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# taz.de -- Politologe über die Neue Rechte: „Zurück ins Schubladendenken“
> Die Neue Rechte verkauft ihre Ideologie mit Verweis auf die „gute, alte
> Zeit“. Volker Weiß und Elke Gryglewski diskutieren, wie sich das kontern
> lässt.
Bild: Gute alte Zeit? Arbeiter nach dem Schichtwechsel beim Hüttenwerk Oberhau…
taz: Herr Meuser, manche sagen ja: Früher war alles besser. Warum gibt es
noch immer Menschen, die solchen Unsinn glauben?
Stephan Meuser: Wir leben in einer Zeit großer Unsicherheiten. Da finden
viele den Rückgriff auf einfache Erklärungen hilfreich. Und dazu muss man
gar nicht weit zurückgehen. Viele halten etwa die 1950er- oder 1980er-Jahre
für schöner als heute, weil alles übersichtlicher war. Es lässt sich ja
auch nicht bestreiten, „bunt“ war es wirklich nicht: Damals waren zwar alle
in Schubladen einsortiert, es gab aber auch keine heißen Kriege in Europa
und keine komplizierten gesellschaftspolitischen Debatten.
Das Gespräch über die Gefahren von „historischer Nostalgie“, das Volker
Weiß und Elke Gryglewski in Osnabrück führen, ist Teil Ihrer
[1][Veranstaltungsreihe „Geschichtspolitik und der Aufschwung der Neuen
Rechten“]. Was hat Sie bewogen, die Reihe aufzulegen?
Die Idee kam von der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten. Gemeinsam
zeigen wir, dass die neue Rechte versucht, sich die Diskurshoheit zu
sichern, indem sie Begriffe umdeutet. Wir treten den Rechten
bildungspolitisch entgegen.
Die [2][Anti-rechts-Demonstrationen] der letzten Monate ebben ab. Trägt
Ihre Reihe dazu bei, dass sich die Debatte dennoch verstetigt?
Das hoffen wir. Sie versucht, zivilgesellschaftlichen Akteuren vor Ort den
Rücken zu stärken. Deshalb findet sie nicht nur in Hannover statt, sondern
auch in anderen größeren Städten Niedersachsens.
Nur: Vermutlich sitzen ja größtenteils Menschen im Publikum, die ohnehin
immun gegen die rechte Rhetorik sind?
Auch wer schon vorher positiv demokratisch gesinnt ist, kann viel
dazulernen, etwa über die Angriffstechniken der Rechten, die heute ja viel
subtiler sind als früher. Von der Verschwörungserzählung reichen sie bis
zum Geschichtsrevisionismus, nicht zuletzt durch die Stichwortgeber des
[3][„Instituts für Staatspolitik“], das mit der [4][AfD] eng verbunden ist.
Und dann gibt es eben die, die behaupten, die Vergangenheit sei besser
gewesen als es die Gegenwart ist.
AfD-Einpeitscher Björn Höcke hat eine Erinnerungskultur propagiert, „die
uns vor allen Dingen und zu allererst mit den großartigen Leistungen der
Altvorderen in Berührung bringt“. Ist auch das Nostalgie?
Sicher. Aber in Osnabrück geht es eher darum, die vermeintlich „gute, alte
Zeit“ zu betrachten, Verweise auf die bessere Übersichtlichkeit der
Gesellschaft, den Begriff der „Volksgemeinschaft“. Das greift bis in die
Kaiserzeit zurück, an die die [5][Reichsbürger-Gruppe um Heinrich Prinz
Reuß] andockt.
Der Abend fragt nach geschichtspolitischen Alternativen. Welche könnten das
sein?
Wir sollten nicht immer nur auf 1933 schauen, sondern bis zur Aufklärung
zurück, bis 1700. Dann sehen wir, wie weit wir gedanklich schon waren, und
auch, wenn wir an 1789 und 1848 denken. Damit lässt sich das vermeintlich
„gute Alte“ der Rechten gut kontern.
Der Verfassungschutzbericht des niedersächsischen Innenministeriums sagt,
der Rechtsextremismus sei „weiterhin die größte Bedrohung für unsere
Gesellschaft“. Haben Sie die Hoffnung, dass das dort irgendwann nicht mehr
stehen könnte, auch durch Veranstaltungen wie die Ihren?
Nicht auf kurze Sicht. Aber politische Bildung kann viel bewirken, auch in
der Herausbildung von Meinungsführerschaften. Es geht darum, dass wir
demokratischen Kräfte uns die Diskurshoheit zurückholen. Die haben wir
nämlich teilweise verloren. Nicht in Niedersachsen, aber weiter östlich. Da
gibt es Gebiete, da müsste man für eine Veranstaltung wie die unsere
Polizeischutz anfordern.
14 May 2024
## LINKS
[1] https://www.fes.de/oas/portal/pls/portal/filefunctions.download/PLAKON/VERA…
[2] /Schwerpunkt-Demos-gegen-rechts/!t5338539
[3] /Institut-fuer-Staatspolitik-aufgeloest/!6007332
[4] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296
[5] /Reichsbuerger-Putsch/!6004794
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Osnabrück
Friedrich-Ebert-Stiftung
Neue Rechte
Politische Bildung
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Junge Alternative (AfD)
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Götz Kubitschek
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