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# taz.de -- Ägypten geht gegen Studenten vor: Im Knast wegen Palästina-Solida…
> Weil sie sich solidarisch mit Palästina gezeigt haben, sitzen dutzende
> Ägypter in Haft. Zwei Instagram-Nutzern wird Terrorunterstützung
> vorgeworfen.
Bild: Mazen Ahmed Deraz
Innsbruck taz | Die 25-jährige Mariem Mohamed konnte ihren Augen nicht
trauen, als sie auf Instagram sah, dass ihr Freund von den Behörden in
Ägypten inhaftiert wurde. Mazen Ahmed Deraz, ein Medizinstudent, hatte mit
seinem Freund Zeyad al-Bassiouny, der an einer Kunstakademie studiert und
ebenfalls festgenommen wurde, eine propalästinensische Studentenbewegung
gegründet. Auf Social Media gaben die beiden ihre Solidarität mit den
Palästinenser*innen kund. Zeyad hatte Anfang Mai auch eine
Instagram-Seite „[1][Egypt's Student Movement for Palestine]“ erstellt, die
innerhalb weniger Tage rund 3.000 Follower gewann.
Den beiden Studenten wird der Beitritt zu einer Terrororganisation und die
Veröffentlichung falscher Nachrichten vorgeworfen. Mazens privater
Instagram-Account ist nicht mehr online. „Wir wissen nicht, wer Mazens
Account deaktiviert hat“, berichtet Mariem Mohamed, die seit der Festnahme
vor zwei Wochen keinen Kontakt mehr zu ihrem Freund hat. Sicherheitskräfte
überfielen die beiden Studenten am 8. und 9. Mai gewaltsam, bevor es
überhaupt zu einem offiziellen Haftbefehl kam, wie [2][Mada Masr]
berichtet, die einzige noch bestehende kritische Nachrichtenplattform in
Ägypten.
„Mazen hatte bereits zuvor etwa 6.500 Follower auf seinem privaten
Instagram-Account und teilte die neu erstellte Seite der Studentenbewegung
dort, damit die Inhalte mehr Menschen erreichen“, erzählt Mariem Mohamed,
die in Innsbruck Erziehungswissenschaften studiert. Mazen Ahmed Deraz hat
sie durch ihre Besuche in Kairo, der Heimatstadt ihrer Eltern,
kennengelernt.
Die Instagram-Seite der Studentenbewegung ist erstaunlicherweise weiter
einsehbar. Dort wird auch [3][in einem Post] gefordert, die beiden
Studenten freizulassen. Auch wird betont, dass die Solidarität der
Studentenbewegung mit den Palästinenser*innen keine Gefahr für
Ägypten darstelle.
Die ägyptische Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit hat vorerst eine
15-tätige Inhaftierung der beiden Studenten angeordnet, die jedoch
verlängert werden kann. Am Sonntag ist Mazen Ahmed Deraz 21 Jahre alt
geworden. Noch vor wenigen Tagen ahnte er nicht, dass er seinen Geburtstag
in Haft verbringen würde.
120 Festnahmen im Zusammenhang mit Palästina
Die Position des ägyptischen Regimes unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi
zum israelischen Krieg gegen die Hamas bleibt ambivalent. In derselben
Woche, in der Mazen Ahmed Deraz und Zeyad al-Bassiouny festgenommen wurden,
kündigte Kairo an, sich der [4][Klage Südafrikas gegen Israel vor dem
Internationalen Gerichtshof (IGH)] anzuschließen. Südafrika wirft Israel
vor, im Gazastreifen einen Genozid zu begehen.
Zugleich wurden seit Kriegsbeginn mindestens 120 Ägypter*innen aufgrund
ihrer Solidarität mit den Palästinenser*innen und vermeintlicher
Terrorunterstützung festgenommen. Mindestens 90 Personen befinden sich
weiter in Untersuchungshaft, darunter mindestens zwei Minderjährige. Dies
geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation [5][Egyptian
Initiative for Personal Rights] hervor, der Anfang Mai veröffentlicht
wurde.
„Ich glaube nicht, dass die beiden Studenten aufgrund ihrer Solidarität mit
Palästina inhaftiert wurden, sondern weil sie die Studentenbewegung
gegründet haben“, sagt Mariem Mohamed in Innsbruck. „Das Regime al-Sisis
fürchtet, dass sich jede Protestbewegung irgendwann auch gegen ihn richten
könnte.“
Sisi-Regime unter Druck
Seit der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen 2007 haben Israel und
Ägypten, die 1979 miteinander Frieden schlossen, die Bewegungsfreiheit und
den Zugang von Gütern und Personen in und aus dem Gazastreifen massiv
eingeschränkt. Vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen Kritik
an Israels Vorgehen sieht sich das Regime in Ägypten mit dem Vorwurf
konfrontiert, für die humanitäre Krise in dem Küstenstreifen
mitverantwortlich zu sein.
Aktuell befinden sich die israelisch-ägyptischen Beziehungen allerdings
[6][auf einem Tiefstand, weil Israel die Bodenoffensive in Rafah
vorantreibt]. Neben der Sorge vor einem Zustrom palästinensischer
Flüchtlinge auf die ägyptische Sinai-Halbinsel befürchtet das Sisi-Regime
auch, dass das Unbehagen in der eigenen Bevölkerung zunimmt.
Der Anschluss Ägyptens an Südafrikas Genozid-Klage vor dem IGH dürfte daher
von symbolischer Natur sein, auch um Israel zu verdeutlichen, dass man sich
nicht an einer möglichen Massenvertreibung beteiligen werde. Die
Widersprüchlichkeit der ägyptischen Politik in Bezug auf den Gazakrieg
zeigt das Dilemma, in dem sich die Regierung in Kairo befindet.
22 May 2024
## LINKS
[1] https://www.instagram.com/egy.studentsforpalestine/
[2] https://www.madamasr.com/en/2024/05/13/news/politics/two-students-forcibly-…
[3] https://www.instagram.com/p/C64WEAbsaT-/?img_index=2
[4] /Voelkermord-Verfahren-gegen-Israel/!5985407
[5] /Verhafteter-Menschenrechtsaktivist/!5729485
[6] /Beziehungen-zwischen-Israel-und-Aegypten/!6008709
## AUTOREN
Elias Feroz
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