| # taz.de -- FDP-Blockade von Lieferkettenrichtlinie: Sie bekommen es nicht auf … | |
| > Die EU-Lieferkettenrichtlinie war beschlossene Sache. Nun droht aus | |
| > Deutschland erneut eine Last-Minute-Blockade der FDP. | |
| Bild: Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch war ein Auslöser… | |
| BRÜSSEL/BERLIN taz | Kurz vor Abschluss will die FDP das | |
| EU-Lieferkettengesetz torpedieren. Nach zwei Jahren zähen Verhandlungen | |
| hatte sich der Trilog von Europäischer Kommission, Parlament und | |
| Ministerrat im [1][vergangenen Dezember auf eine Richtlinie zu | |
| Verpflichtungen von Unternehmen zu Menschenrechten und Umweltschutz | |
| geeinigt]. Die Erleichterung war groß, denn mit Abschluss der Verhandlung | |
| ist die finale Zustimmung von Parlament und Rat reine Formsache. | |
| Auf den letzten Metern also kündigt die FDP am Montag per | |
| Präsidiumsbeschluss ihre Blockade an, sie will die | |
| EU-Lieferkettenrichtlinie stoppen und den „Bürokratie-Burnout verhindern“. | |
| Die Richtlinie würde „unverhältnismäßige bürokratische Hürden und | |
| Rechtsunsicherheiten schaffen und erheblich über [2][das deutsche | |
| Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz] hinausgehen“, heißt es weiter. Die | |
| CDU solle auf „ihre Parteifreundin Ursula von der Leyen einwirken“. | |
| Das FDP-geführte Bundesjustizministerium (BMJ) ist zusammen mit dem | |
| Arbeits- und Wirtschaftsministerium federführend für die Richtlinie und | |
| hatte die Beschlüsse bislang mitgetragen. Den FDP-Präsidiumsbeschluss | |
| wollte das BMJ bis Redaktionsschluss nicht kommentieren. Arbeits- und | |
| Wirtschaftsministerium (BMWK) unterstützen indes den ausgehandelten Text. | |
| Aus dem BMWK heißt es, die Bundesregierung habe „dazu beigetragen, dass der | |
| jetzt vorliegende Entwurf berechtigte Effizienzinteressen der Unternehmen | |
| berücksichtigt, ohne das übergreifende Regulierungsziel in Frage zu | |
| stellen“. Das abschließende Votum der Bundesregierung an der abschließenden | |
| Entscheidung des Rates sei „gegenwärtig Gegenstand von Gesprächen“. | |
| ## Zuletzt hatte nur noch die PiS in Polen Vorbehalte | |
| Wenn die FDP es durchsetzen sollte, dass die Bundesregierung in Brüssel | |
| aktiv wird und Nachbesserungen fordert, droht das gesamte Verfahren aus dem | |
| Ruder zu laufen. | |
| [3][Dies war bereits beim Verbot für Verbrennungsmotoren in Pkws passiert.] | |
| Wegen des deutschen Widerstands in letzter Minute kam es zu wochenlangen | |
| Verzögerungen, am Ende konnte die FDP allerdings nur minimale Änderungen | |
| durchsetzen. Der Verbrenner-Streit gilt daher als abschreckendes Beispiel, | |
| keineswegs als Erfolgsmodell. Als wahrscheinlicher gilt, dass sich die | |
| Bundesregierung wegen des FDP-Widerstands in Brüssel enthalten wird. | |
| Eine deutsche Enthaltung dürfte das Lieferkettengesetz jedoch nicht zum | |
| Sturz bringen. Zuletzt hatte nur noch die polnische PiS-Regierung | |
| Vorbehalte angemeldet – diese wurde jedoch Ende des vergangenen Jahres | |
| durch eine proeuropäische Führung ersetzt. Allerdings könnten einige | |
| Regierungen auch noch ihre Meinung ändern, wenn Deutschland wackelt. | |
| Kritik kommt von der grünen Europaabgeordneten Anna Cavazzini, die das | |
| Lieferkettengesetz mit ausgehandelt hat. „Die FDP gefährdet mit dem | |
| Präsidiumsbeschluss einen seit Jahren laufenden Gesetzesprozess“, sagte sie | |
| der taz. Müsste sich Deutschland im Rat enthalten, stünde das gesamte | |
| europäische Lieferkettengesetz auf der Kippe, da einige rechte Regierungen | |
| bereits mit Ablehnung gedroht haben, warnt Cavazzini. „Das wäre ein | |
| Desaster für die Menschenrechte. Es würde außerdem Wettbewerbsnachteile für | |
| deutsche Unternehmen bringen, da ein europäisches Gesetz gleiche | |
| Bedingungen überall in der EU schaffen würde.“ | |
| Kritik kommt auch von der deutschen Zivilgesellschaft. Johannes Heeg, | |
| Sprecher der [4][Initiative Lieferkettengesetz], sagte: „Mit ihrer | |
| Kehrtwende kurz vor der Ziellinie setzt die FDP die Glaubwürdigkeit | |
| Deutschlands in der EU in Sachen Nachhaltigkeit aufs Spiel.“ Heeg | |
| appelliert an Bundeskanzler Olaf Scholz, den Kompromiss beim | |
| EU-Lieferkettengesetz zu verteidigen. „Denn dieser leistet einen wichtigen | |
| Beitrag für Menschenrechte und Umwelt, ohne Unternehmen dabei zu | |
| überfordern.“ | |
| Zustimmung zur FDP-Position kommt von Siegfried Russwurm, Präsident des | |
| Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Hier liegen komplett | |
| wirklichkeitsfremde Vorstellungen zugrunde, die den Unternehmen | |
| uneinlösbare Pflichten aufbürden würden“, sagte er bei der | |
| BDI-Jahresauftaktkonferenz am Dienstag in Berlin. | |
| ## Gemischte Gefühle bei den Unternehmen | |
| Bedenken kommen auch vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Der | |
| verwies gegenüber der taz auf einige Fälle, in denen große Unternehmen, die | |
| unter das deutsche Lieferkettengesetz fallen, ihre Dokumentations- und | |
| Kontrollpflichten auch auf mittelständische Handwerksbetriebe „abwälzen“, | |
| die als Zulieferer für sie tätig sind. Bei nur in Deutschland tätigen | |
| Handwerksbetrieben sei das Risiko, gegen Menschenrechtsverpflichtungen zu | |
| verstoßen, jedoch gering. „Viele Handwerksbetriebe empfinden solche | |
| undifferenzierten Codes of Conduct als sehr ärgerlich und völlig unnötige | |
| weitere bürokratische Belastung.“ Das für die Umsetzung des deutschen | |
| Lieferkettengesetzes zuständige Bundesamt für Wirtschaft und | |
| Ausfuhrkontrolle (Bafa) hat die Weitergabe der Sorgfaltspflichten an | |
| Zulieferer allerdings untersagt. | |
| Das EU-Lieferkettengesetz wird im aktuellen Entwurf auch nicht für alle | |
| Unternehmen gelten, sondern für solche mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen. | |
| Nach dem deutschen Lieferkettengesetz sind ab 2024 Unternehmen mit mehr als | |
| 1000 Mitarbeiter*innen betroffen. Hinzugefügt werden müsste auch die | |
| Möglichkeit der zivilen Haftung und die Umweltpflichten, welche der | |
| FDP-Beschluss ebenfalls kritisiert. | |
| Die EU-Richtlinie würde zugleich die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Denn | |
| dann würden die Pflichten des Gesetzes für Unternehmen in der EU sowie für | |
| einige Firmen mit Sitz außerhalb der EU gelten, wenn sie einen Nettoumsatz | |
| von 300 Millionen Euro in der EU erwirtschaften. Außerdem gelten die | |
| Sorgfaltspflichten dann für die gesamte Wertschöpfungskette, also auch für | |
| Verkauf, Logistik und Entsorgung. | |
| Es gibt jedoch auch eine Vielzahl von Unternehmen, sich für entsprechende | |
| Regelungen eingesetzt haben. [5][Vergangenen Dezember riefen Unternehmen] | |
| gemeinsam mit Gewerkschaften und Zivilorganisationen die | |
| EU-Politiker*innen dazu auf, die Richtlinie zu Unternehmenspflichten | |
| zum Abschluss zu bringen. | |
| 16 Jan 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /EU-Einigung-auf-Lieferkettengesetz/!5976398 | |
| [2] /Das-Lieferkettengesetz-kommt/!5897432 | |
| [3] /Ende-der-Verbrennermotoren-in-der-EU/!5919152 | |
| [4] https://lieferkettengesetz.de/ | |
| [5] https://www.business-humanrights.org/de/latest-news/multistakeholder-CSDDD/ | |
| ## AUTOREN | |
| Leila van Rinsum | |
| Eric Bonse | |
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