# taz.de -- CTM Festival in Berlin: Die Revolution tanzen | |
> Pisitakun Kuantalaeng erforscht Protestsongs und macht sie zu Clubtracks. | |
> Beim Festival CTM präsentiert er sein Projekt „The Three Sound of | |
> Revolution“. | |
Bild: Pisitakun Kuantalaeng an der Khaen, einem traditionellen thailändischen … | |
Jede Protestbewegung hat ihren Sound, ihren Rhythmus, [1][ihre Lieder]. | |
Eingängig klingen diese in der Regel, sodass man gleich mitsingen kann, | |
hymnenartig, auch pathetisch manchmal. In Thailand, dem Land, in dem der | |
Musiker und Künstler Pisitakun Kuantalaeng im Jahr 1986 geboren ist, trägt | |
dabei oft die Khaen die Melodie, ein traditionelles Holzblasinstrument, | |
eine Mundorgel, die aussieht wie eine in die Länge gezogene Panflöte. | |
Zumindest dann, wenn am Protest Menschen aus dem Nordosten des Landes | |
beteiligt sind, wie das etwa bei der [2][Rothemden-Bewegung] in den 2010er | |
Jahren der Fall war. Seit einiger Zeit schon beschäftigt sich Pisitakun mit | |
der Musik der Khaen, mit Protestsongs aus seinem Heimatland, aber nicht nur | |
von dort. | |
„The Three Sound of Revolution“ heißt sein Projekt, für das er gemeinsam | |
mit internationalen Musiker*innen, DJs und Produzent*innen | |
Protestsounds aus Thailand, Myanmar, den Philippinen, aus Portugal und | |
Brasilien, irgendwann vielleicht von überall her sammelt und remixt. Es ist | |
ein umfangreiches Rechercheprojekt, einen Teil davon wird er jetzt, beim | |
Festival CTM, in der Eröffnungsnacht diesen Freitag präsentieren. | |
Schon am vergangenen Samstag veranstaltete er dafür ein Open Studio in | |
seinen Räumen im DAAD-Atelierhaus am Bundesplatz, vor allem um seine | |
Malerei in Ruhe zu zeigen, die er am Freitag in den unteren Räumen des | |
Berghains, genannt Säule, installieren wird. Die Ausstellung wird dort nur | |
eine Nacht lang zu sehen sein, deshalb habe er sich überlegt, Interessierte | |
vorher in sein Studio einzuladen, erklärt er. Besser sehen kann man die | |
Bilder im Tageslicht in seinem Atelier definitiv, nur fluoreszieren die | |
Farben da leider nicht. Den Effekt muss man sich dazudenken. | |
Knallbunte Farben | |
Die Bilder erzählen von den Konflikten und Protesten der vergangenen | |
Jahrzehnte in Thailand. Auf einem breiten Querformat hat Pisitakun mit | |
knallbunten Farben die vielen Unruhen aufgemalt. Comicartig sind | |
Ereignisse, Personen und Objekte festgehalten und beschrieben, vom | |
Volksaufstand am 14. Oktober 1973, der die Militärdiktatur zum Sturz | |
brachte, bis zu den prodemokratischen Protesten der jüngsten Geschichte. | |
Kopfhörer lassen sich an der Arbeit befestigen für verschiedene | |
Hörbeispiele. | |
Ein anderes Bild, das im Studio hängt, zeigt Gesichter verschwundener | |
Personen aus Thailand. Auf den übrigen sind die beteiligten | |
Künstler*innen des Projekts und Texte einzelner Songs zu erkennen. Für | |
das Berghain plant er außerdem eine Siebdruckwerkstatt, wer da mitmachen | |
möchte, sollte ein T-Shirt einstecken. | |
2015 kam Pisitakun zum ersten Mal nach Berlin und verbrachte viel Zeit in | |
den Clubs der Stadt. Inzwischen lebt er hier, momentan ist er Stipendiat | |
des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Sein Kunststudium hat er 2009 in | |
Bangkok abgeschlossen, eigentlich in Bildhauerei, doch die wurde ihm | |
schnell zu teuer. Er habe es sich nicht leisten können, so | |
weiterzuarbeiten, erklärt er. Stattdessen konzentrierte er sich zunächst | |
aufs Zeichnen, beschäftigte sich dabei auch inhaltlich mit dem Wert der | |
Kunst: Für „We need to talk about money“ (2012) zeichnete er Geldnoten ab | |
und tauschte sie gegen echtes Geld ein. | |
Auch die politische Situation Thailands spielte schon früh eine Rolle: Mit | |
der Macht der Geschichtsschreibung und dem Konflikt zwischen Thailand und | |
Kambodscha beschäftigte er sich etwa in „The unfinished history“ (2012). | |
Das erste Projekt, in dem er Musik integrierte, war „Black Country“ im Jahr | |
2017. Ausgangspunkt war dabei die Staatstrauer und die Vorschrift, sich | |
schwarz zu kleiden. Pisitakun mixte Techno, Noise und Found Footage mit | |
[3][Black-Metal-Ästhetik], veranstaltete Performances aus ausgedachten | |
Ritualen. Humorvoll, dennoch kritisch und recht zugänglich wirken all die | |
Projekte, die Pisitakun während des Open Studios nacheinander vorstellt. | |
Die „Internationale“ auf Tagalog | |
Näheres über die kommende CTM-Clubnacht verrät auch [4][die Website des | |
Projekts]. Dort sind einzelne Länder auf einer Weltkarte auswählbar, mit | |
denen Hörbeispiele verknüpft sind. Etwa ein Song, den Teya Logos aus Manila | |
mitgebracht hat. Ein funky Dance-Track, der die „Internationale“ auf | |
Tagalog zur tanzbaren Budots-Version vermorpht. Teya Logos gehört zu den | |
Projekt-Künstler*innen, die am Freitag ebenfalls dabei sind. | |
Protest und Partys haben für Pisitakun vieles gemeinsam, energetisch vor | |
allem. Dass er vom Berghain-Publikum keine näheren Kenntnisse der | |
politischen Verhältnissen in Thailand erwarten kann, ist ihm bewusst. | |
Primär gehe es ihm darum, „die Kraft der Proteste in die Clubszene zu | |
bringen“. Politisches Potenzial sieht er in dieser jedoch durchaus: „In den | |
Clubs wurde in der letzten Zeit schon viel, etwa über Genderfragen, | |
diskutiert, ich fände es interessant, wenn auch solche Themen dort | |
angesprochen würden.“ | |
Auf eine Art passiert genau das gerade. Der Nahostkonflikt treibt auch die | |
Clubszene um, polarisiert sie. Was Pisitakun erreichen möchte, ist jedoch | |
genau das Gegenteil: Er will Menschen zusammenbringen und ihnen zeigen, wie | |
Musik alle verbindet. | |
26 Jan 2024 | |
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[4] https://threesound.org | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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