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# taz.de -- Hamburg sperrt wieder weg: Ersatzhaftstrafen zu vollstrecken, ist e…
> Alle, die Geldstrafen nicht zahlen können, müssen in Hamburg wieder in
> den Knast. Das ist ein fragwürdiges Instrument, das mehr schadet, als es
> nützt.
Bild: Ein halbes Jahr lang war Pause: Nun müssen alle, die ihre Geldstrafen ni…
Ein halbes Jahr lang war Pause, weil die Gefängnisse überfüllt waren. Seit
Anfang Juni müssen Menschen, die ihre Geldstrafen nicht zahlen können, in
Hamburg aber wieder in den Knast. Das geht aus der Antwort des Senats auf
eine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker hervor.
Die Justizbehörde hatte die Vollstreckung von [1][Ersatzhaftstrafen] im
November unterbrochen beziehungsweise aufgeschoben. 517 Verurteilte mussten
die Strafe laut Senat deshalb zunächst nicht antreten, bei 27 Verurteilten
wurde die Vollstreckung unterbrochen. Allen sei ein Aufschub von sechs
Monaten gewährt worden.
„Nach Ablauf der jeweiligen Fristen wird die Vollstreckung sukzessiv und
nach Priorisierung der Verfahren durch die Staatsanwaltschaft nach dem
zugrundeliegenden Delikt und der Person des Verurteilten wieder
aufgenommen“, schreibt der Senat nun. Dabei geht er davon aus, dass so
„mehr Betroffene die Ladung zum Haftantritt durch die Zahlung ihrer
Geldstrafe abwenden“. Die Justizvollzugsanstalten böten außerdem allen
Betroffenen an, ihre Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit zu
tilgen.
## Eine Frage der Gerechtigkeit
Aber die Wiederdurchsetzung des Instruments wirft grundlegende Fragen zu
seiner Funktion auf – und zu seiner Gerechtigkeit. Die Ersatzhaftstrafe ist
ein fragwürdiges Relikt, das mehr schadet, als es nützt. Denn Strafsysteme
reproduzieren oft soziale Ungleichheiten, das zeigt kritische
kriminologische Forschung. Ersatzfreiheitsstrafen sind ein Paradebeispiel:
Sie treffen vor allem Menschen in prekären Lebenslagen, die Geldstrafen
nicht zahlen können.
Ersatzhaftstrafen bestrafen Armut, nicht das Delikt selbst. Das Strafrecht
fungiert hier als Instrument sozialer Kontrolle, das marginalisierte
Gruppen weiter an den Rand drängt. Die Haft führt nicht zur
Resozialisierung, sondern verschärft soziale Ausgrenzung und
Stigmatisierung, etwa durch Arbeitsplatzverlust oder familiäre
Zerwürfnisse.
## Selten die gewünschte Abschreckung
Der Senat setzt darauf, dass die Drohung mit Haft mehr Verurteilte zur
Zahlung ihrer Strafen bewegt. Doch auch hier zeigen kriminologische
Studien, dass repressive Maßnahmen bei finanziell Schwachen [2][selten die
gewünschte Abschreckung] erzielen. Wer kein Geld hat, kann auch unter
Haftdrohung nicht zahlen. Die [3][Ersatzfreiheitsstrafe wird so zu einer
Strafe für Zahlungsunfähigkeit], nicht für das ursprüngliche Vergehen. Das
untergräbt die Legitimität des Rechtsstaats, weil die Strafe an die soziale
Lage der Verurteilten gekoppelt wird.
Und die Überlastung der Gefängnisse, die zur Aussetzung der Vollstreckung
führte, ist kein temporäres Problem, sondern ein strukturelles. Wie die CDU
nur mehr Haftplätze zu fordern, wird daran nichts ändern. Sinnvoll wäre
eine Ausweitung von Programmen wie der gemeinnützigen Arbeit.
Der Senat erwähnt ein „Day-by-Day-Programm“, bleibt aber vage bei dessen
Umsetzung. [4][Kriminologische Forschung zeigt], dass solche Alternativen
effektiver sind als Haftstrafen, wenn sie flächendeckend und
niedrigschwellig angeboten werden. Das ist ein Ansatz, den Hamburg ausbauen
muss.
15 Jun 2025
## LINKS
[1] /Ersatzfreiheitsstrafe/!t5857507
[2] /Sinn-und-Unsinn-von-Gefaengnissen/!5723494
[3] /Schwarzfahren-entkriminalisieren/!6083354
[4] https://kriminologie.uni-koeln.de/forschung/abgeschlossene-projekte/vermeid…
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
Haft
Haftstrafe
Hamburg
Freiheitsstrafe
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Ersatzfreiheitsstrafe
Hamburg
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