| # taz.de -- NS-Raubkunst: An dieser Sammlung klebt Blut | |
| > Die Gemäldesammlung des Schweizer Waffenhändlers Emil Bührle enthält 633 | |
| > Werke. Ein Gutachten zeigt nun: Viele stammen aus jüdischem Besitz. | |
| Bild: Journalisten verfolgen die Medienkonferenz zum Ergebnisbericht und den Em… | |
| In Paul Cézannes Gemälde „Landschaft“ sind Hügel zu sehen, Bäume und | |
| vereinzelte Häuser. Das Bild zählt zu der berühmten [1][Sammlung des | |
| Schweizer Waffenhändlers Emil Bührle] (1890–1956). Der hatte zwischen 1936 | |
| und 1956 insgesamt 633 Kunstwerke erworben. Ein Teil davon wird im | |
| Kunsthaus Zürich ausgestellt, seit 2021 in einem eigenen prominenten Anbau. | |
| Die Herkunft des Bildes sei „lückenlos erforscht“, die Provenienz | |
| „unproblematisch“, heißt es in einem Gutachten aus dem Jahr 2020, wie | |
| überhaupt kein einziges der ausgestellten Werke von den Nazis gestohlene | |
| Kunst darstelle oder [2][in der Not der Verfolgung von Juden veräußert] | |
| werden musste. So lautete die Legende bis zum vergangenen Freitag. An | |
| diesem Tag stellte der Historiker Raphael Gross ein im Auftrag von Stadt | |
| und Kanton Zürich sowie der Kunstgesellschaft erstelltes Gutachten vor. | |
| ## Historisch kontaminierte Bilder | |
| Das Ergebnis: Von gut 200 in Zürich gezeigten Kunstwerken gehörten 62 | |
| zwischen 1933 und 1945 jüdischen Vorbesitzern. 18 weitere Werke mussten | |
| möglicherweise von Juden unter dem Druck ihrer Verfolgung veräußert werden. | |
| Und 71 hatten einmal einen jüdischen Vorbesitzer, darunter vor allem | |
| Kunsthändler. 133 von 204 Bildern können als historisch kontaminiert | |
| gelten. An ihnen klebt möglicherweise Blut. | |
| Zum Beispiel der vorgeblich so „unproblematische“ [3][Cézanne]: Das Gemäl… | |
| gehörte dem jüdischen Ehepaar Berthold und Martha Nothmann. Es hatte | |
| geplant, den Lebensabend in Berlin zu verbringen. Doch das NS-Regime zwang | |
| das wohlhabende Paar 1939 zur Flucht nach London. Einen Teil der Bilder | |
| konnte es mitnehmen, darunter den Cézanne. Doch die Renten wurden nicht | |
| mehr ausgezahlt, der Besitz fiel an das Reich. | |
| „Seit der Zeit (gemeint ist die Flucht 1939, d. Red.) leben wir vom Verkauf | |
| der Bilder“, schrieb Martha Nothmann 1947. Da war ihr Mann schon | |
| verstorben. Sie lebte verarmt in New York. Im selben Jahr ging der Cézanne | |
| an Emil Bührle, der sein Vermögen unter anderem mit Waffenverkäufen an das | |
| Nazi-Regime gemacht hatte. Martha Nothamm lebte zuletzt zur Untermiete. Sie | |
| starb im Jahr 1967. | |
| Das Gutachten des gebürtigen Zürchers Raphael Gross, der in Berlin das | |
| Deutsche Historische Museum leitet, zerstört die Vorstellung von einer | |
| sauberen Sammlung gründlich und wenig überraschend, stammt diese doch von | |
| einem Mann, der mit Krieg und Tod sein Geld verdiente und bedenkenlos auch | |
| diejenige Kunst kaufte, deren Herkunft schon damals unklar war. | |
| Moralisch-ethische Haltung | |
| Zweifel an der durch eine Stiftung verwaltete Kunst bestanden vom ersten | |
| Tag an, an dem die Bilder in der Kunsthalle gezeigt wurden. Es stelle sich | |
| die Frage, „ob eine öffentliche Einrichtung“ eine solche Ausstellung „mit | |
| ihrer moralisch-ethischen Haltung in Übereinstimmung bringen kann“, | |
| schreibt Gross nun in seinem Gutachten. | |
| Zweifel überkamen zuletzt auch die Bührle-Stiftung, die nur wenige Tage vor | |
| der Veröffentlichung des Gutachtens dafür sorgte, dass fünf besonders | |
| kontaminierte Gemälde abgehängt wurden – ohne die Direktorin des | |
| Kunsthauses, Ann Demeester, vorab davon zu informieren. Der offenkundige | |
| Versuch, die Wucht des Gutachtens abzumildern, sorgte für Empörung. | |
| Genützt hat er nichts. Gross empfiehlt eine rückhaltlose Aufarbeitung der | |
| Provenienz der Kunstwerke. Die Sammlung Bührle nennt Gross einen „Teil der | |
| jüdischen Geschichte Europas“. Ohne die nationalsozialistische Verfolgung | |
| wäre die Sammlung Bührle so nie zustande gekommen, sagte Gross. | |
| 1 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Streit-um-Schweizer-Kunstsammlung-Buehrle/!5970734 | |
| [2] /Umgang-mit-Fluchtgut/!5988225 | |
| [3] /Schau-ueber-Anfaenge-der-modernen-Malerei/!5997424 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Provenienz | |
| NS-Raubkunst | |
| Kunstsammlung | |
| Restitution | |
| NS-Raubkunst | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Kunstsammlung | |
| Schweiz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Umgang mit NS-Raubkunst: Wem gehört dieser Picasso wirklich? | |
| Bund, Länder und Kommunen haben sich geeinigt: Museen dürfen nicht mehr | |
| blockieren, dass geprüft wird, ob ihre Kunstwerke NS-Raubkunst sind. | |
| Umgang mit „Fluchtgut“: Vom Verlust von Vermögen | |
| Wurde es geraubt oder freiwillig verkauft? Wie mit vom Nationalsozialismus | |
| verursachten Vermögensverlusten umzugehen ist, ist kontrovers. | |
| Streit um Schweizer Kunstsammlung Bührle: Aufarbeitung weichgespült | |
| Das Kunsthaus Zürich will die Sammlung des Fabrikanten Emil Bührle und | |
| seine NS-Verstrickung aufarbeiten. | |
| Kunstsammlung E.G.Bührle: Abweichungen vom Manuskript | |
| Eine Studie über die umstrittene Sammlung E. G. Bührle im Kunsthaus Zürich | |
| wurde abgeändert – und das wurde zu einem Historikerstreit aufgebauscht. |