniszelle nackt auf dem Boden und wird gefoltert. | |
Unter den Verhafteten soll sich auch Malangas Sohn Marcel befinden, der in | |
den USA geboren und damit US-Bürger ist und in Salt Lake City aufwuchs. Er | |
trug eine schwarze Kampfuniform mit schusssicherer Weste und US-Flagge auf | |
der Brust. | |
Kongos Geheimdienste spinnen nun die absurdesten Geschichten: Malanga und | |
seine Gefährten seien CIA-Spione. Staatstreue Medien vermuten Ruanda hinter | |
dem Angriff. Auch russische Geheimdienste werden in Erwägung gezogen. | |
Wahrscheinlicher ist, dass der Angriff inszeniert wurde. Vital Kamerhe, | |
dessen Residenz zuerst angegriffen wurde, wird als nächster | |
Parlamentspräsident gehandelt, das wichtigste Amt in Kongos Staat nach | |
Präsident und Premierminister. Der enge Zirkel um Präsident Tshisekedi | |
sieht Kamerhe als Konkurrenz, weil er mächtige Netzwerke im Osten pflegt, | |
wo er herstammt, und in der Südregion Katanga, wo die meisten Minen liegen. | |
Der kuriose Pfingstangriff fällt mitten in die Zuspitzung der politischen | |
Rivalitäten in Kongos noch laufender Regierungsneubildung nach den Wahlen | |
von Ende 2023. | |
20 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=yi7LiIEbPGE | |
[2] https://x.com/VitalKamerhe1 | |
[3] https://x.com/VoiceOfCongo/status/1792098861806190930 | |
[4] https://x.com/KalonjiTV/status/1792113092010123352 | |
[5] https://x.com/wembi_steve/status/1792437223918288923 | |
[6] https://christianmalanga.com/?s=03 | |
[7] https://www.dailymail.co.uk/news/article-13436591/congo-cia-americans-coup-… | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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