| # taz.de -- Putschprozess in der DR Kongo: 37mal die Todesstrafe verhängt | |
| > Im Prozess um einen Putschversuch verurteilt ein Militärgericht 37 der 51 | |
| > Angeklagten zum Tode. Die Geschehnisse bleiben aber unaufgeklärt. | |
| Bild: Die Verhandlung am Militärtribunal Ndolo von Kinshasa | |
| Berlin taz | 37 Todesurteile unter anderem wegen „Putschversuch“, | |
| „Terrorismus“ und „krimineller Verschwörung“ – das ist das Ergebnis … | |
| der spektakulärsten Gerichtsprozesse der Demokratischen Republik Kongo, der | |
| am Freitagabend zu Ende ging. Mehr als die Hälfte der 51 Angeklagten wurden | |
| somit zur Höchststrafe verurteilt. Sechs von ihnen sind Ausländer – drei | |
| US-Amerikaner sind darunter, einer davon kongolesischstämmig, und auch ein | |
| Belgier, ein Brite und ein Kanadier, sämtlich eingebürgerte Kongolesen. | |
| Beim Prozess vor einem Militärgericht in Kongos Hauptstadt Kinshasa ging es | |
| um einen [1][mysteriösen Umsturzversuch in der Nacht zum Pfingstsonntag, | |
| den 19. Mai]. Bewaffnete hatten damals zunächst die Residenz des späteren | |
| Parlamentspräsidenten Vital Kamerhe angegriffen und sich Feuergefechte mit | |
| dem Wachpersonal geliefert. Ebenso attackierten sie die Villen der gerade | |
| neu ernannten Premierministerin Judith Suminwa und des scheidenden | |
| Verteidigungsministers Jean-Pierre Bemba. Dann besetzten sie den „Palast | |
| der Nation“, das Amtgebäude von Präsident Felix Tshisekedi, und filmten | |
| sich dabei, wie sie mit Sturmgewehren in der Eingangshalle posieren. | |
| Die uniformierten Angreifer riefen die Wiedergründung von „Zaire“ aus, wie | |
| sich die Demokratische Republik Kongo bis zum Sturz der Mobutu-Diktatur | |
| 1997 nannte. Nach wenigen Stunden war der Spuk aber schon wieder vorbei. | |
| Putschistenführer Christian Malanga, ein im US-Exil lebender Kongolese, | |
| wurde erschossen, ebenso einige Mitstreiter. Andere wurden beim | |
| Fluchtversuch am Ufer des Kongo-Flusses verhaftet, darunter mehrere Weiße. | |
| Vor Gericht kam nun Malangas Sohn Marcel Malanga, ein US-Staatsbürger, | |
| zusammen mit mehreren seiner Freunde. Dazu zahlreiche kongolesische | |
| Mittäter und mutmaßliche Mitverschwörer, bis hin zum bekannten | |
| kongolesischen Exilanten Jean-Jacques Wondo, der in Belgien lebt, die | |
| belgische Staatsbürgerschaft besitzt und als Militärexperte mit einer | |
| respektierten [2][Webseite zu Kongos Sicherheitsapparat] international | |
| gefragt ist. | |
| ## Sechs Angeklagte mit ausländischer Staatsbürgerschaft | |
| Wondo befindet sich nun unter den von dem Militärgericht unter Leitung von | |
| Major Freddy Ehume zum Tode Verurteilten, wie auch die anderen fünf | |
| Angeklagten mit ausländischer Staatsbürgerschaft. 13 Angeklagte wurden | |
| freigesprochen – Besitzer und Personal des Hotels „Chez Momo“, wo die | |
| Angreifer vor ihrer Aktion gewohnt hatten, und die Fahrer der Putschisten. | |
| Gegen einen hatte die Staatsanwaltschaft schon zuvor auf Freispruch wegen | |
| geistiger Unzulänglichkeit plädiert, ansonsten aber 50 Todesurteile | |
| verlangt. | |
| Die Militärrichter blieben also hinter dem Plädoyer des | |
| Militärstaatsanwalts zurück; dennoch ist dies das härteste Urteil in einem | |
| kongolesischen Gerichtsverfahren seit vielen Jahren. Zuletzt hatte am 8. | |
| August ein Militärtribunal in Kinshasa im Prozess gegen die Anführer der im | |
| Osten der DR Kongo kämpfenden Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) | |
| alle 26 Angeklagten zum Tode verurteilt. Das war aber ein symbolischer | |
| Prozess in Abwesenheit, es waren nur fünf Nebenangeklagte überhaupt | |
| anwesend. | |
| Der Putschprozess hingegen war ein öffentliches Mammutverfahren in einem | |
| Zelt auf dem Gelände des Militärgerichts von Ndolo im Zentrum von Kinshasa, | |
| das große mediale Aufmerksamkeit genoss. Vor Prozessauftakt am 7. Juni | |
| hatte Jean-Claude Katende, Vorsitzender der kongolesischen | |
| Menschenrechtsorganisation Asadho (Afrikanischer Verband der | |
| Menschenrechte), [3][scharfe Kritik geübt]: „Das Verfahren ist komplett | |
| intransparent geführt worden. Die Angeklagten wurden ohne anwaltlichen | |
| Beistand vernommen. Es ist, als ob alles getan wird, um sie schuldig zu | |
| befinden. Wir werden den Prozess beobachten, um zu sehen, ob er die | |
| Grundsätze eines modernen und gerechten Verfahrens einhält.“ | |
| Daran bestehen Zweifel. Es gab nur wenige Verhandlungstage und nach | |
| Auffassung von Beobachtern haben weder die Anklage noch die Aussagen der | |
| Beschuldigten dazu beigetragen, die Hintergründe des kuriosen | |
| „Putschversuchs“ aufzuklären. Immer noch bleibt unklar, ob es sich wirklich | |
| um einen Umsturzversuch oder um eine Inszenierung handelte. Die zehn | |
| Sturmgewehre, die zairische Flagge und die Uniformteile, die vor Gericht | |
| als Beweisstücke vorgelegt wurden, überzeugten jedenfalls kaum als Beweis | |
| für ein ernsthaftes Vorhaben, ebensowenig der getötete Anführer Christian | |
| Malanga, ein ehemaliger kongolesischer Armeehauptmann, der aus dem US-Exil | |
| in dubiose Geschäfte in verschiedenen afrikanischen Ländern verstrickt war. | |
| ## Todesurteil auch gegen Militärexperten aus Brüssel | |
| Besonders fragwürdig erscheint das Todesurteil gegen Jean-Jacques Wondo, | |
| von dem nicht klar ist, was er mit der ganzen Sache überhaupt zu tun gehabt | |
| haben soll. Die Anklage warf ihm vor, ein Auto zur Verfügung gestellt zu | |
| haben, um den Angriff auf die Residenz von Vital Kamerhe zu ermöglichen. | |
| Ein zum Beweis dafür geladener Zeuge sagte allerdings vor Gericht, er habe | |
| Wondo nie gesehen und das fragliche Auto auch nicht. Wichtigste | |
| Beweismittel gegen den Kongo-Belgier im Prozess waren ansonsten Fotos in | |
| seinen Büchern, die ihn in Uniform zeigen – kein Wunder, er war einmal | |
| selbst Armeeangehöriger und hat [4][Bücher über Kongos Militär] | |
| geschrieben. | |
| Sogar der zivile Vertreter des kongolesischen Staates als Nebenkläger kam | |
| vor Gericht, anders als der Militärstaatsanwalt, zum Schluss, es gebe | |
| keinen Beweis für eine Beteiligung Wondos am Putschversuch und man vertraue | |
| nun auf die „Weisheit des Gerichts“. Seine nach Kinshasa gereiste Ehefrau | |
| prangerte vor Gericht an, er habe in der Untersuchungshaft im | |
| Militärgefängnis von Ndolo 15 Kilo Körpergewicht verloren und medizinische | |
| Versorgung werde ihm vorenthalten. | |
| Wondos Verteidiger machten geltend, er sei zum Zeitpunkt des | |
| Putschversuches auf Einladung von Kongos Präsident Felix Tshisekedi – beide | |
| kennen sich gut aus gemeinsamen Zeiten im Brüsseler Exil – in Kinshasa | |
| gewesen, um als Experte bei geplanten Reformen des Geheimdienstes zu | |
| helfen. Er wurde zwei Tage nach dem Putschversuch vom Geheimdienst | |
| verhaftet und in Gewahrsam genommen. | |
| Von dieser Feststellung ist es nur ein Schritt zur vielfach in der DR Kongo | |
| hinter vorgehaltener Hand geäußerten Mutmaßung, der ganze Putschversuch sei | |
| von Tshisekedi-Gegnern in Militär und Geheimdienst selbst inszeniert worden | |
| – als Warnschuss, um den Präsidenten von weitergehenden Reformen des | |
| korrupten Sicherheitsapparats abzuhalten. Dafür gibt es allerdings auch | |
| keine Beweise. | |
| Was nun mit den Todeskandidaten geschieht, ist unklar. Die Todesstrafe wird | |
| in der DR Kongo seit Jahrzehnten nicht mehr vollstreckt, aber vor einem | |
| halben Jahr hatte die Regierung angekündigt, [5][dieses Moratorium | |
| aufzuheben]. Seitdem ist noch keine Hinrichtung erfolgt, aber es könnte nun | |
| ein Exempel statuiert werden. Die Verteidiger haben fünf Tage Zeit, um | |
| Revision einzulegen, und theoretisch können die Verurteilten vom | |
| Präsidenten begnadigt werden. | |
| 14 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Putschversuch-in-der-DR-Kongo/!6011294 | |
| [2] https://afridesk.org/ | |
| [3] https://x.com/JeanClaudekat2/status/1798731533127475308 | |
| [4] https://www.amazon.de/Arm%C3%A9es-Congo-Kinshasa-Radiioscopie-publique-Fren… | |
| [5] /DR-Kongo-will-wieder-hinrichten/!5996279 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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