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# taz.de -- Gemälde aus Odessa in Berlin: Kunstwerke im Zeitalter des Kriegs
> In der Berliner Gemäldegalerie sind Bilder aus dem Museum für westliche
> und östliche Kunst in Odessa zu sehen: aus Solidarität mit der Ukraine.
Bild: Prunkstillleben von Cornelis de Heem, 17. Jahrhundert, aus dem Museum in …
Es könnte auch ein Saal im Amsterdamer Rijksmuseum sein, oder im Prado von
Madrid. Da hängt in der Berliner Gemäldegalerie das Prunkstillleben von
Cornelis de Heem. Pralle Weintrauben, frisch geöffnete Austern und einen
glänzend roten Hummer drappierte darauf der 1619 im niederländischen Leiden
geborene Maler.
Bald darauf taucht in klaren Farben der italienischen Renaissance die
„Thronende Madonna mit Kind und Johannesknaben“ auf. Francesco Granacci hat
das himmlische Kammerspiel 1519 wohl unter dem Eindruck [1][seines
Künstlerfreundes Michelangelo] gemalt: die leicht gedrehten Körper der
Figuren, der gesenkte Blick der Maria.
Oder auf der gegenüberliegenden Wand eine ungewöhnliche Szene vom „Streit
der zwei Kutscher“. Wie der eine am unteren Bildrand auf dem Boden liegt
und der andere gerade auf den Liegenden zu schreitet, ihn im nächsten
Moment mit einem Messer abzustechen droht, das hätte sich um 1900 auch so
abspielen und mit der Fotokamera festgehalten werden können.
## Ein Franzose in Odessa
Doch handelt es sich hier um naturalistische Malerei von Jules-Alexis
Muenier. Der Franzose ist in vielen Kunstsammlungen des europäischen 19.
Jahrhunderts vertreten. So auch in der des Museums für westliche und
östliche Kunst in der ukrainischen Hafenstadt Odessa.
Alle zwölf Gemälde vom 16. bis zum 19. Jahrhundert im Berliner Saal stammen
aus der 1923 in Odessa gegründeten Institution. Prado, Rijksmuseum oder
Gemäldegalerie – ihr Sammlungsbestand lässt sich mit dem großer Häuser
vergleichen. Nur weiß es kaum jemand.
Viele der Werke gehörten einst denjenigen mit Westeuropa vernetzten
wohlhabenden Familien, die in den Wirren nach Gründung der Sowjetunion 1917
fliehen mussten und ihren Besitz zurückließen, berichtet Igor Poronyk zu
den [2][Provenienzen der Sammlung]. Er ist der Direktor des Museums für
westliche und östliche Kunst in Odessa.
## Groß angelegte Kooperation
Poronyk ist extra nach Berlin gekommen, um am Montagabend die kleine, aber
kulturpolitisch bedeutende Ausstellung in der Gemäldegalerie persönlich zu
eröffnen. Denn die zwölf Exponate von Granacci, de Heem oder Muenier aus
Odessa sind derzeit nur die öffentlich sichtbare Spitze einer groß
angelegten Museumskooperation zwischen Berlin und Odessa, einer mühevollen
Rettungsaktion im Krieg.
Insgesamt 74 Gemälde hatten Mitarbeiter:innen in Odessa im September
2022 ausgewählt und, unterstützt von der Staatsministerin für Kultur und
Medien, Claudia Roth (Grüne), nach Berlin bringen lassen.
Wegen der Widrigkeiten des Krieges dauerte es ein volles Jahr, bis die
Werke in Deutschland ankamen. Wer versichert derart wertvolle historische
Kunst für einen Transport unter Lebensgefahr? Wo wird [3][bedrohte Kunst]
zwischengelagert, ohne wie so viele ukrainische Kulturgüter vom russischen
[4][Aggressor zerstört oder geraubt zu werden]?
## Vorspiel für eine große Schau
Nicht einmal Direktor Poronyk selbst soll zwischenzeitlich vom Ort ihrer
Lagerung gewusst haben. Nun, restauratorisch überarbeitet, ist mit den
zwölf Bildern sozusagen ein Konzentrat der Sammlung aus Odessa in Berlin
öffentlich ausgestellt.
Es ist nur das Vorspiel für eine große Schau, die ab Januar 2025 alle 74
evakuierten Gemälde mit Werken der Berliner Gemäldegalerie gegenüberstellt.
Obwohl, von Evakuierung sollte man vielleicht gar nicht sprechen. Vielmehr
von Leihgaben, als Exponate im europäischen Ausland geschützt.
Die Bilder selbst haben auch eine Mission. Sie zeigen, wie stark Kultur in
der Ukraine mit Westeuropa verknüpft ist. In der Gemäldegalerie in Berlin
ist nicht nur eine schöne Ausstellung zu sehen, mit ihr wird Kulturpolitik
im Krieg überhaupt erst sichtbar.
14 Feb 2024
## LINKS
[1] /Kuratorin-ueber-Brueste-in-der-Kunst/!5948767
[2] /Streit-um-Schweizer-Kunstsammlung-Buehrle/!5970734
[3] /Digitale-Kulturgueter-in-der-Ukraine/!5844619
[4] /Museumsarbeit-im-Krieg/!5866849
## AUTOREN
Sophie Jung
## TAGS
Odessa
Museum
Solidarität
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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zeitgenössische Kunst
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Ausstellung
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Exilkunst
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