# taz.de -- Die Kunst der Woche: Muster und Mäuler | |
> Matisse in Grau und das Grau der Tauben bei James Krone. Alanna Lawley | |
> lässt Fabelwesen auf Hexen treffen. Friedlich ist ihre Frauengemeinschaft | |
> nicht. | |
Bild: Blick in Alanna Lawleys Ausstellung „Seepage From My Primal Fountain“ | |
Was geschieht, wenn man der Malerei von Henri Matisse das nimmt, was einem | |
sehr wahrscheinlich als Erstes dazu einfällt, die Farbe nämlich? In | |
Schwarz-Weiß hat James Krone Matisse’ Porträt einer Klavierspielerin | |
nachgemalt, beziehungsweise neu gemalt, repetitiv, als eigene Versionen – | |
und Versionen von Versionen – zum Teil durch das Aufeinanderlegen zweier | |
Leinwände, sodass sich das Motiv spiegelbildlich von der einen auf die | |
andere färbte. Mit jedem Mal verliert das Motiv als solches an Bedeutung, | |
es wird abstrahiert und wenn man so will zu einer Art Muster. | |
Von Mustern ist bereits im Titel von Krones Ausstellung die Rede, die noch | |
bis zum Wochenende bei [1][(Repertoire)] zu sehen ist: „Emergency of | |
Pattern“. Suchen kann man diese auch auf den Fotografien, die Krone von | |
Stadttauben macht, ebenfalls in Schwarz-Weiß, immer von hinten, immer aus | |
derselben Perspektive. Wie breitschultrige Figuren in schweren Kutten | |
wirken die Vögel, unterscheidbar nur durch ihre zeichenhafte Federfärbung. | |
Nur schwer erkennbar wiederum sind die Streifenmuster auf den schmalen | |
Leinwänden, aufgetragen sind sie in feinen Nuancen der in der digitalen | |
Welt neutralsten aller Töne: Greenscreen-Grün. | |
Krones Muster- und Malereistudien sind die erste Ausstellung bei | |
Repertoire. Im November hat Hendrike Nagel den Projektrum gegründet, der in | |
der Tempelhofer Teilestraße zwar eine permanente Adresse hat, aber auch | |
anderswo, also nomadisch stattfinden kann. Nachhaltiger als andere | |
Institutionen oder Galerien möchte Hendrike Nagel agieren, Dialog, | |
Kollaboration und Vernetzung fördern. Konkret bedeutet das unter anderem, | |
dass sie sich für die Zusammenarbeit mit Künstler*innen mehr Zeit nehmen | |
möchte, anstatt von einer zur anderen Ausstellung zu hetzen – auch für | |
Dinge, die darüber hinausgehen. | |
Am vergangenen Wochenende hatte Krone in seine Ausstellung zu einer Lesung | |
eingeladen. Auch eine [2][Print-Edition] hat Repertoire mit dem Künstler | |
aufgelegt. Zum Gallery Weekend startet das nächste Projekt – gemeinsam mit | |
der Mailänder Galerie Fanta. | |
## Prophezeiung der Lawley | |
Einen Raum anderer Art hat Alanna Lawley bei Marie 10, dem Showroom von | |
Jörg Johnen geschaffen. Hellblaue Yogamatten hat sie für ihre | |
Einzelausstellung [3][„Seepage From My Primal Fountain“] auslegt, in der | |
Aussparung in der Mitte liegen luftgetrocknete Tonformen, in die sie | |
Haarbüschel hineingeknetet hat und das sie in biologisch abbaubare | |
Luftballons gedrückt hat, als handle es sich um Stressbälle. | |
Zu einem spirituellen Ritual könnte man sich da wiederfinden, das passt | |
auch zu den Arbeiten der britischen Künstlerin an den Wänden. Feminine | |
Fabelwesen bevölkern diese, die eine lose Gemeinschaft bilden. | |
Die Enthüllungen der Me-Too-Bewegung habe sie zu der großformatigen | |
Zeichnung „Legacy Landscape“ inspiriert, berichtet die Künstlerin, aber | |
auch die Beschäftigung mit düsteren Zeiten der ferneren Vergangenheit, mit | |
der Hexenverfolgung etwa. Die stilisierten Frauen darauf scheinen in eine | |
Art Tanz miteinander in Verbindung zu treten, der womöglich Heilung | |
verspricht. | |
Ziemlich albtraumhaft ist indes die Szenerie auf dem Acrylgemälde | |
„Untitled“, das hoch oben an der Wand über allem wacht: Ein gehörntes Wes… | |
beugt sich bedrohlich über ein anderes, kniendes, das flehend das Maul | |
geöffnet hat. Auch sie sind beide mit Brüsten als weiblich markiert – | |
besonders friedlich scheint es in Lawleys Welt der Frauen doch nicht | |
zuzugehen. | |
Intuitiv geht Lawley beim Zeichnen, Malen und Formen vor. Auch die | |
Zeichnungen ihrer Serie „Let me tell you how you feel“, die ein wenig wie | |
Tarot-Karten funktionieren, entstehen so. Fein schraffierte bunte | |
Phantasiewesen sind darauf zu erkennen, die mitunter etwas sehr illustrativ | |
ausfallen, Zauberkessel brodeln über loderndem Feuer. Einer | |
grüngesichtigen, hakennasigen Hexe mit feuerroten Haaren, aus deren Mund | |
bunte Kugeln purzeln, begegnet man da etwa oder einer blauen | |
pflanzenartigen Kreatur mit nach außen verlagerten Eierstöcken. Dem Titel | |
entsprechend sollen die Zeichnungen einem den eigenen Gefühlzustand | |
verraten – wenn man ebenfalls intuitiv ein Dreierpack entsprechender | |
Postkarten zieht. | |
Auf die Rückseiten der Karten hat Lawley Texte geschrieben, in denen sie | |
ironisch den Duktus von Horoskopen imitiert, Ermutigungen zu einem | |
selbstbestimmten Leben sind sie auf die eine oder andere Art allesamt. | |
Einer der Vorschläge lautet, eine Bestandsaufnahme zu machen, wie sich die | |
Art und Weise, wie man sich in der Welt bewegt, auf das eigene Wesen | |
auswirke. Auf einer anderen wird empfohlen eingeweichte Mariendistel-Samen | |
übers Gemüse zum Abendessen zu streuen. Wohl bekomm’s. | |
27 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://repertoire.earth/James-Krone-Emergency-of-Pattern | |
[2] https://repertoire.earth/Editions | |
[3] https://alannalawley.com/news/24-marie10/ | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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