# taz.de -- Bundestagsstreit um den Taurus: Schaufensterantrag gescheitert | |
> Die Ampelkoalition schmettert den Unionsantrag in Sachen Taurus-Lieferung | |
> an die Ukraine ab. Einig sind sich SPD, Grüne und FDP trotzdem nicht. | |
Bild: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich teilte im Bundestag kräftig gegen die … | |
BERLIN taz | Am Schluss obsiegte dann doch die Koalitionsdisziplin. Bei der | |
Abstimmung über den Unionsantrag für eine Lieferung von | |
Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine gingen gerade mal zwei | |
Ampelabgeordnete Bundeskanzler Olaf Scholz von der Fahne. Aber das Ergebnis | |
täuscht. Von einer Geschlossenheit der Regierungsparteien konnte in der | |
vorangegangenen Bundestagsdebatte am Donnerstag nicht die Rede sein, im | |
Gegenteil. | |
„Uns alle verbindet die Sehnsucht nach Frieden und der große Wunsch nach | |
einem Ende dieser blutigen Gewalt in der Ukraine“, eröffnete die Grüne | |
Agnieszka Brugger die Antragsberatung. Über die Frage, wie das erreicht | |
werden kann, zeigte sich dann jedoch die Ampelkoalition tief gespalten. | |
Während sowohl die Grünen als auch die FDP sich vehement für eine | |
Taurus-Lieferung aussprachen und sich damit inhaltlich auf die Seite von | |
CDU und CSU schlugen, bekräftigte die SPD nicht minder entschlossen [1][den | |
ablehnenden Kurs von Scholz]. | |
Deutschland solle „die Ukraine mit aller Kraft so unterstützen, dass sie | |
diesen Krieg gewinnen kann“, forderte Brugger. Dazu gehörten „auch | |
weitreichende Waffen wie Taurus“. Dabei sei sich ihre Partei „der Tragweite | |
dieser Entscheidung bewusst, und dass lassen wir uns als Grüne von | |
niemandem absprechen, auch nicht vom Bundeskanzler“. | |
Der FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller blies ins gleiche Horn: | |
„Wir wollen die Ukraine unterstützen mit allem, was wir haben, mit allem, | |
was sie braucht, mit allem was wir abgeben können“, sagte er. Aus Sicht der | |
Freien Demokraten gehöre „auch der Taurus mit dazu“. | |
Für ihre Bekenntnisse erhielten Brugger und Müller nicht nur Beifall aus | |
den eigenen Reihen, sondern auch von der Union – während sich in der | |
SPD-Fraktion keine Hand rührte. Der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul dankte | |
Brugger ausdrücklich. Sie habe im Wesentlichen das ausgedrückt, was auch | |
die Union dächte. „Es ist gut, dass wir in diesem Punkt einig sind“, sagte | |
er. Scholz und der SPD warf Wadephul hingegen vor: „Ihre vermeintliche | |
Besonnenheit hat Herrn Putin immer nur wieder befeuert in seiner Aggression | |
gegen die Ukraine.“ | |
## Versteinerte Mienen bei Grünen und FDP | |
Mit versteinerter Miene verfolgten anschließend die Abgeordneten von Grünen | |
und FDP die Rede von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. „Zeitenwenden sind | |
nichts für politische Spielernaturen“, teilte Mützenich nicht nur in | |
Richtung Union kräftig aus. Es bräuchte „eine angemessenere Debatte als nur | |
über ein Waffensystem“, verlangte er. Da sei auch innerhalb der Koalition | |
bei einigen „manches Maß“ verlorengegangen. | |
Mützenich verwies auf die großen Unterstützungsleistungen Deutschlands für | |
die Ukraine, die weit über denen anderer europäischer Staaten lägen. Und er | |
stellte eine unbequeme Frage: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur | |
darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenkt, | |
wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“ | |
In diese Richtung argumentierte auch die Linken-Vorsitzende Janine Wissler. | |
„Wir erleben einen festgefahrenen und zermürbenden Abnutzungskrieg mit | |
immer mehr Toten und immer größerer Zerstörung“, sagte sie. Angesichts | |
einer „enormen Eskalationsgefahr für den gesamten Kontinent und darüber | |
hinaus“ sei sie „schockiert, mit welcher Leichtfertigkeit einige | |
Abgeordnete nach Taurus und nach immer weitreichenderen Waffen rufen“. | |
Stattdessen bräuchte es „eine diplomatische Offensive“, forderte Wissler. | |
Auch dieser Krieg werde am Ende am Verhandlungstisch beendet werden. „Die | |
Frage ist, wie lange es dauert und wie viele Menschen bis dahin sterben.“ | |
Das Eintreten für Verhandlungen sei „keine Parteinahme für Putin“. Klar | |
sei, dass der russische Angriffskrieg ein Verbrechen ist. „Russische | |
Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen und unsere Solidarität gilt | |
den Menschen im Kriegsgebiet und den Millionen auf der Flucht“, so die | |
Linkenchefin. | |
## Wagenknecht gibt Ukraine keine Chance mehr | |
Von ihrer [2][Exfraktionskollegin Sahra Wagenknecht] war eine solch klare | |
Aussage nicht zu hören. Für sie hat die Ukraine ohnehin keine Chance mehr. | |
Daran würde auch eine mögliche Taurus-Lieferung „überhaupt nichts ändern�… | |
sagte die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Das Einzige was | |
sich ändern würde, ist, dass Deutschland damit in den Augen Russlands wohl | |
definitiv zur Kriegspartei würde.“ | |
Ähnlich begründete der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla seine strikte | |
Ablehnung. „Eine Lieferung von Taurus bedeutet die Verlängerung des | |
Krieges“, warnte er zum einen. „Die Lieferung von Taurus schadet vor allem | |
Deutschland, noch werden wir nicht als Kriegspartei wahrgenommen“, meinte | |
er zu anderen. Die Union, die FDP und die Grünen bezeichnete Chrupalla als | |
„Kriegstreiber“. | |
Den Schlusspunkt der Diskussion am Donnerstag setzte der SPD-Außenpolitiker | |
Ralf Stegner. Er habe „für manches, was ich auch aus Koalitionsreihen höre, | |
wenig Verständnis“. Er wisse „gar nicht, wo diese rhetorische Militanz | |
eigentlich hinführen, wen die abschrecken soll, jedenfalls nicht die | |
richtigen“, sagte Stegner. „Diese Obsession um einen Marschflugkörper, der | |
übrigens eine Tod und Zerstörung bringende Kriegswaffe ist, verlässt | |
zunehmend die Bahnen einer vernünftigen Debatte.“ | |
Im Abstimmungsverhalten drückte sich die große schwarz-gelb-grüne | |
Übereinstimmung nicht aus. Gerade mal 188 Abgeordnete votierten in | |
namentlicher Abstimmung für [3][den Unionsantrag], weniger als die Fraktion | |
von CDU und CSU Mitglieder hat. Aus den Ampelreihen schlossen sich nur die | |
FDP-Abgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki an. | |
Alle anwesenden Grünen blieben hingegen koalitionstreu. Solche | |
„Schaufensteranträge“ seien „wenig hilfreich“, begründete das Brugger. | |
Die SPD, die Linkspartei und das BSW lehnten den Unionsantrag ebenfalls | |
geschlossen ab, bei der AfD gab es einen Befürworter und eine Enthaltung. | |
Insgesamt stimmten 494 Abgeordnete für eine Zurückweisung des Begehrens von | |
CDU und CSU. Der Streit um den Taurus dürfte damit allerdings nicht beendet | |
sein. | |
14 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Bundestagsstreit-um-den-Taurus/!5994914 | |
[2] /Aschermittwoch-von-Linke-und-BSW/!5989130 | |
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/091/2009143.pdf | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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