# taz.de -- Repressionen in Hongkong: 14 Demokratieaktivisten „schuldig“ | |
> In Hongkongs größtem Politprozess seit Niederschlagung der | |
> Demokratiebewegung ist ein Urteil gefallen. Den Aktivisten drohen hohe | |
> Haftstrafen. | |
Bild: Mutmaßliche Sympathisanten der Demokratiebewegung warten am Donnerstag a… | |
BERLIN taz | Hongkongs Hohes Gericht hat am Donnerstagmorgen 14 Personen | |
wegen „Subversion“ für schuldig befunden. Es handelt sich um den bislang | |
größten Prozess gegen Demokratieaktivisten auf Basis des umstrittenen | |
nationalen Sicherheitsgesetzes. Zwei weitere Personen wurden | |
freigesprochen, das Justizministerium kündigte Berufung an, wie die | |
[1][Hong Kong Free Press] meldete. | |
Die insgesamt 16 Aktivisten gehören zu einer Gruppe von 47 Angeklagten, von | |
denen die meisten bereits [2][seit über drei Jahren in Haft] sitzen. Die | |
nun Verurteilten hatten im Unterschied zu den restlichen 31 auf „nicht | |
schuldig“ plädiert. Ihre Urteile werden demnächst erwartet. | |
Die Gerichtsverhandlungen dauerten vom Februar bis Dezember 2023. Strafmaße | |
wurden noch nicht verkündet, doch dürften sie von langjährige Haftstrafen | |
bis zu lebenslänglich reichen. | |
Vorgeworfen wird der auch als „Hongkong 47“ bezeichneten Gruppe die | |
Organisation einer informellen Vorwahl im Juli 2020 im Vorfeld der regulär | |
für das gleiche Jahr geplanten Wahlen für den Hongkonger Legistlativrat, | |
das Parlament der Stadt. | |
## Gericht: Informelle demokratische Vorwahl ist Subversion | |
Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong war bei ihrer Rückgabe an | |
China im Jahr 1997 von der Volksrepublik ein hohes Maß an Autonomie | |
zugesagt worden. Doch die schränkte Peking nach Meinung der Opposition | |
immer stärker ein. Eine in Aussicht gestellte Demokratisierung blieb aus. | |
Mehr als 600.000 Menschen beteiligten sich an den informellen Vorwahlen, | |
welche die beliebtesten Kandidaten der Demokratiebewegung identifizieren | |
und damit die Wahlchancen der Peking-kritischen Opposition erhöhen sollten. | |
Gleichzeitig sollte die Regierung zur weiteren Demokratisierung gedrängt | |
werden. | |
Den Angeklagten, die lediglich friedlich Widerstand gegen Pekings | |
zunehmende Einmischungen leisteten, warf das Gericht vor, Warnungen der | |
Hongkonger Regierung missachtet zu haben. Mit unlauteren Methoden sei | |
versucht worden, eine Mehrheit im Parlament zu erringen, um den Haushalt | |
der Regierung blockieren zu können und eine Verfassungskrise auszulösen. | |
Womöglich hätte die damalige Peking-hörige Hongkonger Regierungschefin | |
Carrie Lam dann zurücktreten müssen. | |
Das Gericht wertete die informellen Vorwahlen als „Verschwörung zur | |
Subversion“. Nur wenige Tage vor diesen war das harsche nationale | |
Sicherheitsgesetz inkraft getreten. Das Gesetz, das der Stadt zum 1. Juli | |
2020 von Peking zur Bekämpfung angeblicher subversiver, terroristischer | |
oder konspirativer Aktivitäten aufgedrückt wurde, sieht hohe Hafstrafen für | |
den Tatbestand vor. | |
## Human Rights Watch: „Missachtung von Rechtsstaatlichkeit“ | |
Verteidigung und Menschenrechtsgruppen werten die Argumentation des | |
Gerichts als undemokratisch. So erklärte Maya Wong von Human Rights Watch: | |
„Dass ein Hongkonger Gericht 14 Menschen für ihren friedlichen Aktivismus | |
schuldig spricht, zeigt die völlige Missachtung von demokratischen | |
politischen Prozessen und der Rechtsstaatlichkeit.“ | |
Mit Hilfe des Sicherheitsgesetzes wurden in Hongkong regierungskritische | |
Proteste verboten, oppositionelle Medien geschlossen. Zahlreiche | |
Demokratieaktivisten wurden nach und nach verhaftet oder ins Exil | |
getrieben. 2019 und in der ersten Jahreshälfte 2020 war es in Hongkong über | |
Monate zu Massenprotesten mit mehreren hunderttausend Teilnehmenden | |
gekommen. Grundlage war ein Gesetz gewesen, das Auslieferungen an Peking | |
ermöglichen sollte. Die Starrköpfigkeit der Regierung führte zu | |
gewalttätigen Unruhen. | |
Nach den Protesten wurden die regulären Wahlen zum Legistlativrat unter | |
Verweis auf die Corona-Pandemie verschoben. Seitdem dürfen bei Wahlen in | |
Hongkong [3][nur noch Peking-freundliche Politiker kandidieren]. Vertreter | |
der Demokratiebewegung sind ausgeschlossen. | |
Zu den Angeklagten und Verurteilten gehören Politiker, Ex-Parlamentarier, | |
Wissenschaftler und auch international bekannte Aktivisten wie | |
Studentenführer [4][Joshua Wong], Juraprofessor Benny Tai oder der | |
Ex-Abgeordete [5][Leung Kwok-hung]. | |
## Urteile dürften abschrecken | |
Der 118-tägige Prozess unter Vorsitz von drei durch Hongkongs Peking-naher | |
Regierung handverlesenen Richtern fand unter strengen | |
Sicherheitsvorkehrungen statt. Zahlreiche Diplomaten waren bei der | |
Urteilsverkündung zugegen. | |
Die Schuldsprüche erfolgten jetzt nur wenige Tage vor dem 35. Jahrestag des | |
Pekinger Tiananmen-Massakers und dürften eine starke abschreckende Wirkung | |
haben. An die blutige Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung | |
im Jahr 1989 wurde in Hongkong stets mit zehntausenden Teilnehmenden | |
öffentlich erinnert. Auch dies ist jetzt verboten. | |
Noch am Dienstag wurde in Hongkong ein Aktivist verhaftet, der in der | |
Vergangenheit an der Organisation von Mahnwachen für das Massaker beteiligt | |
war. | |
30 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://hongkongfp.com/2024/05/30/breaking-hong-kong-justice-dept-to-launch… | |
[2] /Opposition-in-Hongkong/!5742333 | |
[3] /Parlamentswahl-in-Hongkong/!5823040 | |
[4] /Repressives-Klima-in-Hongkong/!5775487 | |
[5] /Demokratiebewegung-in-Hongkong/!5148668 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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