# taz.de -- Arbeit für alle: Brauchen wir eine staatliche Jobgarantie? | |
> Die Schlangen vorm Jobcenter werden länger – und die Arbeitsbedingungen | |
> schlechter. Sollte der Staat mit einer Jobgarantie eingreifen? | |
Bild: Wartebereich in einem Jobcenter in Bielefeld: der Staat könnte die Schla… | |
Morgens im Jobcenter. Vor der Tür eine Schlange von Menschen, die Arbeit | |
suchen. Darunter: eine ukrainische Erzieherin, die vor Putins Bomben | |
geflohen ist, und ein Gärtner, dem vor Kurzem gekündigt wurde. Ob ihr | |
Berater ein gutes Jobangebot für sie hat? Eher nicht, befürchten sie. Die | |
Wirtschaft kriselt nämlich. | |
Was sie nicht wussten: Die Regierung experimentiert mit einer Jobgarantie. | |
Der Berater hatte also nicht nur eine Liste offener Stellen in der | |
Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, sondern auch [1][mit | |
gemeinnützigen Jobs] in der eigenen Gemeinde. | |
Die Erzieherin gibt ab sofort also 20 Stunden in der Woche Nachhilfe für | |
ukrainische Grundschüler. Neben ihrem eigenen Sprachkurs, den sie macht, | |
und Bewerbungen, die sie an Kitas schreibt. Der Gärtner beteiligt sich an | |
einem vierköpfigen Team, das Urban-Gardening-Projekte in den Schulen | |
umsetzt, für 25 Stunden in der Woche – damit noch Zeit für Bewerbungen | |
bleibt. | |
Beide werden nach Mindestlohn bezahlt und stocken mit Bürgergeld nur noch | |
auf. Besser als arbeitslos, finden beide. Sie haben mehr Einkommen, tragen | |
etwas zur Gemeinschaft bei und entwickeln sich weiter. | |
## Arbeitslosigkeit macht krank | |
Okay, das war Wunsch, nicht Wirklichkeit. Leider. Denn eine Welt ohne | |
Arbeitslosigkeit wäre eine bessere Welt. Arbeitslosigkeit macht schließlich | |
arm, krank und grenzt aus. Ein Job ist mehr als bloßes Einkommen: Kollegen, | |
Alltag, Verantwortung. In Artikel 23 der Menschenrechte steht: „Jeder | |
Mensch hat das Recht auf Arbeit.“ | |
Dieses Recht wird denen verwehrt, die in der Jobcenter-Schlange stehen. Der | |
Staat könnte die Schlange zwar kürzer machen, [2][indem er die Wirtschaft] | |
ankurbelt – und darauf hofft, dass private Firmen mehr Leute einstellen. | |
Aber: private Firmen stellen nur ein, logischerweise, wenn es für sie | |
profitabel ist. Das Recht auf Arbeit wäre also nur erfüllt, wenn die | |
Regierung die Konjunktur jederzeit perfekt steuert und Neuanstellungen | |
profitabel sind. Auf Dauer kann das nicht klappen. | |
Besser wäre also, der Staat würde selbst Jobs anbieten. Zusätzlich zu den | |
fünf Millionen im öffentlichen Dienst, die es schon gibt. Auch Kitas und | |
Pflegeheime könnten mehr Leute gebrauchen, aber dafür braucht es jahrelange | |
Ausbildung. Arbeitslose können in einer Krise nicht einfach Lehrer werden. | |
Und Lehrer sollen nicht nur Mindestlohn verdienen. | |
Die Lösung: ein flexibles Jobprogramm. Bezahlt vom Arbeitsministerium, | |
organisiert von den Gemeinden, [3][die Arbeitssuchenden] einen | |
gemeinnützigen Job vor Ort anbieten. So wie der ukrainischen Erzieherin und | |
dem Gärtner. Denkbar wäre auch Mithilfe beim Roten Kreuz, Werkstätten oder | |
lokalen Sportevents. | |
Wichtig: Die Jobgarantie ist ein Angebot, keine Pflicht. Anders als CDU und | |
FDP gerade fordern, sollte das Bürgergeld nicht wegfallen, wenn jemand | |
nicht gemeinnütziger Arbeit nachgehen will. Und sie sollten auch kein | |
[4][Abklatsch von Ein-Euro-Jobs] oder früheren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen | |
sein. Weil im Mittelpunkt die Gemeinnützigkeit steht und das Recht auf | |
Arbeit zu respektvollen Bedingungen – nicht die schnellstmögliche | |
Vermittlung zu geringstmöglichen Kosten! | |
Eine Jobgarantie erzeugt Wohlstand, die Teilnehmer bilden sich on-the-job | |
weiter und es wird eine Untergrenze an akzeptablen Jobbedingungen | |
geschaffen. Niemand muss in der Wirtschaft unter schlechteren Bedingungen | |
arbeiten. Win-win-win, oder nicht? | |
19 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Maurice Höfgen | |
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