# taz.de -- Streit um Schweizer Kunstsammlung Bührle: Aufarbeitung weichgespü… | |
> Das Kunsthaus Zürich will die Sammlung des Fabrikanten Emil Bührle und | |
> seine NS-Verstrickung aufarbeiten. | |
Bild: Das Archiv der Stiftung Sammlung E.G. Bührle in der Bibliothek des Kunst… | |
Beim ersten Schritt in die Neupräsentation der umstrittenen Sammlung Bührle | |
im Kunsthaus Zürich ist man selbst als kritische:r Besucher:in | |
zunächst positiv überrascht. In der Ausstellung, deren wissenschaftlicher | |
Beirat kurz vor Eröffnung am 3. November medienwirksam zurückgetreten war, | |
wird endlich benannt, was benannt werden muss. | |
War in der ursprünglichen Präsentation noch beschönigend von einer | |
„schwierigen Zeit“ die Rede, wird nun offengelegt, wie Emil Bührle | |
überhaupt zu seinem Reichtum kam – und zu einer solch bedeutenden | |
[1][Kunstsammlung mit Werken von Monet oder Van Gogh]: Durch | |
Waffenlieferungen an das NS-Regime während des Zweiten Weltkriegs, durch | |
jüdische Sammler:innen, die ermordet oder enteignet wurden oder auf der | |
Flucht ihren Besitz verkaufen mussten. | |
Endlich wird auch die Zwangsarbeit erwähnt, die junge Frauen in Bührles | |
Fabrikheimen in der Schweiz leisten mussten. Und ein eigener Raum widmet | |
sich dem Schicksal jüdischer Sammler:innen, ein anderer zeichnet | |
exemplarisch die Provenienzforschung zum Gemälde „La Sultane“ von Édouard | |
Manet nach. | |
## Sammlung zerschlagen, Besitzer ermordet | |
Einst gehörte das um 1871 angefertigte Bild dem jüdischen | |
Sammler:innenpaar Johanna und Max Silberberg aus Breslau. Bührle kaufte | |
es 1953 in New York. Auf den Markt war es aber nur gelangt, weil die | |
Sammlung Silberberg im Zuge der NS-Verfolgung zerschlagen wurde. Johanna | |
und Max Silberberg wurden 1942 mutmaßlich im KZ Auschwitz ermordet. | |
Der letzte Brief an ihre Kinder liegt nun in einer großen Schublade | |
zusammen mit Archivkarten und Händleretiketten. Symbolisch sind dazu leere | |
Schubladen installiert, hier könnten später Resultate einer noch laufenden | |
unabhängigen Überprüfung der Provenienzen platziert werden. | |
Die aktuelle Forschung zu Manets Gemälde wurde nämlich von der Stiftung | |
Bührle selbst betrieben, keineswegs von unabhängiger Stelle. [2][Es gibt | |
also noch viel Aufholbedarf am Kunsthaus Zürich]. Das scheint auch seiner | |
neuen Direktorin Ann Demeester bewusst zu sein. Die Belgierin betonte auf | |
der Pressekonferenz wiederholt, dass die jetzige Neupräsentation erst der | |
Anfang eines langen Prozesses sei. Tatsächlich, diese Ausstellung ist kaum | |
mehr als ein erster Schritt. | |
## Keine klare eigene Position | |
Denn das Kunsthaus scheut vor einer klaren Position zurück, sobald es um | |
die umstrittenen Fälle von NS-entzogenen Kulturgütern geht. Stattdessen | |
wird auf den im Sommer 2024 erwarteten Bericht des Historikers Raphael | |
Gross verwiesen. Er wurde von der Stadt Zürich beauftragt, die bisherige | |
Forschung zu überprüfen. | |
Dennoch eröffnet das Kunsthaus die Ausstellung mit dem Anspruch, „der Opfer | |
des NS-Terrors zu gedenken, ihre Schicksale in Erinnerung zu rufen und die | |
Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg zu reflektieren“. Doch daran ist sie | |
gescheitert. Sie präsentiert zwar eine weniger euphemistische Nacherzählung | |
der Sammlungsgeschichte, huldigt Bührle nicht mehr als Sammler und Mäzen, | |
verengt sich aber zu sehr auf die Person Emil Bührle. | |
Die Rolle der Schweiz hingegen, wie auch der eidgenössische Staat durch | |
Bührles Kapital zum Profiteur und Kollaborateur des NS-Regimes wurde, | |
bleibt unerwähnt. Kurzum: Die gerade eröffnete Ausstellung hat weder neue | |
Erkenntnisse vermittelt noch eigene Forschungsfragen angeregt. Vor allem | |
hat sie keine eigene Haltung entwickelt. | |
## Fehlende Stimmen | |
Stattdessen gibt es einen sogenannten Resonanzraum. Darin werden per Video | |
verschiedene Stimmen [3][in der Zürcher Debatte um das Kunsthaus] | |
präsentiert. Aber was sagen die Nachkommen verfolgter jüdischer | |
Sammler:innen oder ehemaliger Zwangsarbeiterinnen? Sie fehlen auffällig. | |
Das könnte anders gehen, wie es vor kurzem der Historiker Yves Demuth mit | |
seinem Buch „Schweizer Zwangsarbeiterinnen“ vormachte und Betroffene wie | |
Irma Frei und Elfriede Steiger zu Wort kommen ließ. | |
Dass den jüdischen Sammler:innen, deren Werke im Nachgang der | |
NS-Verfolgung in die Sammlung Bührle gelangten, zu wenig Platz eingeräumt | |
worden sei, sorgte bereits vor der Eröffnung für Aufregung. Der | |
wissenschaftliche Beirat, der die Konzeption der Ausstellung begleitet | |
hatte, kritisierte, „ein weiteres Mal“ entstehe der Eindruck, „dass die | |
Opfer des Nationalsozialismus marginalisiert werden“. | |
Daraufhin trat das siebenköpfige Gremium namhafter Expert:innen | |
geschlossen zurück. Für den Beirat führte nicht einmal dieser erste Schritt | |
in die richtige Richtung. | |
5 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Giulia Bernardi | |
Daniel Riniker | |
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