| # taz.de -- Diskussionsreihe in Frankfurt a.M.: Rechte Sprache gegen rechts | |
| > Eine Veranstaltungsreihe voll Provokationen, um Rechte zurückzugewinnen: | |
| > Kann das gut gehen? Das Haus am Dom in Frankfurt a. M. will das | |
| > ausprobieren. | |
| Bild: Ziel der Veranstaltungsreihe sei, solche Leute „zurückzuholen“, die … | |
| Frankfurt am Main taz | Mitten in Frankfurt, an einem der zentralsten | |
| Bildungs- und Veranstaltungsorte der Stadt, hieß es zuletzt plötzlich: | |
| „Wohlstandsverlust – Deutschlands Abstieg“, „Von Nazikeulen und Cancel | |
| Culture“ oder: „Migration – der große Austausch?“. All das sind Titel … | |
| Veranstaltungsreihe „Jenseits der Political Correctness“ des Frankfurter | |
| Hauses am Dom. | |
| Eigentlich ist man vom Haus am Dom, das vom Bistum Limburg getragen wird, | |
| solche rechten bis rechtsextremen Töne nicht gewohnt, die auch im | |
| Ankündigungstext der Veranstaltungsreihe beibehalten werden: Deutschland | |
| scheine sich immer mehr zu polarisieren, selbst im Bekanntenkreis könne man | |
| heikle politische Themen oft nicht mehr ansprechen. Die Angst, „gecancelt“ | |
| zu werden oder private Beziehungen zu riskieren, sei groß. Deshalb wolle | |
| man im Haus am Dom über Themen, die als besonders kontrovers gelten, | |
| diskutieren. | |
| Welche Referent*innen teilnehmen, erfährt man aus dem Text nicht, und | |
| auch insgesamt spart das Haus an Dom mit Informationen zur Veranstaltung. | |
| Doch die Zielgruppe scheint klar: Neue Rechte. Warum initiiert eine | |
| Einrichtung des Bistums Limburg, die erst kürzlich zu Demonstrationen gegen | |
| rechts aufgerufen hat, eine solche Veranstaltungsreihe? | |
| „Eine bewusste Provokation“, sagt Daniela Kalscheuer, Referentin für | |
| Interkulturelles und Zeitgeschichte an der Katholischen Akademie, auf | |
| Anfrage. Die Katholische Akademie habe bewusst solche „Triggerwörter“ | |
| eingebaut, um Menschen zu erreichen, die überlegen, [1][die AfD zu wählen]. | |
| Zielgruppe seien außerdem jene, die in ihrem Umfeld mit Thesen der Neuen | |
| Rechten konfrontiert sind und „um des Friedens willen inzwischen die | |
| Diskussion ebenfalls scheuen“. | |
| ## Nichtöffentliche Runde | |
| So kommen seit Anfang des Jahres alle paar Wochen jeweils etwa 15 Personen, | |
| die meisten über 60 Jahre alt, in nichtöffentlicher Runde in einem | |
| Seminarraum zusammen, jeweils zu einem anderen polarisierenden Thema. Etwas | |
| überraschend für die Teilnehmenden wird die Veranstaltung spätestens dann, | |
| wenn sie merken, dass es sich dabei eigentlich um ein Seminar und nicht um | |
| eine echte Diskussion handelt. | |
| Mit vorbereiteten Gegenreden, etwa von Johannes Lorenz, dem | |
| Weltanschauungsbeauftragten des Bistums Limburg, wolle man in den | |
| zweistündigen Diskussionen diejenigen Teilnehmenden „zurückholen“, die si… | |
| „nicht gehört fühlen und sich daher in ihre eigene Bubble zurückgezogen“ | |
| hätten, erläutert Kalscheuer. Man wolle versuchen, sie in den | |
| demokratischen Diskurs einzubinden und „hierbei zu gemeinsamen Kompromissen | |
| zu finden oder auch zu akzeptieren, dass man eben keinen Kompromiss finden | |
| kann“, so Kalscheuer. | |
| „Es wäre schön, wenn alle Katholiken antirassistisch wären, aber das ist | |
| nicht der Fall“, sagt Kalscheuer. Auch wenn sich die katholische Kirche von | |
| der AfD distanziere, sei sie nicht frei davon. „Öffentlich möchten wir | |
| Thesen der Neuen Rechten kein Podium bieten, aber diese Thesen kursieren, | |
| und hier möchten wir mit Menschen, die diesen nahestehen, ins Gespräch | |
| kommen.“ | |
| Ob man die Menschen so wirklich „zurückholen“ könne, wisse man noch nicht. | |
| „Es ist an sich schon ein Erfolg, wenn das Gespräch überhaupt zustande | |
| kommt“, sagt Kalscheuer. So habe man sich bei der letzten Veranstaltung im | |
| April darauf einigen können, dass Deutschland Migration brauche. | |
| ## Teilnehmerin zeigt sich skeptisch | |
| Eine Teilnehmerin, die anonym bleiben möchte, bezweifelt diesen Erfolg: | |
| Diese Menschen könne man in so kurzer Zeit nicht zurückholen, denn „die | |
| spinnen zum Teil“, sagt sie. Sie habe zufällig von der Veranstaltung | |
| erfahren und sie besucht, um zu sehen, was genau da „mitten in der Stadt“ | |
| passiere. Was genau der Zweck sei, habe sie immer noch nicht verstanden. | |
| Schon in den ersten Minuten der Veranstaltung habe sie sich gewundert, als | |
| sie mit Grafiken von Julian Reichelts rechter Medienplattform „Nuis“ zum | |
| Thema Meinungsfreiheit in Deutschland begrüßt wurde, berichtet die | |
| Teilnehmerin. | |
| „Es hat mich betroffen gemacht zu sehen, welche Leute diese Veranstaltung | |
| zusammenbringt“, sagt sie der taz. Einige Anwesende seien „[2][Schwurbler] | |
| oder Rassisten“ gewesen, denen Fakten egal seien. So hätten beispielsweise | |
| einige Leute behauptet, Ausländer liefen mit Messern herum. Auch seien | |
| Verschwörungstheorien gegen eine vermeintliche „Lügenpresse“ geäußert | |
| worden. „Mit Nazis redet man nicht“, so die Teilnehmerin. | |
| Ein anderer Teilnehmer äußert sich im Gespräch mit der taz positiver: „Sich | |
| von Leuten, die kommen, weil sie was loswerden und nichts dazulernen | |
| wollen, nicht entmutigen zu lassen – das war tapfer“, sagt er. Die | |
| Bemühungen von Lorenz habe er bewundert. | |
| Wie sinnvoll ist also ein solches Konzept? „Für Leute, die einfach | |
| enttäuscht oder frustriert sind, die das eine oder andere Vorurteil haben, | |
| kann so eine Veranstaltung Sinn machen“, sagt Benjamin Winkler, Referent | |
| für politische Bildung bei der [3][Amadeu Antonio Stiftung], der taz. | |
| Auch er weist aber auf Rechte hin, die nicht lernbereit sind: „Wenn so eine | |
| Veranstaltungsreihe von Leuten besucht wird, die eine feste Weltanschauung | |
| haben oder einer bestimmten Szene angehören, dann kommen sie in der Regel | |
| nicht dorthin, um ihren Horizont zu erweitern.“ | |
| Diese Menschen kämen dann viel eher, „um Propaganda zu machen und | |
| vielleicht Menschen, die noch nicht ganz so entschlossen sind, auch noch | |
| auf die eigene Seite zu ziehen“, warnt Winkler. „Da ist weder pädagogisch | |
| etwas gewonnen und im schlimmsten Fall ist es sogar gefährlich für die | |
| Leute, die noch eine gewisse Offenheit mitbringen.“ | |
| Er habe oft erlebt, dass solche Rechten eine dominante Präsenz haben, | |
| berichtet der Diplom-Soziologe und Jurist. Das schüchtere dann andere ein, | |
| ihre Meinung zu sagen. Wenn solche Leute anwesend seien, sei „die ganze | |
| Veranstaltung eigentlich unsinnig“. Er würde dringend davon abraten, das zu | |
| machen. 2015 etwa habe die sächsische Landeszentrale für politische Bildung | |
| Pegida zu einer offenen Diskussion eingeladen. „Das hat dann auch dazu | |
| geführt, dass sie dort rassistische Aussagen getätigt haben, die für andere | |
| Teilnehmende verletzend waren“, sagt Winkler. | |
| Die Reihe „Jenseits der Political Correctness“ wird am 15. Mai mit der | |
| Veranstaltung „Der Untergang des Abendlandes? Gehört der Islam zu | |
| Deutschland?“ im Frankfurter Haus am Dom fortgeführt. Die Veranstaltung | |
| findet im Rahmen der „Woche der Meinungsfreiheit 2024“ des Börsenvereins | |
| des Deutschen Buchhandels statt. Die Karten, so heißt es, seien höchst | |
| begehrt. | |
| 14 May 2024 | |
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| [3] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Yağmur Ekim Çay | |
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| Götz Kubitschek | |
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