# taz.de -- Arbeit statt Strafe: Rückschritte im Senat | |
> 2021 hatte sich die rot-rot-grüne Regierung auf neue Regeln für | |
> Ersatzfreiheitsstrafen geeinigt. Diese werden nun von Senatorin Badenberg | |
> torpediert. | |
Bild: Kritiker*innen befüchten, dass künftig mehr Menschen ihre Ersatzfreihei… | |
Besonders viel bekommt man von Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, | |
für CDU) nicht mit. Und wenn man dann doch mal etwas von ihr hört, sind es | |
vor allem rückschrittliche Vorschläge. Vorschläge, die wirklich niemandem | |
von Nutzen sind – wie jetzt die [1][Verschärfung der Regeln für | |
gemeinnützige Arbeit bei Ersatzfreiheitsstraflern]. Diese müssen nun länger | |
schuften, wenn sie ihre Haftdauer verkürzen wollen. | |
Die Verschärfung trifft Menschen, die häufig schon genug Probleme haben | |
dürften. Menschen, die in der sogenannten Ersatzhaft landen, weil sie | |
aufgrund ihrer finanziellen, psychischen oder Wohnungssituation nicht in | |
der Lage sind, die Bußgelder zu bezahlen. Die Dauer einer | |
Ersatzfreiheitsstrafe richtet sich nach der Anzahl der Tagessätze, zu denen | |
Betroffene verurteilt werden. Bis Januar entsprach ein Tagessatz einem Tag | |
Haft. | |
Diese Regelung wurde im Februar allerdings entschärft, ein Tagessatz | |
[2][entspricht nun einem halben Hafttag]. Betroffene können diese Zeit | |
weiter verkürzen, indem sie arbeiten, 4 Stunden pro Tag waren es bislang in | |
Berlin. Der rot-rot-grüne Vorgängersenat hatte sich 2021 auf diese | |
Stundenzahl geeinigt, da die Betroffenen aufgrund psychischer oder | |
Suchterkrankungen oft nicht länger am Stück arbeiten können. | |
## „Rolle rückwärts im Senat“ | |
Justizsenatorin Badenberg will nun auf 6 Stunden aufstocken. So soll | |
vermieden werden, dass Berliner Ersatzfreiheitsstrafler „doppelt | |
begünstigt“ werden. In diesem Kontext überhaupt von einer Begünstigung zu | |
reden, ist eine Frechheit. Nicht nur Linke und Grüne sind entsetzt und | |
sprechen von einer „Rolle rückwärts im Senat“. Kritiker*innen | |
befürchten, dass nun wieder mehr Personen ihre Haftstrafe einfach aussitzen | |
werden, da das Programm „Arbeit statt Strafe“ für sie nicht mehr | |
realisierbar scheint. | |
Die Verschärfung trifft vor allem Personen, die in unserer Gesellschaft | |
ohnehin schon benachteiligt werden. Das letzte, was sie brauchen, ist eine | |
Gefängnisstrafe. Statt nun also die Stundenzahl der Arbeitstage zu erhöhen, | |
sollte man vielmehr in soziale Hilfsangebote investieren, um die | |
Ersatzfreiheitsstrafler zu unterstützen. | |
Hinzu kommt, dass die Kosten für die Unterbringung in Haft die ursprünglich | |
verhängten Geldstrafen weit übersteigen. Die einzige noch mögliche | |
Erklärung, die Ersatzhaft trotzdem beizubehalten, wäre die Hoffnung auf | |
einen in Haft einsetzenden Lerneffekt. | |
Stellt sich bloß die Frage, wie der bei Personen aussehen soll, [3][die | |
ohne Ticket fahren], weil sie es sich nicht leisten können. Wäre der | |
Lerneffekt hier die Erkenntnis, einfach nicht arm zu sein? Wie man es dreht | |
und wendet: die neue Verschärfung, vom Senat liebevoll Tilgungsverordnung | |
genannt, bleibt bestenfalls zweifelhaft und zeugt schlimmstenfalls von | |
Menschenfeindlichkeit. | |
2 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Carlotta Kuhlmann | |
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