# taz.de -- Migrationsabkommen der EU: Milliarden für die Festung Europa | |
> Der Libanon ist einer von vielen Staaten, die verhindern sollen, dass | |
> Flüchtlinge in die EU kommen. Ein Überblick zu den aktuellen | |
> Migrationsabkommen. | |
Bild: Auf der Suche nach einem würdevollen Leben: ein Migrant in einem Lager i… | |
BERLIN taz | Auf nichts kann sich die EU in Sachen Migration so leicht | |
einigen wie den Versuch, die Flüchtlinge schon in Drittstaaten zu stoppen. | |
[1][Der gerade geschlossene Vertrag mit dem Libanon] ist nur die neuste | |
Volte. Die Jahrzehnte zurückreichenden Bemühungen sind dabei von steten | |
Rückschlägen gekennzeichnet. | |
Im Juli 2023 etwa unterzeichneten die EU, Italien und Tunesien einen Pakt | |
gegen irreguläre Migration. Tunesien hatte in der Zeit des Diktators Ben | |
Ali den Zugang zum Mittelmeer weitgehend dichtgehalten, wurde zuletzt aber | |
zum [2][Haupttransitland Richtung Italien]. Die EU sagte Tunis Hilfe von | |
insgesamt 1 Milliarde Euro zu, im Gegenzug sollte die Regierung die Boote | |
Richtung Sizilien und Lampedusa stoppen. Doch schon im Oktober überwies | |
Tunis die erste Rate der Haushaltshilfe, rund 60 Millionen Euro, an Brüssel | |
zurück. Man war verstimmt über die europäische Kritik an den tödlichen | |
Abschiebungen in die Wüste und auch über den Wunsch der EU nach | |
Abschiebungen von Nichttunesier:innen in das Land. EU-Delegationen | |
wurde gar die Einreise verweigert. | |
Im Jahr 2024 hat Tunesiens Küstenwache bisher rund 20.000 Menschen auf | |
Booten aufgehalten – bis Ende April kamen aber auch rund 7.300 Menschen von | |
dort nach Italien durch. Im April unterzeichnete Ministerpräsidentin | |
Giorgia Meloni dann ein neues Abkommen mit Tunis, Abschiebungen von | |
Drittstaatler:innen werden darin vorerst nicht erwähnt. | |
## Ziel ist, die Migration nach Europa einzudämmen | |
Im März 2024 hatte die EU eine neue Vereinbarung mit Ägypten vorgestellt. | |
Schon lange hält Kairo gegen Cash den Zugang für Flüchtlinge zum Mittelmeer | |
meist dicht. Bei einem Besuch des Machthabers al-Sisi 2017 in Berlin hatte | |
Angela Merkel diesen gelobt: „Ägypten sichert Seegrenzen exzellent, de | |
facto gibt es keine Migration aus Ägypten nach Europa, obwohl in Ägypten | |
viele Flüchtlinge leben.“ Das sei „hohe Anerkennung wert“ und so | |
unterstütze Deutschland Ägypten mit einem ungebundenen Kredit von 500 | |
Millionen Euro. Nun fließt noch mehr Geld, um Migration aus dem Land | |
einzudämmen: Die Regierung soll trotz ihrer katastrophalen | |
Menschenrechtsbilanz 5 Milliarden Euro billige Kredite, 1,8 Milliarden Euro | |
Investitionen und 600 Millionen Euro Zuschüsse bekommen. | |
2017 hatte der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) das erste | |
[3][multilaterale Migrationsakommen präsentiert – mit Äthiopien.] Dessen | |
Botschaften sollten seither auf Antrag europäischer Ausländerbehörden | |
innerhalb von drei Werktagen Abschiebepapiere ausstellen müssen. | |
Anderenfalls könnten die Ausländerbehörden sich zur Identitätsklärung an | |
den äthiopischen Geheimdienst wenden. Bearbeitungszeit: zwei Wochen. Nur | |
sechs Tage nach Vertragsschluss im Dezember 2017 wurde das Land mit üppigen | |
Zahlungen aus dem EU-Nothilfefonds für Afrika bedacht. Das sollte die | |
damals bei 16 Prozent liegende „Ausreisequote“ abgelehnter äthiopischer | |
Asylbewerber steigern. Doch der Erfolg blieb aus EU-Sicht dürftig. Am | |
vergangenen Montag verschärfte die EU deshalb die Visaregeln für | |
Äthiopier:innen. Grund sei mangelnde Kooperation Äthiopiens bei der | |
Rücknahme seiner Bürger:innen, hieß es in Brüssel. | |
Die EU ist nicht der einzige Akteur, der in Sachen Flüchtlingsabwehr auf | |
Drittstaaten setzt. Großbritannien ist fest entschlossen, den seit Jahren | |
angepeilten [4][Ruanda-Deal] durchzuziehen: Die Flüchtlinge sollen nicht | |
nur während des Asylverfahrens, sondern auch im Fall einer Anerkennung | |
dauerhaft in Ruanda bleiben, London zahlt. Auch in der EU werden zunehmend | |
Stimmen laut, es London gleichzutun. | |
Am Mittwoch begann die Polizei in Großbritannien, die ersten Menschen in | |
Gewahrsam zu nehmen, die nach Ruanda abgeschoben werden sollen. Das | |
Innenministerium veröffentlichte Bilder von Menschen, die in Handschellen | |
abgeführt wurden, das Innenministerium sprach von einem „Meilenstein“. Bis | |
Jahresende sollen 5.700 Menschen nach Ruanda abgeschoben werden. | |
3 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Abkommen-mit-dem-Libanon/!6004506 | |
[2] /Tausende-Fluechtende-in-Tunesien/!5999193 | |
[3] /Nach-Abschiebeflug-nach-Aethiopien/!5846837 | |
[4] /Britischer-Asyl-Deal/!6003455 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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