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# taz.de -- Verschärfung der Ersatzfreiheitsstrafe: Gefangene müssen länger …
> Der Bund hat Ersatzfreiheitsstrafen erst kürzlich halbiert. Nun reagiert
> der Berliner Senat mit einer Verschärfung der Regeln für gemeinnützige
> Arbeit.
Bild: JVA Tegel in Berlin: Zum Teil landen Menschen wochenlang hinter hohen Mau…
Berlin taz | Es trifft vor allem arme, erkrankte, obdachlose Menschen: Wer
eine Geldstrafe nicht zahlen kann, landet im Knast. Zwar wurde erst Anfang
Februar mit [1][einer bundesweiten Reform die Dauer der
Ersatzfreiheitsstrafen halbiert]. Doch der schwarz-rote Senat hat am
Dienstag beschlossen, die Regeln an anderer Stelle wieder zu verschärfen.
Nach den Plänen von Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU)
müssen Verurteilte künftig mehr gemeinnützige Arbeit leisten, um ihre Zeit
im Gefängnis zu verkürzen.
Grundsätzlich richtet sich die Dauer einer [2][Ersatzfreiheitsstrafe] nach
der Anzahl der Tagessätze, zu denen Betroffene verurteilt werden. Bis
Januar galt: pro Tagessatz ein Tag in Haft. Seit Februar ist es nur noch
die Hälfte. Betroffene können die Zeit im Knast weiter verkürzen, indem sie
arbeiten – etwa durch Gärtnern oder Reinigungs- und Hausmeisterdienste.
Vier Stunden solcher Arbeit entsprachen in Berlin bislang einem Hafttag.
Erst 2021 hatte sich die damals rot-rot-grüne Koalition auf diese
Stundenzahl geeinigt, weil die Betroffenen wegen psychischer oder
Suchterkrankungen oft nicht in der Lage sind, länger zu arbeiten. Diese
Erleichterung will die Justizsenatorin nun kassieren und die Stunden wieder
auf sechs erhöhen.
Linke und Grüne im Abgeordnetenhaus sind entsetzt. Der rechtspolitische
Sprecher der Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg, warf Badenberg am
Dienstag „Ignoranz und Voreingenommenheit“ vor. Er befürchtet, dass mehr
Menschen [3][das Programm „Arbeit statt Strafe“] abbrechen könnten und sich
so deren Haftdauer erhöht.
## „Diese Menschen brauchen soziale Hilfe“
Petra Vandrey, Rechtsexpertin der Grünen-Fraktion, erinnerte an die
„multiplen Problemlagen“ der Betroffenen, die ihre Strafe nicht bezahlen
können: „Diese Menschen brauchen soziale Hilfe und keine Gefängnisstrafen.
Schon gar nicht brauchen sie eine Disziplinierung durch erhöhte
Arbeitszeiten.“
Die Justizverwaltung erklärte, sowohl die Verkürzung der Stundenzahl als
auch die Halbierung der Haftzeiten hätten das Ziel, den Justizvollzug zu
entlasten. Durch beide Maßnahmen zusammen käme es zu einer „doppelten
Begünstigung der Verurteilten“. Das müsse „im Hinblick auf die materielle
Gerechtigkeit“ vermieden werden. Eine „unnötige Belastung des Vollzuges und
des Haushaltes“ sehe man nicht.
Dabei übersteigen die Haftkosten die verhängten Geldstrafen bei weitem: Im
Jahr 2022 kostete ein Tag im Berliner Knast den Staat im Schnitt 230 Euro.
Gleichzeitig beträgt eine übliche Strafe für wiederholtes Fahren ohne
Fahrschein 30 Tagessätze à 15 Euro – also 450 Euro, die Betroffene durch 15
teure Tage im Gefängnis absitzen müssen. In Berlin befanden sich Mitte
Februar 348 Menschen zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe im
Gefängnis, viele davon wegen Schwarzfahrens.
27 Feb 2024
## LINKS
[1] /Reform-der-Ersatzfreiheitsstrafe/!5908954
[2] /Ersatzfreiheitsstrafe/!t5857507
[3] /JVA-Chef-ueber-Ersatzfreiheitsstrafen/!5908951
## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
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