# taz.de -- AfD an Berliner Schulen: Lektion in Menschenfeindlichkeit | |
> Zwei Wochen vor der Europawahl häufen sich die Auftritte der AfD an | |
> Berliner Schulen. Die müssen jedoch keine Rechtsextremen einladen. | |
Bild: Nicht nur an vielen Schulen ungern gesehen: die AfD | |
Berlin taz | Dass Schulen vor Wahlen Veranstaltungen mit Politikern | |
organisieren, ist gang und gäbe. Ob sie dafür jedoch auch die AfD einladen | |
sollten – oder gar müssen –, steht auf einem anderen Blatt. Was sich nach | |
der Beobachtung von Sanem Kleff, der Direktorin des Netzwerks „Schule ohne | |
Rassismus – Schule mit Courage“, mit dem Erstarken der rechtsextremen | |
Partei verändert hat: „Je wichtiger die Rolle der AfD in der Gesellschaft | |
wird, desto häufiger argumentieren Schulen, man könne die Partei nicht mehr | |
‚ausgrenzen‘, sondern müsse den Umgang mit ihr ‚normalisieren‘.“ | |
So war es wohl auch beim Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Pankow. Eine | |
Mutter beschwerte sich bei der taz, dass zu einer Podiumsdiskussion mit | |
Politikern anlässlich der Europawahl am 9. Juni auch die AfD eingeladen | |
wurde. Organisiert hatte die Diskussion der Politik-Leistungskurs der 11. | |
Jahrgangsstufe mit seiner Lehrerin, eingeladen waren die Schüler der | |
Klassen 10 bis 12. | |
Die Entscheidung, auch einen AfD-Politiker einzuladen, sei im Kurs | |
umstritten gewesen, einige hätten sich klar dagegen ausgesprochen, erfuhr | |
die taz auf der Veranstaltung am Dienstag. Letztlich sei aber eine Mehrheit | |
des Kurses dafür gewesen. In der Diskussion selbst blieben die Antworten | |
des AfD-Vertreters zu den meisten Fragen sehr knapp. | |
Der RBB, [1][der von der Veranstaltung aus Perspektive der | |
Erstwähler*innen berichtet], thematisiert die AfD-Beteiligung in seinem | |
Filmbeitrag nicht. Im [2][Online-Text wird der AfD-Kandidat Alexander Sell | |
mit nur einem Satz erwähnt.] Eine politische Einordnung des Büroleiters der | |
Berliner AfD-Chefin Kristin Brinker, der sich vor neun Monaten mit einer | |
unverhohlen rassistischen Rede für Listenplatz 15 qualifizierte, | |
unterbleibt. Damals schwadronierte Sell von einer „Masseneinwanderung nach | |
Europa“ durch „Barbaren“. Zur EU sagte er, es gehe darum, „möglichst v… | |
Geld aus den Brüsseler Schatztruhen in unsere eigenen Kanäle zu lenken“. | |
## Heftige Proteste | |
Nicht immer wollen Schulen solchen Leuten eine Bühne bieten. Vor der | |
Abgeordnetenhauswahl 2021 hatte der Schulleiter des Robert-Blum-Gymnasiums | |
in Schöneberg auch Parteienvertreter der AfD eingeladen. Es gab so heftige | |
Proteste von Eltern- und Schülerschaft, dass [3][die Veranstaltung abgesagt | |
wurde]. | |
Grundsätzlich, so Kleff, „ist es natürlich gut, wenn Schulen Vertreter von | |
Parteien oder Vereinen einladen und sich mit authentischen Stimmen der | |
außerschulischen Welt auseinandersetzen“. Begegnungen mit Politikern | |
müssten aber gut vorbereitet sein: „Oft finden Gespräche nur scheinbar auf | |
Augenhöhe statt, Politiker sind Kommunikationsprofis.“ Das gelte auch für | |
die AfD: „Die schicken natürlich eloquente, Sympathie heischende Menschen | |
an die Schulen.“ Ihnen Paroli zu bieten, sie gar argumentativ zu entlarven, | |
sei nicht einfach. | |
Diese Erfahrung hat auch der Sprecher des Landesschülerausschusses, Aimo | |
Görne, gemacht. Wenn Schulen die AfD einladen – was seltener passiere, wenn | |
die Veranstaltung von Schülern und nicht von Lehrern organisiert werde | |
–, funktioniere der Ansatz, die Partei zu entlarven „nur mäßig“, so Gö… | |
zur taz. Allerdings ist nach seiner Einschätzung auch das Maß der | |
Beeinflussung der Rechtsaußenvertreter auf Schüler nur „sehr begrenzt“. | |
Wenn AfDler in Schulen eingeladen werden, äußerten viele Schüler vor Ort | |
ihren Unmut durch Pfiffe, Zwischenrufe oder Transparente. | |
In jedem Fall müsste eine solche Entscheidung transparent und breit mit der | |
ganzen Schulgemeinschaft diskutiert werden – und nicht im kleinen Kreis der | |
Fachlehrer oder gar der Schulleitung, sagt Sanem Kleff, die früher selbst | |
Lehrerin in Berlin war. „Wenn die Menschen nicht einbezogen werden, kann so | |
eine Veranstaltung einen Riss durch die Schulgemeinschaft verursachen.“ | |
Aber sind Schulen nicht verpflichtet, aus Gründen der staatlichen | |
Neutralität Vertreter aller Parteien einzuladen, die im Bundestag vertreten | |
sind – also auch die AfD? Der Sprecher der Bildungsverwaltung antwortet | |
dazu auf Anfrage der taz ausweichend und verweist auf den [4][Beutelsbacher | |
Konsens.] Der verlangt für die politische Bildung die Prinzipien des | |
Indoktrinationsverbots, der Schülerorientierung und der Kontroversität. | |
## Die Schule entscheidet | |
Laut der Bildungsgewerkschaft GEW bedeutet das allerdings nicht, dass | |
Vertreter aller Parteien eingeladen werden müssen – es sei lediglich darauf | |
zu achten, dass Themen „ausgewogen“ diskutiert werden. „Wen eine Schule zu | |
einer Gesprächsrunde einlädt, ist ihre Entscheidung – und Frage des | |
pädagogisch-inhaltlichen Settings“, sagt auch Sanem Kleff. | |
Allerdings gehen die Parteien unterschiedlich damit um, wenn sie nicht | |
eingeladen werden. „Die Vertreter*innen der Alternative für Deutschland | |
(AfD) skandalisieren Veranstaltungen ohne ihre Teilnahme häufig als | |
Ausgrenzung und sprechen dann von Verstößen gegen das Neutralitätsgebot“, | |
heißt es in einer [5][Handreichung der GEW] für die Durchführung | |
politischer Veranstaltungen in Schulen. Bildungseinrichtungen sollten sich | |
davon aber nicht einschüchtern lassen, rät die Gewerkschaft. Zumal die AfD | |
mit der Androhung von Dienstaufsichtsbeschwerden bisher keinen Erfolg | |
hatte. | |
Aber sollten Schulen nicht trotzdem mit der AfD diskutieren – schon | |
deshalb, weil die Partei so viele Wähler hat? Nein, sagt Kleff. Viele | |
Positionen der AfD widersprechen der Leitidee des Netzwerks „Schule ohne | |
Rassismus“ – zu dem bundesweit über 4.000, in Berlin 148 Schulen gehören. | |
„Wir gehen von der Gleichwertigkeit aller Menschen aus, für die AfD sind | |
manche Menschen mehr wert als andere“, sagt Kleff. | |
Die Positionen der Partei etwa zum Umgang mit Geflüchteten oder | |
Bürgergeldempfängern seien bekannt: „Darüber müssen wir nicht diskutieren… | |
Zumal ja auch diejenigen Bevölkerungsgruppen an Schulen vertreten seien, | |
die von der AfD angegriffen werden. „Ihnen zu sagen, ihr müsst euch mit | |
deren Positionen auseinandersetzen, ist eine Zumutung. Das müssen Schulen | |
berücksichtigen.“ | |
Mitarbeit: Funmi Olanigan | |
22 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20240521_1930/europawahl-fuer-e… | |
[2] https://www.rbb24.de/politik/wahl/Europawahl/2024/berlin-kandidaten-treffen… | |
[3] /Podiumsdiskussionen-an-Berlins-Schulen/!5794018 | |
[4] https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51310/beutelsbacher-konsens/ | |
[5] https://www.gew-berlin.de/gesellschaftspolitik/aktiv-gegen-rechts/politisch… | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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