| # taz.de -- Bundestagsstreit um den Taurus: Scholz in gereizter Stimmung | |
| > Der Marschflugkörper Taurus dominiert die Bundestagsbefragung des | |
| > Kanzlers. Unionsantrag für die Lieferung an die Ukraine ohne Aussicht auf | |
| > Mehrheit. | |
| Bild: Kanzler Scholz bei der Befragung im Bundestag am 13. März | |
| Berlin taz | Es war ein bemerkenswerter Augenblick in der | |
| Bundestagsbefragung des Kanzlers am Mittwoch. Mehrere Unionsabgeordnete | |
| hatten Olaf Scholz bereits zum Thema gelöchert, als der CDU-Außenpolitiker | |
| Norbert Röttgen abermals versuchte, den Kanzler beim Marschflugkörper | |
| Taurus aus der Reserve zu locken. Da wurde der plötzlich persönlich. | |
| In seiner Antwort auf Röttgen wechselte Scholz vom Sie zum Du, vom „sehr | |
| geehrten Abgeordneten“ zum „lieben Norbert“: Es ärgere ihn, so Scholz, | |
| „dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die | |
| darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist“. Das sollte „in | |
| der Demokratie nicht der Fall sein“. Oha. | |
| Röttgen zeigte sich irritiert. Entschieden wies er die „Unterstellung“ | |
| zurück, „ich würde irgendetwas wissen“. Dann ging er zur Gegenattacke üb… | |
| „Sie spielen nicht mit klaren Karten und Sie zielen darauf ab, die | |
| Öffentlichkeit in dieser Frage zu täuschen“, hielt er seinerseits Scholz | |
| vor. | |
| Der Kanzler retournierte, wie er bereits auf die diversen vorangegangenen | |
| Taurus-Fragen aus der Union geantwortet hatte: Beim Taurus handele es sich | |
| um eine „sehr weitreichende Waffe“, bei der „man die Kontrolle über die | |
| Ziele nicht verlieren darf“. Das sei jedoch ohne den Einsatz deutscher | |
| Soldaten nicht möglich. „Das lehne ich ab“, so Scholz kategorisch. | |
| Zuvor hatte er schon bekundet, es sei „nicht verantwortbar“, den Taurus | |
| „ohne Beteiligung deutscher Soldaten im Einsatz verfügbar zu machen“. Das | |
| sei aber „eine Grenze, die ich als Kanzler nicht überschreiten will“. Der | |
| Union hielt er gereizt vor, sie verbreite „Halbwahrheiten“ und mache „den | |
| Leuten Angst.“ | |
| ## Grüne und FDP halten sich mit Beifall für Scholz zurück | |
| Beifall für seine Äußerungen erhielt Scholz nur aus der SPD-Fraktion. Die | |
| meisten Abgeordneten von Grünen und FDP hielten hingegen die Hände still. | |
| Trotz der Bedenken des Kanzlers befürworten viele von ihnen eine Lieferung | |
| an die Ukraine. Gleichwohl dürfte die Union am Donnerstag [1][mit ihrem | |
| erneuten Antrag] scheitern, die Regierung dazu aufzufordern. Bisher hat nur | |
| die FDP-Abgeordnete Agnes Strack-Zimmermann bekundet, bei der namentlichen | |
| Abstimmung mit der Union zu stimmen. Ob noch andere Abgeordnete ihrer | |
| Fraktion ihrem Beispiel folgen werden, ist bislang unklar. | |
| Aus der Grünenfraktion sind hingegen keine Ja-Stimmen zu erwarten. „Ich | |
| rechne nicht mit Abweichlern aus unserer Fraktion, weil allen voll bewusst | |
| ist, dass der Antrag der Union rein innenpolitisch motiviert ist“, sagte am | |
| Mittwoch die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic. Die | |
| Fraktionsführung habe allen ihren Abgeordneten geraten, „dieser Finte nicht | |
| auf den Leim“ zugehen. Und sie habe bislang von niemandem gehört, der das | |
| anders sehe. | |
| Gleichwohl ist der Unmut bei etlichen Grünen groß. In der Fraktionssitzung | |
| am Dienstag erhielt Ex-Fraktionschef Anton Hofreiter einem Teilnehmer | |
| zufolge Applaus für seine Forderung, innerhalb der Koalition den Druck auf | |
| Scholz zu erhöhen. Aber auch er will nicht für den Antrag der Union | |
| stimmen. Dabei hatte Hofreiter in der Sache erst am Wochenende ein | |
| eindrückliches [2][Beispiel schwarz-grüner Zusammenarbeit] geliefert. | |
| Zusammen mit dem CDU-Mann Röttgen veröffentlichte er in der FAZ [3][einen | |
| Gastbeitrag] mit der Überschrift: „Der katastrophale Defätismus des | |
| Kanzlers“. | |
| ## Grüner Protest per „Persönlicher Erklärung“ | |
| Am Donnerstag wollen Hofreiter und mehrere weitere grüne Abgeordnete per | |
| Persönlichen Erklärung, die sie begleitend zur Abstimmung zu Protokoll | |
| geben wollen, sich vom Kurs des Kanzlers distanzieren. Es sei „von | |
| entscheidender Bedeutung, die Ukraine in vollem Umfang zu stärken, um die | |
| besetzten Gebiete einschließlich der Krym zu befreien und ihre | |
| völkerrechtlichen Grenzen wiederherzustellen“, heißt es in dem Text. Die | |
| Verfasser:innen würden daher die Lieferung europäischer und | |
| amerikanischer Marschflugkörper begrüßen und seien „der Überzeugung, dass | |
| auch Deutschland diese Fähigkeiten mit dem Marschflugkörper Taurus zur | |
| Verfügung stellen kann und sollte“. | |
| Federführend hat die Erklärung Robin Wagener erstellt, der neben seinem | |
| Abgeordnetenmandat ein Amt als Koordinator in Annalena Baerbocks | |
| Außenministerium bekleidet. In der Sitzung soll es von der Fraktionsführung | |
| Verständnis für das Vorhaben gegeben haben – versehen lediglich mit dem | |
| Appell, dass die Liste der Unterstützer:innen nicht zu lang werden | |
| solle. | |
| Bis Dienstag lag deren Zahl laut Media Pioneer bei 13, mit | |
| Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt als prominentesten Namen. | |
| Ihrem Büro zufolge wird ihre Unterschrift am Ende dennoch fehlen: Den | |
| Inhalt des Textes hätte sie zwar mitgetragen, krankheitsbedingt verpasst | |
| sie aber die Abstimmung. Somit darf sie auch keine Erklärung abgeben. | |
| ## Eine Frage der Koalitionsräson | |
| Anders als bei den Grünen und der FDP ist in der SPD-Fraktion der Rückhalt | |
| für Scholz weiter groß. Als er in der Fraktionssitzung am Dienstag seine | |
| Entscheidung zum Taurus erläutert habe, habe es Applaus gegeben, so die | |
| Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast. „Auch zwischen dem | |
| Bundeskanzler und dem Verteidigungsminister gibt es große Einigkeit.“ Die | |
| Entscheidung, den Bundestag gleich am Donnerstag über den Unionsantrag | |
| abstimmen zu lassen, sei sehr bewusst gefällt worden. „Dann ist das auch | |
| erledigt“, hofft Mast. | |
| Sie geht davon aus, dass die Ampelfraktionen mehrheitlich gegen den | |
| Unionsantrag stimmen. Alles andere käme allerdings auch einem politischen | |
| Erdbeben gleich. Denn falls der Taurus-Antrag von CDU und CSU wider | |
| Erwarten doch eine Mehrheit finden würde, dürfte das das Ende der | |
| Ampelkoalition bedeuten. | |
| Der Bundestag zählt insgesamt 735 Abgeordnete, CDU und CSU stellen davon | |
| zusammen 197. Aus der restlichen Opposition aus AfD, Linkspartei, Bündnis | |
| Sahra Wagenknecht sowie der sechs fraktions- und gruppenlosen Abgeordneten | |
| werden, wenn überhaupt, dann nur ganz wenige den Unionsantrag unterstützen. | |
| Also müsste schon eine deutliche Mehrheit der Grünen- und der | |
| FDP-Parlamentarier:innen dafür votieren. Das wäre eine Aufkündigung des | |
| Koalitionsvertrags mit der SPD, in dem vereinbart ist, dass die drei | |
| Regierungsfraktionen in allen Fragen einheitlich abstimmen: „Wechselnde | |
| Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ | |
| 13 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw11-de-ukraine-992936 | |
| [2] /Waffenlieferungen-an-die-Ukraine/!5997178 | |
| [3] https://www.faz.net/aktuell/ukraine/taurus-lieferung-der-defaetismus-von-ol… | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
| Anna Lehmann | |
| Tobias Schulze | |
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