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# taz.de -- Sparpolitik in Berlin: Das bisschen Haushalt
> Seit einem Jahr streiten sich Bezirke und Senat über den Haushalt. Nun
> soll das Schlimmste abgewendet sein. Linke und Grüne sind dennoch
> unzufrieden
Bild: Auch bei der Pflege der Parks, wie hier durch Parkhausmeister*innen in de…
Berlin taz | Haushaltschaos – selten hat man diesen Begriff in Berlin so
oft gehört wie in den vergangenen Monaten. Dabei geht es nicht etwa um
ungewaschenes Geschirr und dreckige Wäsche, sondern darum, wer wie viel
Steuergeld für was bekommt – wobei sich die Politiker bisweilen ebenso
zanken wie die Mitbewohner einer Studenten-WG.
Bereits Mitte Dezember wurde im Abgeordnetenhaus der [1][Doppelhaushalt
24/25 verabschiedet]. Mit einem Volumen von rund 40 Milliarden Euro pro
Jahr handelt es sich um einen Rekord-Etat. Der Streit ums Geld war damit
aber noch lange nicht beendet: Die [2][Proteste gegen die geplanten
Sparvorhaben] wollen nicht abreißen.
Die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln sahen sich angesichts der
Kürzungen gar gezwungen, zum Jahresstart eine Haushaltssperre zu verhängen
– Mitte hatte seinen bereits im Sommer gesperrt. Die Folge: Es wurde nur
das Nötigste finanziert, viele soziale und kulturelle Projekte erhielten
nur vorläufige Bescheide und müssen um ihre Mittel bangen.
Nicht nur die Bezirke, auch die Senatsverwaltungen sollten rigoros sparen:
Insgesamt etwa 1,75 Milliarden Euro – jeweils 5,9 Prozent ihres Budgets.
Doch seit Montag ist klar: [3][Das Schlimmste wurde abgewendet.] Die
einzelnen Ressorts müssen in diesem Jahr nur noch 2 Prozent ihres Budgets
einsparen. „Absolut machbar“, findet Regierungschef Kai Wegner (CDU).
## 560 Millionen fehlen
Dass nun doch weniger gespart werden muss, liegt an einem Rechentrick:
Gelder, die eigentlich bereits verplant sind, aber vermutlich nicht genutzt
werden, dürfen an anderer Stelle eingesetzt werden. Diese pauschalen
Minderausgaben sind jetzt der Rettungsring für die Senatsverwaltungen.
Vor allem aus der Wohnungsbauförderung (235 Millionen) und voraussichtlich
unbesetzten Personalstellen (220 Millionen) soll viel Geld abfallen. Aber
auch beim Schulneubau und beim ÖPNV sollen Millionen liegen bleiben. Aus
dem Mangel an Fachkräften wird also ein Plus für die Haushaltskasse. „Wir
haben buchstäblich die letzte Luft aus dem Haushalt gepresst“, so
Finanzsenator Stefan Evers (CDU).
Dennoch ist weiterhin unklar, wo die einzelnen Ressorts die restlichen rund
560 Millionen aus ihren Budgets einsparen sollen. Die Linke hält dieses
Vorgehen für „unseriös“ und forderte zusammen mit den Grünen für Donner…
eine Regierungserklärung sowie die zeitnahe Vorlage eines
Nachtragshaushalts. Außerdem solle die Koalition klare Prioritäten setzen,
um einen „sozialen Kahlschlag“ zu verhindern.
## Bezirke sollen Rücklagen aufbrauchen
Anders als die Senatsverwaltungen sollen die Bezirke ihre Rücklagen
aufbrauchen. Denn seit Freitag ist klar: Viele haben ein Plus
erwirtschaftet, nur drei sind ins Minus gerutscht. Spitzenreiter
Lichtenberg blickt den kommenden Jahren mit satten 35,9 Millionen Euro
Rücklagen entgegen. Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) kündigt der
taz gegenüber an, diese abbauen zu wollen: „Wir wollen den Bürgern die
erwirtschafteten Gewinne ja auch wieder zurückgeben.“
In anderen Bezirken ist der Druck größer. Die Haushaltssperren von Neukölln
und Friedrichshain-Kreuzberg dürften dennoch nach und nach aufgehoben
werden, Mitte hat seine bereits beendet. Jetzt kann das Sparen also
zumindest geplant werden. So soll in Mitte die Gustav-Falke-Grundschule
nicht mehr vollständig saniert und am Straßenausbau gespart werden. Für
diese Projekte befinde sich die Planung noch in einem sehr frühen Stadium
und habe keine hohe Priorität, so Bezirksamtssprecher Christian Zielke.
In Neukölln kann man noch keine Projekte nennen, die auf der Einsparliste
stehen. Man versuche, alle sozialen Einrichtungen zu halten, so
Bezirksamtssprecher Christian Berg zur taz. „Wir können unsere 2,4
Millionen Überschuss nun in die Einsparungen geben.“ Der große Sozialabbau
ist damit wohl erst mal abgewendet, wenngleich neue Projekte schwer zu
realisieren sein dürften.
Der Jahresverlierer Pankow sieht sich durch seine vielen Einwohner
benachteiligt. Pro Bezirk werde dieselbe Summe veranschlagt, sagt
Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne). Das Defizit stamme außerdem
aus Bereichen, die der Bezirk nicht steuern könne; etwa die
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, deren Kosten die
Senatssozialverwaltung vorgebe. Ob und wie der Bezirk jetzt radikal sparen
muss, werde noch geprüft.
## Steuereinnahmen stagnieren
Dass überhaupt so viel gespart werden muss, liegt auch daran, dass Berlin
an die [4][Schuldenbremse] gebunden ist. Ausgaben auf Pump sind also nicht
drin. Zudem werden die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren kaum
steigen, das legt zumindest die Steuerschätzung aus 2023 nahe. Angesichts
stagnierender Einnahmen und galoppierender Kosten blieb Finanzsenator Evers
nur der Aufruf zur Disziplin.
Und so sind die Haushaltsberatungen wegen der bis heute noch unklaren
Sparmaßnahmen noch nicht beendet, und sie werden stets begleitet von
Aufschreien der Sozialverbände. Vor allem Jugendeinrichtungen, die Pflege
von Parks, die Reinigung und die Sicherheitsbewachung der Schulen stehen
auf dem Spiel.
Wieso zuallererst im sozialen Bereich gespart wird? Weil die Bezirke dazu
verpflichtet sind, bestimmte Leistungen wie die allgemeine Verwaltung zu
gewährleisten. Also bleibt nur das zu reduzieren, was freiwillig finanziert
wird.
## Schuldenbremse steht zur Debatte
Auch wenn die Spardoktrin vorerst abgedämpft wurde, stellt sich die Frage,
wie es in den kommenden Jahren aussieht. 2025 werde die Haushaltslage nicht
nur in den Bezirken, sondern in ganz Berlin sehr angespannt sein,
prognostiziert das Bezirksamt Mitte. Und auch im derzeit noch gut
begüterten Lichtenberg warnt Bürgermeister Martin Schaefer: „Die Zeiten der
guten Haushaltslage im Land Berlin sind bereits beendet und auch in
Lichtenberg sind die üppigen Zeiten vorbei.“ Senat und Abgeordnetenhaus
müssten die notwendigen Entscheidungen treffen, wie die Bezirkshaushalte in
den kommenden Jahren zu finanzieren sind.
Blickt man auf das wachsende Berlin und die bereits jetzt überlasteten
Behörden und Sozialeinrichtungen, stellt sich die Frage, welche
langfristigen Folgen die Sparmaßnahmen haben werden. Die Folgen des
[5][Sparkurses in den nuller Jahren] sind noch heute spürbar. Höchste Zeit,
die Schuldenbremse auszusetzen, fordert daher die Linke. Der Senat will sie
angesichts der schwächelnden Konjunktur zumindest reformieren.
Berlin wolle „alle Spielräume nutzen, die die Schuldenbremse bietet“, so
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Der Senat sei sich jedoch einig,
dass eine Modernisierung der Schuldenbremse der bessere Weg wäre. „Die
Verweigerungshaltung von Union und FPD auf Bundesebene ist ein
Armutszeugnis und gefährdet die Zukunftsfähigkeit des ganzen Landes.“
18 Apr 2024
## LINKS
[1] /Berliner-Doppelhaushalt/!5980168
[2] /Berliner-Haushalt/!5943227
[3] /Berliner-Senat-debattiert-Haushaltslage/!6001785
[4] /Oekonom-ueber-die-Schuldenbremse/!5982979
[5] /Rueckblick-auf-40-Jahre-taz-Berlin-III/!5723424
## AUTOREN
Benjamin Probst
## TAGS
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Sparpolitik
Innere Sicherheit
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Kai Wegner
Kai Wegner
Schuldenbremse
Berliner Bezirke
Haushalt
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