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# taz.de -- Ausstellung von Lada Nakonechna: Landschaften ohne Himmel
> Ist den Bildern zu trauen? In ihrer Ausstellung bei Eigen + Art versucht
> die ukrainische Künstlerin Lada Nakonechna den Krieg visuell
> darzustellen.
Bild: Lada Nakonechnas Zeichnungen in der Ausstellung „Below Ground Level“,…
Es gibt einen recht banalen Grund, warum der Titel „Below Ground Level“ zu
der neuen Ausstellung der ukrainischen Künstlerin Lada Nakonechna in der
Berliner [1][Galerie Eigen + Art] passt: Man muss dort, um in den
Hauptausstellungsraum zu gelangen, eine Treppe heruntersteigen, ins offene
Untergeschoss.
Die Perspektive der Betrachter*innen auf ihre Kunst sei ihr sehr
wichtig, der Kontext, zu dem auch die Räume gehörten, erklärt Nakonechna im
Gespräch, kurz vor der Ausstellungseröffnung in der ersten Märzwoche.
Diejenigen der Galerie Eigen + Art in Berlin und Leipzig kennt sie gut.
2014 hat Nakonechna dort erstmals ausgestellt.
Der Titel „Below Ground Level“ spielt aber noch auf einiges mehr an. Mit
dem Krieg in der Ukraine hat das zu tun. Nakonechna ist 1981 im
ukrainischen Dnipro geboren. Später studierte sie in Kyjiw, lernte dort
ihren Mann kennen. Bis zum Februar 2022 lebten sie in der ukrainischen
Hauptstadt. Kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine floh die
Künstlerin mit ihrem Sohn nach Deutschland. Ihr Mann ist nach wie vor in
der Ukraine.
„Below Ground Level“, unter der Erdoberfläche, befinden sich dort derzeit
vor allem Schutzräume. Nakonechna gibt wieder, was ihr eine Freundin
berichtete, die [2][in Mariupol] war, als die Stadt eingeschlossen wurde:
Eines der Probleme dort unten – neben allen anderen Nöten – sei, dass man
nicht mitbekomme, was oben passiere. Telefone funktionierten nicht, das
Internet erst recht nicht. Im Untergrund zu sein bedeute, von Informationen
abgeschnitten zu sein.
Fotografien aus Internet und Social Media
Von Informationen über den Krieg, insbesondere visuellen, handelt ihre
Ausstellung, von der Frage, wie man den russisch-ukrainischen Krieg
darstellen kann. Nakonechna arbeitet bevorzugt zeichnerisch. Für „Below
Ground Level“ bringt sie Zeichnungen mit fotografischem Material aus dem
Internet zusammen.
Der Krieg in der Ukraine ist einer der ersten, der massiv auch in sozialen
Netzwerken ausgefochten wird, quasi in Echtzeit. „Wir leben in einer
visuellen Welt, einer Welt voller Bilder“, sagt Nakonechna, „aber wissen
wir, wirklich woher wir unsere Informationen haben? Und reichen diese aus?“
Solche Fragen treiben sie um, wie auch viele andere Künstler*innen: „In der
Ukraine wird viel darüber diskutiert, welche Medien wirklich das Wissen
über den Krieg weitergeben können.“
Aktuell kann man das in Berlin auch bei der [3][Kyiv Perenniale] sehen.
Viele der ausstellenden Künstler*innen arbeiten – oft auf sehr direkte,
schonungslose Art und Weise – mit und zu den Bildern, die der Krieg
schafft.
Nakonechnas künstlerische Auseinandersetzung ist subtiler, hintersinniger.
Einfach für schwarz-weiße Landschaftszeichnungen könnte man ihre Arbeiten
im ersten Teil der Ausstellung halten. Es ist ein Spiel mit der
Wahrnehmung. Genau muss man hinschauen, um zu erkennen, dass keine Himmel
auf ihnen zu sehen sind. Nur Böden. Oben und unten.
Nakonechna zeichnet ein Bild der Zerstörung, des Ökozids in der Ukraine
auch, und nicht zuletzt eines der Auswegslosigkeit. Leuchtende Raketen
täuschen vor, Sonnenstrahlen zu sein, Rauch wirkt wie Wolkenformationen. Es
sind Bilder, die Perspektive wie Orientierung verweigern.
Das passt zu dem, was Nakonechna noch zu ihrem Ausstellungstitel gesagt
hat: Es ginge auch um jenes Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren,
weil Überzeugungen nicht mehr anwendbar sind. Der Pazifismus etwa. Was
nützt der beim Überleben, wenn das Land, in dem man lebt, besetzt wird?
Umgang mit den Bildern des Krieges
Die Bilder in der Ausstellung bezeichnet Nakonechna als eine Dokumentation
ihrer Gedanken über den Umgang mit den Bildern des Krieges. Rahmen hat sie
deshalb einigen ihrer Zeichnungen gegeben. Dafür hat sie die obere Schicht
des Papiers mit dem Cutter-Messer abgekratzt. Wie durch Fenster blickt man
auf sie. Manche jener Rahmen sind in X-Form durchkreuzt. Im sicheren
Deutschland ist das wenig bekannt, aber in der Ukraine verstehe es jeder
sofort: „Wir kleben Klebeband auf die Fenster, damit sie bei Explosionen
nicht zerbrechen.“
Prekäre Lösungen sind auch die Äste, die Nakonechna wie Krücken und
Stützpfeiler in der Ausstellung arrangiert hat. Sie sind umwickelt mit
Pappmaché aus den Fotopapieren. Noch zerbrechlicher wirken sie damit, fast
so, als seien sie aus Porzellan. Kann man ihnen trauen? Wem ist überhaupt
zu trauen?
Glaubt Lada Nakonechna, dass sie mit ihrer Kunst etwas bewirken kann?
„Leider nein“, sagt sie. Aber sie kann als Künstlerin wieder und wieder auf
die Situation in der Ukraine aufmerksam machen, auf die Tragweite des
Krieges und auf den Einfluss Russlands, auch in der Kultur oder in der
akademischen Welt. Nakonechna hat derzeit einen Lehrauftrag an der
Universität Kassel, ist damit eine der wenigen ukrainischen Stimmen im
deutschen akademischen Betrieb. Jede Möglichkeit zu sprechen will sie
nutzen, darin sieht Lada Nakonechna ihre Aufgabe.
20 Mar 2024
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## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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