| # taz.de -- Freie Sachsen vor der Kommunalwahl: Träume von der blau-grünen We… | |
| > Ihr Wahlkampf ist derb: Bei der Kommunalwahl in Sachsen treten auch die | |
| > rechtsextremen Freien Sachsen an – und könnten der AfD Mehrheiten | |
| > verschaffen. | |
| Bild: Immer wieder Aufrufe zu rechten Protesten: Die Freien Sachsen bei einer D… | |
| Berlin taz | Am Mittwoch standen Christian Fischer und Lutz Giesen wieder | |
| auf dem Marktplatz von Leisnig. Auf einem Foto lächeln sie in die Kamera, | |
| vor sich ein Tisch mit dem grünen Banner der [1][Freien Sachsen], mit | |
| Flyern und Pumpkaffee. Seit Wochen bauen sie dort mittwochs ihren Tisch | |
| auf. Dazu hat die rechtsextreme Kleinstpartei die Stadt mit Plakaten | |
| überzogen, verteilt Flugblätter in Briefkästen, fährt mit Lautsprecherwagen | |
| durch den Ort, bespielt sämtliche Social Media Kanäle. Auch ein Kinderfest | |
| planten die Rechtsextremen am vergangenen Samstag auf dem Marktplatz, nur | |
| das angekündigte Unwetter machte das zunichte. | |
| Es ist die Suche nach größtmöglicher Aufmerksamkeit, wenige Tage vor der | |
| [2][sächsischen Kommunalwahl am Sonntag]. Man wolle „die da oben aus den | |
| Parlamenten jagen“, rief Fischer zuletzt auf einer Kundgebung. Seine Partei | |
| werde „Politik endlich wieder für Deutsche machen“. In Leisnig, einem | |
| 6.500-Einwohnenden-Stadt bei Döbeln, treten Fischers „Freien Sachsen“ mit | |
| fünf Kandidaten an, in Fraktionsstärke will der 41-jährige Schlosser in den | |
| Stadtrat einziehen -und dort keine Statistenrolle. „Wir wollen | |
| mitbestimmen.“ | |
| Es sind vollmundige Töne, welche die Freien Sachsen derzeit nicht nur in | |
| Leisnig spucken, sondern sachsenweit. Von einer „weiß-grünen Welle“ tönt | |
| die rechtsextreme Kleinstpartei, von einem „Sturm auf die Rathäuser“. Das | |
| wird so nicht kommen, die Konkurrenz der AfD ist groß. Aber tatsächlich | |
| treten die Freien Sachsen erstmals in allen Landkreisen zur Kreistagswahl | |
| an, mit immerhin 493 Kandidierenden, dazu kommen weitere Kandidaten in 36 | |
| Stadtratswahlen. Und die Partei könnte danach eine entscheidende Rolle | |
| spielen: als Mehrheitsbeschafferin der AfD. | |
| ## Sammelbecken für Rechtsextreme aller Couleur | |
| Erst drei Jahre sind die Freien Sachsen alt, [3][2021 gegründet von dem | |
| Rechtsextremisten und Anwalt Martin Kohlmann], der schon die rassistischen | |
| [4][Aufmärsche in Chemnitz 2018 befeuerte]. Seitdem mobilisiert die Partei | |
| sachsenweit zu rechten Protesten, wo immer sich Gelegenheiten bieten: erst | |
| gegen die Corona-Maßnahmen, dann bei den Bauern, nun wieder gegen | |
| Geflüchtete. Frühere NPD-Aktivisten tummeln sich bei den Freien Sachsen, | |
| Kameradschaftler, Coronaleugner, Reichsbürger, auch [5][ein verurteilter | |
| Rechtsterrorist der „Gruppe Freital“]. Oder Leute wie Christian Fischer aus | |
| Leisnig, der aus der völkischen Siedlerbewegung kommt. Es ist Konzept: Die | |
| „Freien Sachsen“ erlauben explizit doppelte Parteimitgliedschaften, sehen | |
| sich selbst als „Sammlungsbewegung“. Man distanziere sich „von niemandem�… | |
| betont Fischer. | |
| Auch der fünffache Vater war einst bei der NPD-Jugend aktiv und bei der | |
| verbotenen „[6][Heimattreuen Deutschen Jugend]“. Vor sechs Jahren zog er | |
| aus Niedersachsen nach Leisnig, weitere Rechtsextreme folgten. Auch das war | |
| Konzept: Die Neonazis gründeten die Initiative „[7][Zusammenrücken in | |
| Mitteldeutschland]“, warben in der Szene für weitere Zuzüge, um dort die | |
| „Volkssubstanz“ zu erhalten. Als der Verfassungsschutz die Initiative | |
| [8][erst beobachtete] und dann Durchsuchungen folgten, löste Fischer diese | |
| auf – und schlüpfte unter das Dach der Freien Sachsen. Sein Parteikollege | |
| Lutz Giesen wiederum war, wie andere Rechtsextreme aus Leisnig, bei der | |
| [9][verbotenen „Artgemeinschaft“] aktiv. Giesen organisierte zuletzt zudem | |
| den [10][alljährlichen Neonazi-Gedenkmarsch in Dresden] mit. | |
| Die Töne bei den Freien Sachsen sind nicht minder brachial. „Handschellen | |
| müssen klicken“, heißt es auf Wahlplakaten. Regierende Politiker werden als | |
| „Politverbrecher“ bezeichnet, Geflüchtete durchweg als Kriminelle. Die | |
| Partei zog vor Häuser von Bürgermeister*innen oder blockierte einen | |
| Grenzübergang. Geflüchteten müssten alle Sozialleistungen entzogen werden, | |
| fordert die Partei. Oder einen „Säxit“, einen Austritt Sachsens aus der | |
| Bundesrepublik. Ziel ist eine neue, „gründliche Wende“. Auf Telegram | |
| brachten es die Freien Sachsen damit auf knapp 140.000 Follower. Die Partei | |
| selbst hat nach eigenen Angaben 1.200 Mitglieder. Auch einen Versand | |
| betreibt sie, verkauft dort Tassen oder „Sachsen-Taler“. | |
| ## Verfassungsschutz spricht von „Mobilisierungsmaschine“ | |
| Schon nach wenigen Monaten stufte der sächsische Verfassungsschutz die | |
| Partei als rechtsextrem ein. Sein Präsident Dirk-Martin Christian sieht die | |
| Freien Sachsen als „Mobilisierungsmaschine“, attestiert ihr eine | |
| verfassungsfeindliche Ideologie. Und auch das Kulturbüro, das Gemeinden zum | |
| Rechtsextremismus berät, warnt, dass [11][aus den Parolen der Partei auch | |
| Gewalttaten entstehen können]. | |
| Tatsächlich hat deren Hetze schon heute Folgen. Als zuletzt der | |
| [12][CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz] in Zwönitz bei einem | |
| Stadtgespräch auftreten wollte, musste dies nach Protestaufrufen der Freien | |
| Sachsen abgesagt werden. Der Verfassungsschutz wirft der Partei „gezielte | |
| Bedrohungsszenarien“ gegen Politiker vor. Vor allem der Heidenauer | |
| Parteifunktionär Max Schreiber tue sich hier hervor. Gewalttaten, die aus | |
| solch einem Klima entstehen, wie zuletzt gegen den SPD-Politiker Matthias | |
| Ecke, tut die Partei ab: Dies hätten sich die „Blockparteien selber | |
| eingebrockt“, man müsse sich hier „von nichts und niemanden distanzieren�… | |
| Bezeichnend: Parteichef Kohlmann wie auch die Leisniger Fischer und Giesen | |
| sind allesamt [13][wegen Volksverhetzung verurteilt]. | |
| Ihren Aktivitäten tut das keinen Abbruch. In Leisnig sind die „Freien | |
| Sachsen“ bisher nicht im Stadtrat vertreten. Aber keine Partei sei im | |
| Wahlkampf so aktiv, sagt dort die Grüne Maria-Christin Anderfuhren, die | |
| auch im örtlichen Demokratiebündnis aktiv ist. Die Resonanz auf die Stände | |
| auf dem Marktplatz sei zwar überschaubar. Aber Fischer und seine | |
| Mitstreiter nutzten jede Gelegenheit, um „Ängste und Hetze zu schüren“, | |
| verbreiteten in ihrem „Infoblatt“ Unwahrheiten. Auch seien sie in der Szene | |
| bestens vernetzt, ihre Aktionen gut organisiert, sie müssten irgendwelche | |
| Geldgeber haben. Und sie engagierten sich als Nachbarn, gingen bewusst in | |
| Vereine oder die Feuerwehr und stießen dort auf wenig Gegenwehr. „Die haben | |
| einen Plan, und der geht bisher auf“, warnt Anderfuhren. „Ich habe den | |
| Eindruck, dass den wenigsten bewusst ist, dass hier eine rechtsextreme | |
| Agenda verfolgt wird.“ Tatsächlich prahlt auch Fischer, dass er im Ort | |
| „sehr gut integriert“ sei. | |
| ## „Zunehmend Kooperationen“ | |
| Auch die AfD ist in Leisnig bisher nicht im Stadtrat, nun tritt sie vor Ort | |
| ebenfalls zur Wahl an. Und auch ihre Chancen sind gut: Landesweit liegt die | |
| Partei, die in Sachsen [14][ebenso als rechtsextrem eingestuft ist], in | |
| Umfragen bei 34 Prozent, vor allen anderen Parteien. Nach der Wahl am | |
| Sonntag könnte sie in mehreren Kreistagen und Stadträten mit den Freien | |
| Sachsen gemeinsame Sache machen. Zwar führt die AfD die Freien Sachsen auf | |
| einer Unvereinbarkeitsliste – auf der Straße standen beide Parteien aber | |
| zuletzt schon gemeinsam. Und auch in Leisnig rechnet die Grüne | |
| Maria-Christin Anderfuhren damit, dass sich AfD und Freie Sachsen dann | |
| zusammentun. „Inhaltlich liegen die ja nicht weit auseinander.“ | |
| Auch der sächsische Verfassungsschutz sieht im Lokalen „zunehmend | |
| Kooperationen“ zwischen AfD und Freien Sachsen, auch wenn das Verhältnis | |
| „ambivalent“ und ein Konkurrenzkampf um Wähler*innen bleibe. Vor allem | |
| die Freien Sachsen aber suchten die Zusammenarbeit. | |
| Der Leipziger Soziologe Johannes Kiess, der sich viel mit den „Freien | |
| Sachsen“ beschäftigte, ist ebenso überzeugt: „Es liegt absolut nahe, dass | |
| beide Parteien auch zusammenarbeiten, wenn sie zusammen in Parlamenten | |
| sitzen.“ Und es sei nicht ersichtlich, dass die AfD-Spitze solche | |
| Kooperationen an der Basis unterbinden würde. | |
| Die Freien Sachsen nennt Kiess einen „Scheinriesen“: Sie machten sich | |
| größer, als sie seien. Aber da, wo sie aktiv sei, agierten sie sehr | |
| professionell, könnten in Hochburgen bis zu 15 Prozent der Stimmen | |
| erhalten. Und sie vergifteten den Diskurs, dürften Parlamentssitzungen | |
| bewusst chaotisieren, warnt Kiess. Daher sei es unverständlich, dass der | |
| Partei nicht schon heute deutlicher die Grenzen aufgezeigt würden. „Die | |
| Sicherheitsbehörden könnten gegen die Provokationen und Drohungen der | |
| Freien Sachsen viel repressiver vorgehen.“ | |
| Freie Sachsen-Chef Kohlmann machte schon klar, dass seine Partei an einer | |
| konstruktiven Mitarbeit in den Parlamenten kein Interesse hat: Man wolle | |
| dort vom „Gegner“ lernen, „um ihm das Leben schwerer zu machen“. Und au… | |
| der Leisniger Christian Fischer erklärte, ihm gehe es vor allem darum, im | |
| Stadtrat künftig Informationen einzufordern, etwa zu den Zuzügen von | |
| „Südländern“. Ziel sei es dann, „Mehrheiten zu erzeugen“ – und die … | |
| „von unten nach oben neu zu gestalten“. | |
| 7 Jun 2024 | |
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| Konrad Litschko | |
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